Es bleibt beim grünen Licht für den Freiburger Stadionbau. Nur die Diskussion zur sogenannten „Spiegel-Variante“ wirft Fragen auf. Zum Beispiel wie Berichterstattung im Zeitalter von Verschwörungstheorien funktioniert. Oder eben auch nicht.
Von Rudi Raschke
Kurze Vorgeschichte: Im Mai 2017 hatte eine Initiative aus dem Umfeld der vom Stadionbau betroffenen Hobby- und Berufsflieger einen nach eigenen Angaben „schlichten“ Vorschlag eingebracht: Den Stadionbau für den SC am Freiburger Flugplatz auf die andere Seite der Landebahn zu verlegen, quasi spiegelbildlich. In der Regel kommt ein proportionsgerechtes Abbild heraus, wenn man sich vor einen Spiegel stellt – das war bei der Skizze der Initiative nie der Fall: Dem Spielfeld fehlten 15 Prozent der Länge, die vom Sport-Club wenig überraschend benötigten Trainingsplätze wurden als entbehrlich angesehen, Sicherheitsbelange offenbar ebenso: Die Skizze zwängt das Stadion zwischen ein Möbelhaus und die Messehaltestelle, eine Entzerrung der Menschenströme von immerhin 35.000 Leuten fällt aus.
Das sind die Dinge, die jeder mit bloßem Auge sah. Wer sich eingehender damit beschäftigte, erfuhr, dass das vorgeschlagene Schrumpf-Stadion auch in der Höhe sechs Meter gestutzt hätte werden müssen – der echte Entwurf, nach dem ab diesen Herbst gebaut werden soll, hätte „in die Tonne getreten“ werden müssen, wie Vertreter der Stadion-Gesellschaft sagen. Es handelte sich eher um einen Bierdeckelentwurf, den ein bis heute namenloser Architekt für die Flieger-Initiative skizziert hatte. Er sollte kurz vor der vorletzten großen Gemeinderats-Debatte im Juni 2017 noch für ein paar Verwirbelungen sorgen – eingebracht ausgerechnet von Menschen, denen normalerweise fünf Gutachten und hunderte von Seiten nicht ausreichen.
In diesem Fall sollte so aber zackzack die Stadionbau-Geschichte umgeschrieben werden. Im Gemeinderat gilt: Mancher blamiert sich, so gut er kann, das war in der Debatte im Juni des Vorjahres beim Thema auch der Fall. Die Stadt musste den „Entwurf“, also die zu niedrigen fünf Sechstel, die als Stadion ausgegeben waren, komplett begutachten lassen, das war klar. Die Stadt muss in diesem Kontext allerdings alles sachlich prüfen: Selbst wenn Stadiongegner behaupten, dass die Stelle des Neubaus archäologiebedingt ausscheidet, weil genau dort die Mondlandung fingiert, Bielefeld erfunden oder das Lindbergh-Baby entführt wurde. Umso spannender ist, wie die Geschichte der „Variante“ sich über ein Jahr in lokalen Medien (und im OB-Wahlkampf) behaupten konnte.
Was jedem iuns Auge fiel – zu wenig Sicherheit, falsche Maße, fehlende Funktionalitäten – ist eigentlich bis heute ignoriert worden. Die „Badische Zeitung“ wartete mehr als ein Jahr, bis die amtliche Prüfung abgeschlossen war, um zu berichten, dass die sogenannte Variante „nicht als Alternative“ taugt. Das 85-Prozent-Spielfeld war nicht einmal erwähnt. Für die komplett wegfallenden Trainingsplätze zitierte sie in korrektem Amtsdeutsch „nicht zu realisieren“. Für den einzigen von mehr als 30 Punkten, der gutachterlich nicht komplett zurück gewiesen wurde, fand sich noch die prominente Hervorhebung „die Variante wäre freundlicher für Umwelt und Anwohner“.
Um die Spiegelei überhaupt seriös begutachten zu können, mussten Stadt und SC mehr als 100.000 Euro für echte Architekten in die Hand nehmen. „Ein niedriger, sechsstelliger Betrag“ (BZ). Von Medien wäre gerade in Zeiten allgegenwärtiger Verschwörungen zu erwarten, dass sie echte Bürger-Anregungen sauber und nicht erst nach einem Jahr von klar offensichtlichen Schnapsideen trennen können. Das wäre auch wichtig für alle, die sich am Gemeinwohl nicht nur mit einem Stück Pappe, einer Schere, etwas Tesafilm und kruden Computerskizzen beteiligen. Zumal zum Entwurf auch gesagt werden muss, dass er nicht etwa von einer besonders besetzten Gruppe versierter Architekten und Stadtplaner oder entsprechenden Hobby-Schöngeistern kommt, sondern von einer Gruppe von Gegnern und Betroffenen, denen scheinbar jedes Mittel recht ist: Die jüngste Gemeinderats-Sitzung, in der Ende Juli weitere Hürden auf dem Weg zur Stadion-Baugenehmigung genommen wurden, belegt dies: Einmal mehr verloren die Gegner nach dem Bürgerentscheid 2015 eine Abstimmung klar – bei den lediglich vier Gegenstimmen ihres politischen Arms „Freiburg Lebenswert/ Für Freiburg“ zeigt sich, dass keinerlei Überzeugungsarbeit Richtung anderer Fraktionsgruppen im Rat und den anderen Gremien gelang.
Der Grund war wie 2015 ein völliges Überdrehen der Hysterie-Schraube. Sie haben diesen strategischen Fehler einfach wiederholt. Gerlinde Schrempp, Segelfliegerin und Gemeinderätin, wiederholte einmal mehr die Drohkulisse von den Toten, die das Stadion nach sich zöge. Bereits zum zweiten Mal in den vergangenen Jahren wurde eine Organtod-Lüge verbreitet, für die sich keinerlei Belege finden lassen. In Schrempps Umfeld wurden schon 2015 apokalyptische Flugblätter verteilt, die vor einer Erwärmung im Stadtteil um 8 Grad allein durch diesen Neubau warnten.
Ihre Fliegerfreunde waren sich damals nicht zu schade, kurz vor Toresschluss Mietern von Sozialwohnungen Handzettel einzuwerfen, wonach der Stadionbau ihre Miete erhöhen werde. Politisch ist das ein finsteres Spiel mit Ängsten und nicht zu Beweisendem. Die daran Beteiligten verspielen jegliche Glaubwürdigkeit. Das macht es eben auch schwer, einen aus dem Nichts auftauchenden „Entwurf“ aus diesem Umfeld ein Jahr lang ernsthaft als „Variante“ durchzuschleppen. Die Stadt musste ihn rechtsicher prüfen, die Medien hätten ihn, gerade mit dieser Vorgeschichte, einordnen und sortieren können. Um es vereinfacht zuzuspitzen: Eine Hausskizze, det das Dach fehlt, kann schwerlich als „Entwurf“ in einem Wettbewerb bezeichnet werden. Grobe Unwahrheiten sind keine „Variante“ der Wahrheit.