Während Vertreter von Verlagen und Öffentlich-Rechtlichen Sendern Änderung im Rundfunkstaatsvertrag planen, bringt der Südwestrundfunk (SWR) schon mal geschickt seine neuen Instagram-Heimat-Kanäle in Position. Denn in Zukunft soll der Online-Fokus auf Bewegtbild, Ton und Social Media liegen.
Von Katharina Müller
Großformatig sind die Gesichter, klein die Quadrate. Hintereinander gereiht und nebeneinander angeordnet: Instagram ist derzeit einer der gefragtesten Social-Media- Kanäle, hier zählen nicht nur schöne Bilder, sondern auch schöne Geschichten mit vielen Emotionen. Im Gegensatz zur Facebook- Mutter herrscht hier allerdings geradezu eine „die-Welt-ist-schön-Stimmung“: Harmonie und Kuschelatmosphäre statt entfesselter Hass-Tiraden in der Anonymität der Plattformen.
Ein ideales Umfeld für Accounts wie „Swr_ heimat_bw“ und Rheinlandpfalz („Swr_ heimat_rp“), die im Januar online gingen, eingerichtet vom Südwestrundfunk. Präsentiert werden dort ganz unterschiedliche Menschen. Gemeinsam ist ihnen allen die Heimat Baden-Württemberg: Sie füllen den Begriff mit Gefühlen und bewegenden Geschichten. Das Heimat-Thema ist in der Politik, angefangen bei Seehofer, über Mitglieder der AfD, bis hin zu Lebensmittelunternehmen schon lange angekommen, inflationär und nützlich eingesetzt, politisiert oder gar instrumentalisiert. Nun wagt sich der SWR seit Januar nter dem Slogan: „Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl“ auch digital offensiv heran.
Allerdings ganz ohne politisch aufgeladene Verlust- oder Bedrohungsszenarien, sondern ganz im Sinn der Instagram-Mentalität: Hier entfaltet sich der emotionale Wert allein über die Botschaften der Menschen, über die Eigenwilligkeit und Vielfalt der Biografien. Besondere Berufe, interessante Charaktere und außergewöhnliche Leistungen. Aus Südbaden taucht beispielsweise Startup-Unternehmerin Miriam Brilla aus Sasbach auf, aus Freiburg ein Krebspatient. Doch der Kanal ging bereits Ende Januar stillschweigend online, ohne öffentliche Kommunikation und ohne offizielle Information. Inzwischen haben mehr als 2.800 Personen den Account mit den kleinen Filmchen abonniert.
Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass der SWR üblicherweise nicht so leicht die unter 20-Jährigen erreicht, die rund 80 Prozent der User auf Instagram ausmachen. Warum also nicht öffentlich Stellung nehmen zu diesem Engagement und dem eigenen Ziel, neue Zielgruppen zu erreichen? Den öffentlich-rechtlichen Medien wird schließlich oft Intransparenz und fehlender Austausch mit der Öffentlichkeit vorgeworfen. Aber der Südwestrundfunk will nach eigenen Angaben erst kommunizieren, „wenn die Entwicklungen weiter positiv verlaufen“, voraussichtlich „in der zweiten Jahreshälfte mit der Kommunikation nachziehen“, so ein Unternehmenssprecher. Was er dabei nicht verrät, ist der Grund für die späte Kommunikation und was genau positiv verlaufen soll.
Die Nicht-Kommunikation des SWR hat wohl mit der noch nicht ganz festgezurrten Änderung des Rundfunkstaatsvertrags zu tun, der mit neuen Spielregeln auf den Segen der Landtage wartet. Dazu muss man wissen: Seit Jahren streiten Verlage und Sender um Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, um die juristisch definierten „presseähnlichen Inhalte“, um die journalistisch-redaktionellen Online- Angebote im Netz. Der Rundfunkstaatsvertrag untersagte öffentlich-rechtlichen Sendern bisher nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote, denn die Angst war groß, dass digitale Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio den Verlagen potenzielle Käufer wegnehmen.
Im März noch war der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) alarmiert wegen eines Textvorschlags der Rundfunkreferenten zum neuen Telemedienauftrag, befürchtet wurde eine Verschlechterung der Chancen deutscher Tageszeitungen. Dann aber gab es doch noch eine Einigung, Fachmedien, Tagesschau und Handelsblatt berichteten Mitte Juni, dass der Streit quasi beigelegt sei. Vor allem die Apps bargen jahrelang Konfliktpotenzial. Intendanten von ARD, ZDF und Deutschlandradio sollen mit Vertretern der Presseverlage einen Kompromiss ausgehandelt haben. Auch mit dem Ziel, einen fairen Wettbewerb der Angebote zwischen Verlagen und Sendern herzustellen.
Das könnte nun für die beitragsfinanzierten Sender bedeuten: Keine Sieben-Tage- Regel mehr, wonach die Inhalte aus dem Netz wieder entnommen werden. Was bisher ein Nachteil für deren Auffindbarkeit war, weil der Google-Algorithmus zunächst erfasste und dann wieder entzogene Quellen langfristig abstrafte. So sollen Inhalte bei den Sendern bleiben, aber weniger Text, dafür aber der Schwerpunkt auf Audio und Video sowie ein Ausbau der öffentlich-rechtlichen Mediatheken sowie der ausdrückliche Fokus auf die Social -Media-Nutzung. Strategisch also geschickt, dass der SWR schon seit Januar 2018 daran ist, mit seinem Heimatkanal digitale Inhalte zu platzieren. Vielleicht hat Instagram sogar das Potenzial für ein Bewegt-Bild-Langzeitarchiv. Geraten Verlage langfristig im Zuge des digitalen Wandels so nicht erst Recht ins Hintertreffen?
Je nach Erfolg, so jedenfalls die Aussage des SWR, soll das Angebot der Testplattform ausgebaut werden. Schon seit Beginn des Jahres arbeitet ein kleines Team daran, das Material aus dem Fernsehen zu komprimieren und adäquat im Netz auszuspielen, nach SWR-Angaben sollen dabei auch Erfahrungen gesammelt werden. Der Sender will „lernen, Inhalte optimieren und sie gegebenenfalls auf andere Angebote übertragen“, und der noch zu ändernde Rundfunkstaatsvertrag bereitet dafür dann auch das rechtssichere Fundament. Ob damit nicht schon der nächste Streit mit Verlegern in Zukunft vorprogrammiert ist? Kommen die Änderungen nämlich wie geplant, dann ist der SWR mit seinen Heimat-Kanälen und dem Bewegt-Bild-Fokus bereits erprobt. Und bereit für noch mehr Angebote im Netz.