Wie der Bohrerhof in Hartheim-Feldkirch weiter wächst und statt Krediten von der Bank auf unterstützende Kapitalgeber setzt.
Von Anna-Lena Gröner
Die Beatles-Figuren vom letzten Jahr werden wiederverwendet. Hokkaido, Butternut und Jack be Little kommen zum Einsatz. Das sind keine Hits der vier Pilzköpfe, sondern Kürbissorten. Aus ihnen werden aus den Beatles vom letzten Jahr einfache Arbeiter für die diesjährige Ausstellung. Zu ihnen gesellen sich Elvis, Marilyn Monroe, Einstein, Pinguine und ein riesen Krokodil. Ein schräger Mix. Das alljährliche herbsteinläutende Kürbis-Spektakel auf dem Bohrerhof in Hartheim- Feldkirch ist nicht jedermanns Sache. Und damit steht es symbolisch für das ganze Konzept, das die Familie auf die Beine gestellt hat und weiter plant: das Bohrerhof Landlive Resort.
Ein ganzer Bohrer-Park zusammengesetzt aus Landmarkt, mit eigenen Produkten, einem Restaurant mit wiederkehrender Dinner-Show im Winter und voraussichtlich 2020 endlich auch einem eigenen Landhotel, das aus dem saisonalen Betrieb einen Jahresbetrieb machen soll. Der gelernte Landwirtschaftsmeister Bruno Bohrer denkt gerne groß und geht neue Wege. „Als ich angefangen habe, war unser Hof mit 26 Hektar einer der kleinsten Betriebe im Ort“, sagt er. Heute zählt sein Hof zu den größten Gemüseproduzenten in Baden-Württemberg. Mit seinen saisonalen Produkten, Spargel, Zucchini, Kürbis, Feldsalat und Chicorée, beliefert der Bohrerhof unter der Dachmarke „Unsere Heimat“ alle Edeka Südwest.
Ein Landgasthof der Neuzeit „Landlive Resort“ – der Anglizismus ist für Bruno Bohrer völlig klar, schließlich soll seine Marke auch international funktionieren. Von Ruhestand will der 65-Jährige nichts wissen, denn mit dem käme die Langeweile und damit verbunden die Unzufrie- denheit. Das Landhotel wird seit 2017 von Lais Architekten aus Eschbach geplant, der Bebauungsplan liegt vor und wurde bewilligt. Auf dem eigenen Grundstück in Hartheim-Feldkirch entsteht auf einer Gesamtfläche von rund 4311 Quadratmetern das Hotel mit 64 komfortablen Zimmern auf 4-Sterne-Niveau sowie einem mit Kamin, Bar und Tagungsräumen ausgestatteten Vorbau, den Bohrers als „Wohnzimmer der Region“ beschreiben.
Auf den 800.000 Euro teuren Keller verzichten Bohrers bei ihrem Hotel. Die Technik kommt in die Lagerhallen des Gemüsebetriebes, mit der bereits vorhandenen Biogasanlage wird Energie erzeugt, dank Erdwärme werden Warmwasser und Heizung reguliert, hinzu kommt Abwärme vom Restaurant und dem Wäscherei Betrieb. Nur eine neue Photovoltaikanlage kommt aufs Hoteldach. Bruno und Ehefrau Petra Bohrer schwärmen von ihrem beinahe autarken Resort. Sie wollen damit das Konzept des sich selbstversorgenden alten Landgasthofes in die Neuzeit bringen. Fünf Millionen Euro möchte man für das neue Hotel ausgeben. Das Geld kommt nicht von der Bank, Familie Bohrer setzt auf Investoren.
Bereits 2009 wurde das Restaurant, Teile des Landmarktes und der Landwirtschaft über sogenannte „Genussrechte“ über private Anleger finanziert. Über 300 Geldgeber haben seither in diese „Genuss-Rendite“ investiert. Das Beteiligungskonzept hat sich für Bohrers ausgezahlt und wird als logische Konsequenz für den Hotelbau weitergeführt. Allerdings mit noch mehr Sicherheit für die Anleger, versprechen Bohrers. Inzwischen fungiert die Bohrerhof GmbH wie eine Bank. Sie ist Kreditnehmer, investiert mit dem Geld in eigene Projekte und schüttet Dividende an die Kapitalgeber aus. Die Bohrerhof GmbH ist liquide, Bruno Bohrer spricht von fünf Millionen Euro Jahresumsatz des gesamten Betriebes in 2017. Die Anleger der Vergangenheit konnten bisher immer pünktlich ausgezahlt werden, die möglichen Risiken blieben aus – auch wenn man natürlich darüber aufklären muss: das Maximalrisiko im Pleitefall „Totalverlust“.
Immerhin handelt es sich beim Bau des Landhotels um ein grundschuldbesichertes Darlehen mit einer jährlichen Festverzinsung von fünf Prozent. „Welche Bank zahlt so etwas heute noch?“, fragt Bruno Bohrer. „Unseren Investoren geht es dabei meist gar nicht um die Dividende, sondern um die Sinnhaftigkeit“, sagt er weiter. Die Leute wollten selbst bestimmen, was mit ihrem Geld gemacht werde. „Wir haben viele ältere Anleger aus der Region, die mit dem Bohrerhof eng verknüpft sind. Für sie ist das hier wie eine zweite Heimat.“ Auch junge Menschen aus der Region hätten schon investiert. Der Marketingaspekt ist für Bohrers eines der besten Argumente für das Beteiligungskonzept. Die Anleger kommen vorbei, sind überzeugt von Projekt und Konzept und tragen ihre Überzeugung nach außen weiter. Die Investoren werden zum Werbeträger. Unbezahlbar.
Und wer sein Geld bei der Bohrer GmbH anlegt, der bekomme dafür ein hohes Maß an Sicherheit. Beim Hotelprojekt ist das der Eintrag ins Grundbuch, als stiller Teilhaber. Die Investoren treten dabei nicht als Kapitalgeber in Erscheinung. Anonym und sicher. Hingegen ist das Vertrauen in Banken noch immer geschädigt. Da erscheinen solch alternative Anlagemöglichkeiten attraktiv. Ab einer Mindestsumme von 10.000 Euro darf beim Landhotel eingestiegen werden, bei einer Mindestlaufzeit von fünf vollen Zinsjahren. Um die angeschlagenen Kosten von fünf Millionen Euro genau im Blick zu behalten, wurde neben dem Bohrer-Restaurant ein extra Showroom eingerichtet. Hier entsteht ein originalgetreues Hotelzimmer samt Inneneinrichtung. Komfortable 35 Quadratmeter, viel Holz, großer Balkon. Sobald das Vorzeige- Zimmer komplett ist, könne man hochrechnen und so genau die Kosten kalkulieren.
Ob Sparfuchs oder einfach nur Fuchs, Bruno Bohrer hat einen Plan. Trotzdem bekommen Bohrers in ihrer Funktion als Landwirte Gegenwind. Das Bohrer Landlive Resort passt nicht jedem, mit dem großen Denken ecken sie auch an. In vielen Köpfen müsse der Bauer aus der Regio einen kleinen Bio-Betrieb führen, das nervt Bruno Bohrer gewaltig. „Wir Bauern können nicht das Alibi für die Menschen sein“, sagt er. Bei ihm kommen GPS und Drohnen zum Einsatz. Das erspare Arbeit, aber eben auch sinnloses „Gespritze“. Seine Produkte seien oft sauberer als ausgewiesene Bio-Produkte, davon ist er überzeugt und das würden auch die Vorgaben der Edeka Märkte erwarten.
Wenn der Sohn auf der 20.000 Euro Maschine das Feld spritzt, würde ihm durchaus von vorbeilaufenden Passanten der Vogel gezeigt. Große Maschinen gleich Gift, so die Rechnung der Unwissenden. Doch man müsse auch oder vor allem als Landwirt mit der Zeit gehen. Das bedeutet im Fall Bohrer, moderne Landwirtschaft weiter gedacht. Diese Bohrer Rechnung geht bisher auf. Auf die Frage, ob nach dem Hotelbau Schluss sei mit weiteren Projekten, antwortet Bruno Bohrer mit einem verschmitzten Lächeln und immerhin doch mit einem Blick auf den Ruhestand: „Wenn meine Frau und ich alt sind, sitzen wir in unserem Hotel am Kamin, treffen nette Leute mit denen wir uns austauschen und unsere Erfahrungen weitergeben können.“