Was bleibt, was kommt?
Rudolf Kast im Gespräch mit Silke Burger, Personalleiterin und Mitglied der Geschäftsführung Burger Group mit Hauptsitz in Schonach.
Von Rudolf Kast
Frau Burger, was kennzeichnet die Führung der Burger Group durch Sie und Ihren Mann ganz besonders?
Wir kennen unsere MitdenkerInnen! Wir kümmern uns um die MitdenkerInnen! Dies gilt für alle, auch unsere ausländischen Mitarbeiter. Unser Unternehmen ist aufgebaut auf den Werten der Vorgängergenerationen und deswegen prägen vorgelebte Nachhaltigkeit und Verantwortung meine und unsere Einstellung zu unseren Beschäftigten. Diversity heißt bei uns Burger-Care, was bedeutet, dass wir für alle MitdenkerInnen da sind und helfen, selbstverständlich auch unseren ausländischen Neustarterinnen und Neustartern. Mein Mann und ich haben ein Gefühl für Menschen, wir leben Menschlichkeit, ich denke, das ist ein wesentlicher Faktor für unseren Erfolg.
Sie leben und erleben Führung demzufolge sehr in der Vorbildfunktion?
Das ist sehr wichtig für uns, wenngleich wir hier zunehmend an unsere Grenzen stoßen. Meine Wahrnehmung ist, dass junge Führungskräfte die Hierarchie nicht mehr als Vorbild wollen. Ich glaube zwar, dass Führung für jüngere Menschen wichtig ist, sie zeigen dies aber nicht. Ich erlebe den Wunsch nach Titeln, nach schneller Karriere, nach Geld gepaart mit viel Freizeit und einem coolen Job. Junge Nachwuchsführungskräfte wollen zügig in Verantwortung kommen, sich schnell weiterentwickeln. Darüber hinaus ist ihnen wichtig, selbst entscheiden zu können, wofür sie ihre Energie aufbringen.
Was sind denn mögliche Vorteile dieser veränderten Einstellung der jüngeren Generation und wie steuern Sie diese Entwicklung?
Wir müssen diesen veränderten Rollenprozess begleiten und fördern. Manchmal müssen wir proaktiv und regulierend eingreifen. Unsere stark auf Projektmanagement aufgebaute Organisation hilft uns in der Veränderung. Die Reputation des Unternehmens beruht auch auf der Flexibilität und Schnelligkeit an der Schnittstelle zum Kunden. Werden Projekte neu aufgesetzt, begleitet ein Projektleiter die Teams mit seiner fachlichen und methodischen Kompetenz, die Leitung hat allerdings keine disziplinarische Führung, sondern hat eher die Rolle zu unterstützen, die Teams können selbst entscheiden, welche weiteren Teamplayer sie aufnehmen. Die Ziele geben wir zwar noch vor, lassen den Teams aber den notwendigen Freiraum.
Vertrauen spielt gemäß Ihrer Firmenethik eine wichtige Rolle. Wird Vertrauen durch diese oben beschriebene Entwicklung neu justiert?
Die von uns aufgestellten Spielregeln müssen eingehalten werden. Dies betrifft die Arbeitswelt mit ihren Regeln für betriebliche Ordnung und Verhalten, zum Beispiel Arbeitszeit, Kleidung im Betrieb etc. Wir geben mehr Freiraum, weil wir dadurch mehr Vielfalt erzielen. Diese Vielfalt führt zu höherer Toleranz miteinander, es gibt nicht nur ein Richtig oder Falsch. Wir fordern indes Ergebnisse und erzielen diese auch. Wir leben davon, dass wir kurzfristig reagieren können. Unsere Kunden haben Vertrauen in uns und wir haben es in unsere MitdenkerInnen. Wenn es missbraucht wird, muss Führung konsequent handeln und das tun wir.
Welche Veränderung bedeutet dieser höhere Grad an Freiheit und Verantwortung für die Informationspolitik durch die Führungskräfte?
Die gewachsene Informationsflut ist immer schwieriger zu verarbeiten. Nach wie vor gestalten wir regelmäßige Informationsrunden im Führungskreis und wir als Geschäftsführung legen auch schon mal Themen fest, die durch die Führungskräfte in einer Informationskaskade in die nächsten Ebenen gebracht werden. Ich habe des Weiteren ein Kreislauf-System der Kommunikation eingeführt: der erste Mitarbeiternde, den ich morgens aus meinem Team treffe, erhält eine Information und streut diese dann an alle anderen im Team weiter. Diese Regel haben wir uns selbst gegeben, das wird gelebt und funktioniert sehr gut. Meetings gestalten wir nach Möglichkeit kurz, im Stehen und ergebnisorientiert. Uns geht es um schnellen Wissens- und Informationstransfer, wir möchten nicht, dass Wissen gehortet, sondern geteilt wird und das möglichst kompakt und zeitnah. Wie machen wir das? Wir schreiben keine langen Emails, sondern komprimieren die Botschaft nach Möglichkeit in der Betreffzeile, das vereinfacht die Aufnahme der Nachricht, das Lesen geht schneller und man hat die Info auf einen Blick.
Welche weiteren Besonderheiten in der Führungshaltung sind Ihnen besonders wichtig?
Gelungene Kommunikation beginnt mit einer freundlichen Begrüßung. Das lernen schon unsere jungen Auszubildenden. Wer dies beispielsweise noch nicht gelernt hat, darf morgens zweimal durch die Tür eintreten, das zweite Mal mit einem freundlichen Gruß, wenn dieser beim ersten Mal vergessen wurde. Die Grundregeln nach Knigge lebe ich vor, ich achte auf Fairness im Business, auf Ehrlichkeit und auf Höflichkeit. Wir wollen nicht, dass Führungskräfte mit Lautstärke agieren, dies muss die absolute Ausnahme bleiben.
Sie haben die Kultur von Burger-Care angesprochen. Wie dürfen wir uns dies noch konkreter vorstellen ?
Ich starte fast jeden Tag mit einem Rundgang in der Fertigung, suche das Gespräch und erkundige mich, woran der Mitarbeitende konkret arbeitet und wie es ihm geht. Das ist für mich nicht nur gelebte Wertschätzung, sondern hat den Vorteil, dass ich viel über Sorgen und Nöte erfahre. Dies versuche ich unseren Führungskräften ebenso nahezubringen. Jeder Einzelne ist wichtig, dies wollen wir vorleben. In den Werken Schonach und Triberg gratuliere ich jedem MitdenkerIn persönlich zum Geburtstag. Ich lade in mein Büro ein und erfahre in Gesprächen ihre aktuellen Themen – beruflich und privat. Mir ist es wichtig da zu sein, im Trauerfall oder bei erfreulichen Ereignissen wie einer Hochzeit. Zu jedem 60. Geburtstag erhalten alle MitdenkerInnen der SBS als Geschenk eine Uhr mit einem Uhrwerk der SBS-Feintechnik.
Wie lautet Ihre Prognose, was wird in der Führung immer wichtiger werden?
Ich glaube an die zunehmende Bedeutung der sozialen und persönlichen Kompetenz in der Führung. Nur so können unsere Teams miteinander erfolgreich arbeiten. Die hier aufgezeigten Elemente unserer Kultur werden das Unternehmen zusammenhalten und weiter erfolgreich machen. Zukunft braucht Herkunft, das ist der Kern unserer Unternehmensentwicklung. Wir werden unser Wertesystem im menschlichen Miteinander bewahren und unseren MitdenkerInnen weiterhin eine Heimat bieten.
Über den Autor Rudolf Kast:
Der Jurist Rudolf Kast war bei Unternehmen und Verbänden in ganz Deutschland für die Aus- und Weiterbildung und die Personalabteilung verantwortlich. Von 1995 bis 2010 leitete er das Personalwesen der SICK AG in Waldkirch, von 1997 an war er auch Mitglied der Geschäftsführung. Für seine exzellente Personalpolitik wurde er 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Seit 2011 berät er mit seiner „Personalmanufaktur“ mittelständische Unternehmen in personalpolitischen Fragestellungen. Er ist ehrenamtlich Vorstandsvorsitzender des bundesweiten demographie-Netzwerkes ddn e.V. und für das Bundesarbeitsministerium Themenbotschafter der Initiative Neue Qualität der Arbeit für Wissen und Kompetenz. In netzwerk südbaden beleuchtet er in einer Reihe von Interviews mit Führungsverantwortlichen aus der Region die veränderten Anforderungen an Führung in der Praxis.
Über die Burger Group:
Die Burger Group
Als eigentümergeführtes mittelständisches Familienunternehmen mit mehr als 160 Jahren Tradition ist sie heute ein renommierter Systempartner für kundenspezifische Antriebslösungen. Auf Grundlage des Zahnrads entwickelt und produziert sie für ihre globalen Kunden individuelle mechatronische Antriebe für die Automotive-Industrie, die Haushalts- und Gebäudetechnik, den Maschinen- und Anlagenbau sowie die Medizintechnik. Als Weltmarktführer fertigt die Burger Group auch heute noch ihr traditionsreiches Produkt, die mechanischen Kuckucksuhrwerke. Die Burger Group beschäftigt in ihren 11 Unternehmen über 1.000 Mitarbeiter an 8 Standorten in Europa sowie Nordamerika. Das Kernunternehmen, die SBS-Feintechnik GmbH & Co. KG, war 10 Mal in Folge unter den TOP 100 der innovativsten Mittelständler.