Das Stadtjubiläum der Stadt Freiburg sollte im Jahr 2020 nach einer knapp vierjährigen Vorbereitungszeit über die Bühne gehen –
inhaltlich betreut von der noch-Intendantin Barbara Mundel. Jetzt gibt es Widerstand gegen den Etat, das Konzept steht auf der Kippe.
Von Rudi Raschke
Es sollte nicht-öffentlich besprochen werden, drang aber dann aus einigen undichten Stellen im Mauerwerk des Freiburger Rathauses: Die Kosten für das Stadtjubiläum sind auf rund neun Millionen Euro geschätzt worden, mit Ausnahme der Unabhängigen Listen verweigerten alle Gruppierungen im Gemeinderat der Idee daraufhin die Unterstützung, ohne erneut darüber sprechen zu wollen. Viele Fragen bleiben offen. Der Versuch von ein paar Antworten:
Was hat es mit den Begleitumständen von Barbara Mundels Besetzung auf sich?
Die am Freiburger Theater bis Sommer 2017 als Intendantin tätige Mundel wurde vom OB mit dem Stadtjubiläum betraut, andere Kandidaten wurden nicht vorgestellt. Als sie im Mai 2015 beauftragt wurde, war klar, dass sie das Jubiläum bis Ende ihrer letzten Spielzeit vom Intendanten-Schreibtisch aus betreuen würde, ehe sie dann einen neuen Vertrag erhält.
Wie geht es für Barbara Mundel weiter?
Jetzt schaut es so aus, als käme dieser Vertrag nicht zustande, Barbara Mundel hat anderen Theatern abgesagt und muss sich jetzt auf ein „Stadtjubiläum light“ oder eine Auszeit ohne Arbeit einstellen. Als sie beauftragt wurde, war die öffentliche Freude, dass sie in der Stadt verbleibt, groß. Jetzt medial zu hinterfragen, dass sie in einem eigenwilligen Verfahren als einzige Kandidatin direkt ernannt wurde, ist fragwürdig. Weil es knapp zwei Jahre zu spät geschieht und damals offenbar kein Thema war. Auch die Situation, dass ihr Nachfolger Peter Carp im Jahr 2020 ein reguläres Theaterjahr über die Bühne bringen muss, während quasi eine populäre Neben-Intendantin ein Spektakel auf die Beine stellt, ist damals nicht hinterfragt worden. Barbara Mundel ist in der jetzt eingetretenen Konstellation ziemlich zu bedauern.
Welche Erwartungen gab es an den Etat?
Offenbar wurde ihr als Beauftragte für das Stadtjubiläum ein einstelliger Millionenetat in Aussicht gestellt. Es ist nicht komplett klar, ob dies anfangs nur von der Rathausspitze als Hausnummer genannt wurde und wie weit die ins Thema eingebundenen Gemeinderäte davon wussten. Die Mehrheit von ihnen gibt jedenfalls an, dass sie aus den Ratssesseln gehoben wurde, als dann vor wenigen Wochen der größtmögliche einstellige Millionenbetrag aufgerufen wurde. Tatsächlich hat Mundel sich in diesem Fall an den Etatrahmen gehalten, der ihr anfangs genannt wurde, nichts überzogen oder Verschwendung betrieben.
Was war die Idee für das Konzept?
Mittels eines Kick-Off-Events wurden wichtige Ideen im Juni 2016 im Freiburger E-Werk diskutiert, das Ganze mit Workshop-Charakter und Input der Intendantin zum Entstehungsprozess. Barbara Mundel versuchte, aus den Ergebnissen von Gesprächen so etwas wie ein badisches Gefühl herauszuarbeiten (per Straßenumfragen und Gesprächen mit den gewohnten Lokalpromis aus Medien, Sport, Universität, Kirche und Forschung). Sie wollte die Stadtgeschichte einbeziehen und es offensichtlich mit den ihr vertrauten Methoden und Schlagworten aus dem Stadttheater verschränken.
Wie schaut das Konzept aus?
Nach einer weiteren Präsentation im Winter gab es den „Konzeptentwurf“ der Intendantin, der jetzt im Februar gemeinsam mit dem Preisschild von 9 Millionen Euro an die Öffentlichkeit drang. Auffallend: Unter dem Motto „Freiburg 2020 – Brücken bauen und neue Wege gehen“ war auf sieben dürren Seiten ein Entwurf vorgelegt, der inhaltlich eher einen Schritt hinter die Workshops zurück geht und allzu Konkretes meidet. Mancherorts glaubt man die Handschrift der Intendantin gar nicht zu sehen und denkt, die Nachhaltigkeitsbeauftragte der Stadt hätte mit der Freiburg Wirtschaft Touristik Messe FWTM ein Konzept getextet. Andererseits fühlt man sich bei den sogenannten Handlungsfeldern und Projektlinien dann wieder arg ins Theater Barbara Mundels versetzt. Beispielsweise, wenn es um die dort geführten Debatten geht, dazu die einmal mehr geplante Kreativ-Beglückung des Stadtteils Haslach. Ein eigener „neuer Weg“, auch eigene Positionen einmal zu hinterfragen, ist offenbar nicht angegangen worden. Immerhin: der Versuch, das meist spannende Festival „Theater der Welt“ nach Freiburg zu lotsen, steht ebenfalls im Konzept.
Was fehlt im Konzept?
Konkrete Ideen, Kreativität, ein Funken Kontroverse, Subversion und Emotion. Die sieben Seiten sind ein zu rätselhafter Abstract, um eine positive Stimmung zu erzeugen. Das Verb „feiern“ fällt überhaupt nur zwei Mal (zum Vergleich: Wortkonstruktionen mit „nachhaltig“ 14 mal, was selbst in „Green City“ überhitzt wirkt), es gibt bei allen Themenfeldern – selbst rund um „soziale Gerechtigkeit“ – nicht eine Position, die auch einmal den saturierten Teil der Stadt oder die Behaglichkeitsfalle Freiburg kunstvoll anrempelt. Es ist erschreckend unoriginell, wenn es um jene öffentlichen Events geht, die weder Labor noch Debattenzirkel sein wollen: Für Ideen wie „Neujahrsempfang mal anders“ oder „wir feiern anders“ (sic!) fallen einem nur noch die Schreckensattribute „pfiffig“ und „frech“ ein.
Gab es denn überhaupt Greifbares?
Es bleibt Barbara Mundels Geheimnis, warum sie in einem späteren BZ-Interview mit einer Vertrauten über deutlich mehr spricht als in ihrem Konzeptentwurf – bei dem vermutlich auch der Inhalt aufs Euphoriebremspedal im Gemeinderat drückte. Im Interview geht es um Feuerwerk, Stadtwachstum des 19. Jahrhunderts, um verbindende Feste wie den Mitternachtstisch und um die Communities, aber auch die Abgrenzung von städtischen Lobby-Zirkeln. Mundel verteidigt mittels Beispielen den nicht allzu abwegigen Finanzrahmen. Allerdings versäumt sie auch nicht, den Freiburgern grundsätzliche Intellektuellenfeindlichkeit vorzuwerfen. Was angesichts eines intellektuell schlichten Konzepts paradox klingt. Ihr Unmut, wie das Thema jetzt an uns Medien heran getragen wurde, ist dagegen mehr als verständlich, auch hinsichtlich der Debattenführung.
Und wie geht es jetzt weiter?
Barbara Mundel hat deutlich gemacht, dass sie „stinksauer“ ist, die Tür für eine Einigung dürfte aber noch nicht geschlossen sein. Die sinnvolle Idee, das Stadtjubiläum zu einer Diskussion zu nutzen, in welcher Zukunft Freiburg leben will, hat sie zu wolkig skizziert. Es kann nun passieren, dass der Gemeinderat einen Höchstbetrag festlegen und sich die 900-Jahr-Feier zurecht feilschen wird. Schwer zu sagen, ob Mundel diesen Weg mitgeht. Denkbar wäre ein günstigeres Jubiläum möglicherweise: Das ungleich größere München hat im Jahr 2008 4,1 Millionen Euro in sein 850-Jähriges investiert, 2,7 Millionen kamen über Sponsoren hinzu. (Motto dort übrigens: „Brücken bauen“)
Was droht schlimmstenfalls?
Zunächst zeichnet sich ab, dass den Gemeinderat jetzt dezentes Vorwahlkampf-Flair zur OB-Wahl 2018 umweht: Die FDP spricht angesichts des Konzeptes von „Salomon-Festspielen“, was Blödsinn ist. Die SPD rechnet die Feierlichkeiten ab sofort gegen Schulen auf, in die es reinregnet – was angesichts schon erfolgter und noch anstehender Sanierungsanstrengungen ebenfalls nicht ganz dem Realitätscheck standhält. Auch Grüne, CDU, JPG, FL/FF, Freie Wähler sind gegen die Ausgabe. Einzig die „Unabhängigen Listen“, innerhalb Freiburgs linker Szene so etwas wie der Antipasti-Flügel, finden, dass die Stadt sich dieses Event etwas kosten lassen muss. Noch ist Zeit für Einigungen, Neuberechnungen und Konzeptänderungen, auch ein Wechsel an der Spitze wäre zeitlich noch möglich, wenn Barbara Mundel verständlicherweise die Brocken hinwirft. Was aber auch unterlaufen kann, wenn zuerst ein möglichst unheikler Preis gesucht und damit ein Gegenkonzept aufgesetzt wird: ein Stadtjubiläum im Format „Weinfest XXL“.
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