Der Freiburger Wettbewerb um das Amt des Oberbürgermeisters geht in die Schlussrunde. Die Wahl findet am 22. April statt – wie die Auftritt der sechs fest gemeldeten Kandidaten verlaufen.
Martin Horn, Restaurant „Syrtaki“, Freiburg-Betzenhausen:
Müsste man einem Außerirdischen, der die deutsche Sprache beherrscht, die Befindlichkeiten der Stadt erklären, sollte man ihm am ehesten eine der Veranstaltungen „auf ein Bier mit Martin Horn“ in den Stadtteilen empfehlen: In den Wortbeiträgen der Bürger dort kommen Selbstzufriedenheit und Gebruddel in ein und demselben Satz zusammen. Menschen können sich beklagen, dass zuviele Gebäude in ihrem Quartier errichtet wurden, dass es langsam mal reicht mit der Nachverdichtung und alles ganz furchtbar sei – um im nächsten Halbsatz zu fragen, wo denn bitte endlich der Wohnraum für Familien geschaffen wird. Andere schwören, dass der neue Stadtteil Dietenbach, der Entlastung für rund 13.000 Menschen bringen soll, katastrophal scheitern werde, als „zweites Wyhl“. Wieder andere verlangen, dass in Freiburg doch bitte überall Aschenbecher angebracht werden sollten. Ein mitgebrachter Liedermacher singt unwidersprochen Verschwörerisches vom angeblichem Klüngel zwischen dem amtierenden OB und einem Bauunternehmer.
Martin Horn, der von der SPD ins Rennen geschickte, aber parteilose Kandidat aus Sindelfingen hört sich das alles an, verbreitet ein paar bereits widerlegte Halbwahrheiten, pickt ein paar kleinere Ausrutscher von Dieter Salomon auf und verspricht Dinge, die für die Stadt teuer werden könnten: Kitas sollen künftig umsonst sein; wenn Dietenbach kommt, könne die Straßenbahn-Linie nicht nur eine Verlängerung der Bestehenden sein, sondern über eine weitere Linie mit zusätzlichen Schienenkilometern bedient werden; und Menschen, die mit Park&Ride bereits Kosten und Nerven sparen, mögen mit einem 1-Euro-Ticket subventioniert werden; Zuschüsse für die Stadtbau. Dazu das Credo, dass „24 Jahre genug sind“, was bei manchen suggeriert, der jetzige Amtsinhaber sei schon so lange im Amt und steuere auf die Jahre 25 bis 32 als OB zu. Horn, der ironischerweise im Hauptberuf selbst einem Bürgermeister in der dritten Amtszeit und mit Kurs auf die 24 Jahre dient, macht es offensichtlich nichts aus, seinen 57-jährigen Gegner zum 65-Jährigen zu erklären.
Nicht das Einzige, was jenseits des Anstands scheint in seinem Wahlkampf, der jetzt gegen Ende auf ein Geraune setzt und von „Vielen“, „Manchen“ und „die Leute“ spricht. Mangels größerer Angriffsflächen klingen Interviews und Auftritte des 33-Jährigen ein wenig nach der Wandersage, wonach der Bruder vom Cousin eines Nachbarn etwas Schlimmes gehört habe. Das verfängt, das Format der Stadtteilbegegnungen, an denen manche Abende zwischen 80 und 200 Interessierte zum Freigetränk bringen, scheint perfekt geeignet. Horn kann im Freiburger Westen erzählen, dass man zwar den Bürgerentscheid für das neue Stadion zu akzeptieren habe, er die Infrastruktur-Kosten für die Stadt aber viel zu hoch fände. Tage später wirbt er mit SC-Schal im Osten der Stadt dafür, „dass Freiburg erstligareif bleibt.“ Darf man das populistisch nennen? Ja. Die Unterstützung der populistischen Liste „Freiburg Lebenswert“ für Horn ist ein Beleg dafür.
Monika Stein, „The Great Räng Täng Teng“:
Die Kandidatin eines linken Bündnisses treibt viel Aufwand, vor allem junge Wähler zu gewinnen. Veranstaltungen fürs Spenden- und Stimmensammeln finden vor allem im Umfeld studentischer Subkultur statt, wo Stein als einzige aller sechs Kandidaten auch mal nach dem Wirtschaftsfaktor und dem kreativen Output des Nachtlebens fragt. Das ist auch Thema ihrer Spendensammel-Parties. Man hat bei ihr wiederum nicht das Gefühl, dass sie einen Wahlkampf führt, der sich auf Teufel-komm-raus auf Anbiederung stützt, sondern auf Ideen und auf einen Sachdiskurs mit Oberbürgermeister Dieter Salomon.
Stein, die als Lehrerin anders als der für einige Monate freigestellte Horn ein sattes Pensum zwischen Schulstunden und Infoveranstaltungen absolviert, dient sich auf Veranstaltungen nicht an, sie spricht mit den Leuten, diskutiert und lässt auch mal andere diskutieren. Mit PR-Gags wie „Salomon feuern“ (Aufschrift auf Werbe-Feuerzeugen) oder „Salomon stürzen“ (Motto eines eigens entworfenen Schnapsgetränks in Freiburger Szene-Lokalen) bringt sie noch Spurenelemente von Humor in den zuletzt ein wenig verbissener gewordenen, spaßfreien Wahlkampf. Es ist davon auszugehen, dass es bei den jungen Freiburgern ein Kopf-an- Kopf-Rennen zwischen der langjährigen Grüne-Alternative-Stadträtin und dem in diesem Umfeld nicht immer authentischen, SPD-nahen Horn geben wird.
Dieter Salomon, Freie-Wähler- Stammtisch, „Zum Schiff“:
Schauplatz ist der Stammtisch der Freien Wähler der Stadt, einer Bürger-Gruppierung, die mit drei Stadträten im Gemeinderat vertreten ist. Wie auch bei Horn und Stein ordentlicher Andrang, der OB steigt nach kurzem Eingangsstatement in eine recht ausgedehnte Fragenrunde mit den Besuchern ein. Thema Nummer eins ist der Wohnraum. Die Freien Wähler versammeln traditionelles Bürgertum und viele Selbstständige, aus deren Mitte recht differenzierte Fragen kommen – auch, warum es für die Stadt schwerer werden könnte, wenn der nicht sozial geförderte Teil der Freiburger Wohnungen immer teurer finanziert werden muss. Oder warum sich fürs öffentliche Bauen kaum noch handwerkliches Personal findet. Man merkt: Salomon geht mit sehr konkreten Beispielen und langen Antworten darauf ein, er spricht von gefördertem Eigentum und Mietwohnungsbau, aber auch den Grundlagen aus Stuttgart hierfür.
Er gibt sich an diesem Abend kompetent, aber keineswegs allwissend: „Ich kann es Ihnen nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren“ sagt er zu einem verwalterischen Detail über die Anforderungen städtischer Lehrberufe. Dass gebaut werden muss, scheint an diesem Abend im Freiburger Stadtteil Waldsee außer Frage, die Themen kreisen eher ums wie: Hätte Gutleutmatten höher ausfallen können? Welche Stockwerkzahl ist optimal für den Stadtteil Dietenbach? Was macht das Gebiet Zinklern? Salomon antwortet offen, kündigt Dinge an, die realistisch scheinen und legt Wert auf die Tatsache, dass er als Grüner natürlich auch „für Kröten und Heuschrecken“ verantwortlich sei, sich vor allem aber darum sorge, „dass die Menschen in Freiburg ein Dach über dem Kopf haben“.
Die Atmosphäre ist persönlich, zwischendurch beinahe kleinstädtisch, weil er viele der anwesenden Handwerker, Bauunternehmer und Engagierten aus den Vereinen persönlich adressieren kann. Er kennt den Brief, den ihm der Rentner Wolfgang aus der Knopfhäusle-Siedlung vor zwei Wochen geschrieben hat und weiß, wie die Antwort der Stadt lauten wird. Als wichtigste Themen für eine mögliche weitere Amtszeit nennt er soziale: Wohnen, weitere Schulsanierungen und der Ausbau der Kinderbetreuung. Zu den Visionen einer nachhaltigen Stadt gehöre aber auch, dass es wie in den Amtszeiten davor „Herausforderungen geben wird, die wir heute noch gar nicht kennen.“
Stephan Wermter, „Wermter räumt auf“, Münsterplatz:
Seine noch im Februar in unserem Magazin getätigte Ankündigung, mit allen reden zu wollen, hat der eher der rechten Szene zugeordnete Unternehmer nicht wahr gemacht. Der Turnus seiner Wahlkampf- Auftritte sah so aus: Unter der Woche erschien er trotz Zusage nicht bei öffentlichen Diskussionen und Treffen (Gesamtelternbeirat, Arbeitsgemeinschaft der Bürgervereine), am Wochenende meldete er sich dann umso krachender mit halb- oder ganzseitigen Anzeigen in der „Badischen Zeitung“ zurück, die er als einziges Werbemittel nutzte. Zu lesen waren Interviews mit wenig Erkenntnisgewinn, die ein ungenannter Gesprächspartner oder Wermter selbst mit Wermter geführt hatten.
Mehrmals wurde der selbsternannte Aufrichtige der Lüge überführt (angebliche Staatsschutz-Überwachung, Teilnahme am „Kandidat-o-mat“ von BZ und der Landeszentrale für politische Bildung, abgeschriebene Texte zu den Zuständen auf Freiburger Plätzen), manchmal kreuzte er selbst bei eigenen Veranstaltungen nicht auf: „Wermter räumt auf“ war so ein Event an einem Samstag-Vorabend. Wobei unklar war, ob er verbal oder mit dem Besen über den Freiburger Münsterplatz fegen wollte. Stattdessen sendete er zeitgleich eine Gaga- Botschaft via Video vom Arc de Triomphe in Paris, in der er im Outfit eines Südbaden-Dandys seine Flucht vor einer Handvoll Protestierender begründete.
Manfred Kröber und Anton Behringer, diverse Podien:
Taten sich ebenfalls als nicht ernsthaft wählbare Farbtupfer hervor, das Grünen-Mitglied wegen der Fliege in der Parteifarbe, Behringer wegen seiner sogar von den Bürgervereinen belachten „Freiburg-First“-Idee. Um der Wohnungsnot Herr zu werden, will Behringer keinen neuen Stadtteil bauen, sondern in Freiburg Geborene zuerst versorgen. Ausnahme sollen Studierende, Fachkräfte, Verwandte und andere sein. Mit dieser Bierdeckel-Lösung sollen zugleich Probleme von Verkehr über Finanzen bis Klima gelöst werden. Für den Bildungsstandort Freiburg waren Behringers Auftritte eher keine gute Werbung.
Von Rudi Raschke