Was passiert, wenn Unternehmen die Zukunfts-Prognose der „Arbeitsmarkt wandelt sich zum Bewerbermarkt“ wörtlich nehmen und in Arbeitgeberattraktivität investieren? Zwei konkrete Beispiele und ein Experte, der weiß, worauf es ankommt, zeigen die Möglichkeiten.
Von Katharina Müller
„Personalwerbung bedeutet, Seriosität nicht mit Langeweile zu verwechseln“, so soll es einmal Markus Ruf, zweifacher Werber des Jahres in der Schweiz gesagt haben. Ein Name, der insbesondere in der Schweiz, rund um Zürich, mit erfolgreichen Kampagnen und öffentlicher Aufmerksamkeit konnotiert ist. Wenn ein Unternehmen sich gut verkaufen, seine Arbeitgebermarke weiterentwickeln will, um bei der Zielgruppe, seinen potenziellen Mitarbeitern zu punkten, dann braucht es eine gute Agentur, das ist die halbe Miete. Aber eben nur die halbe. Natürlich braucht es auch ein Unternehmen, das mit den kreativen Ideen tatsächlich auch kann. Die Chemie muss stimmen. So war es bei der Agentur Ruf Lanz und Jörg Buckmann, dem ehemaligen Personalleiter der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ): Gemeinsam entwickelten sie über die Jahre hinweg für die VBZ mit Mut und Leidenschaft Ideen und erfolgreiche Kampagnen. Bei einer dieser Kampagnen wurden die unsichtbaren Talente der VBZ, also Mitarbeitende, die im Normalfall im täglichen Verkehrsspektakel in der Stadt gar nicht wahrgenommen werden, in den Vordergrund gerückt: Sind es doch die, die hinter den Kulissen die Fäden ziehen. Die Besonderheit lag darin, dass vier ausgewählte Personen im Stile des chinesischen Künstlers Liu Bolin vor markanten Wahrzeichen Zürichs bemalt wurden und mit dem Hintergrund verschmolzen: Im Mittelpunkt und doch (fast) unsichtbar.
Jörg Buckmann, der inzwischen selbständig ist, Bücher schreibt und mit über 10 Jahren Erfahrung ein Experte für Personalmarketing und Employer Branding ist, sagt, „gutes Personalmarketing ist nicht zuletzt auch eine Frage des Anstands“. Es geht darum, die Bewerber als zumindest vorübergehende Gäste eines Unternehmens zu betrachten, sie mit ehrlichen Informationen zu bedienen und einfach erreichbar zu sein. So entwickelt er mit einem seiner Kunden, der Stadt Freiburg, den neuen Arbeitgeberauftritt mit dem Slogan „Wir lieben Freiburg“. Statt auf hochglänzenden Flyern sind die Mitarbeiter hier in Videoclips Botschafter mit ihren ganz persönlichen Geschichten, privat und aus dem Arbeitsalltag. Er sagt: „Die Arbeitgeberin Freiburg als Stadt hat viele Verwaltungsjobs, muss entsprechend mit Vorurteilen kämpfen. Darüber darf man natürlich nicht einfach hinweggehen, eine Kampagne muss ehrlich und authentisch sein und darf die Realität nicht verleugnen.“ Sobald die Botschafter aber Menschen seien, wenn ohne sperriges Verwaltungs-Vokabular geworben werde, dann komme das schon ganz anders herüber, dann könne das richtig spannend sein und unglaublich attraktiv machen. Noch ein bisschen weiter beim Employer Branding sind die Verkehrsbetriebe Zürich gegangen.
Die VBZ warb nicht nur aufmerksamkeitsstark in der Öffentlichkeit mit politischen Statements und künstlerischen Kampagnen um Mitarbeiter und verbesserte so das eigene Image, sondern überraschte auch die Jobsuchenden auf der Website – nicht etwa mit einem in der Zwischenzeit zum Standard gehörenden Corporate Design, sondern mit einem ungewöhnlichen Auftritt für Arbeitssuchende: In der Liste mit offenen Stellen heißt es: „Hansjörg Feurer, Leiter Betrieb Bus, bewirbt sich bei Ihnen als Ihr neuer Chef“. Ein Klick auf die Anzeige, es erscheint ein dreiminütiges Video, der Chef stellt sich vor, erklärt die Aufgabenfelder, die Mitarbeiter (also die potenziell künftigen Kollegen) sprechen in die Kamera, erzählen vom Arbeitsalltag, hier und da mal eine Anekdote, authentisch, unaufgeregt, nicht inszeniert, nicht aufgesetzt und doch so unglaublich persönlich. Jörg Buckmann: „Der Grundgedanke guter Personalwerbung ist, sich in die Situation der Bewerber zu versetzen.“ Das klingt einfach, ist es aber offenbar nicht. Gute Personalwerbung werde oft an der Zielgruppe und den Bedürfnissen vorbei ausgerichtet. Traditionell stehen meist immer noch das Interesse der Unternehmen im Fokus, dazu auch noch austauschbare Floskeln und kaum Angaben dazu, was die Bewerber bei ihrem zukünftigen Arbeitnehmer erwarten können.
Ein gutes Beispiel, wie es auch anders geht, ist dabei wieder die VBZ: Anhand der Reihenfolge „Wir bieten“, und erst danach das übliche „Sie bieten“, wird bereits der konsequente Bewerber-Fokus deutlich. Etwas nach unten gescrollt auch noch ein Linien-Verkehrsplan, der potenzielle Bewerber hat hier alle wichtigen Informationen auf einen Blick: Arbeitszeit und Ferien, Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Unfall, Fitnessgutschein im Wert von 500 Franken oder Familienzeit – „Wir freuen uns mit Ihnen über Ihren Nachwuchs“, so die ersten Zeilen im aufpoppenden Kästchen. Was sagt man dazu? Hier gibt sich ein staatliches Transportunternehmen mit rund 2500 Mitarbeitern und seinen 50 verschiedenen Berufsfeldern kein bisschen langweilig, vielmehr originell, dazu auch noch sozial und ziemlich offen, persönlich und transparent. Wer nun argumentiert, dass so ein Auftritt, gerade mit Agentur-Beratung teuer und aufwendig ist, hat recht, sagt Buckmann ohne zu zögern.
Große und gut gemachte Kampagnen seien finanziell und zeitlich enormer Aufwand, doch gerade bei Stellenausschreibungen könnten sich auch kleine Mittelständler ohne sich krumm zu machen mit wenigen Änderungen von anderen am Markt abheben und einen Eindruck hinterlassen, der im Kopf bleibt. Selfmade versteht sich. Allein das Thema Sprache werde beispielsweise „komplett unterschätzt“, so Buckmann. Das fängt bei der Stellenanzeige an, die mehr einem Formular gleicht als einer sympathischpersönlichen Ebene, oft gibt es keinen festen Ansprechpartner, geschweige denn mit Foto. „Wenn nur schon die Einladung zum Gespräch oder eine Absage mit mehr Einfühlungsvermögen und weniger standardisiert formuliert würde, hätte das schon Seltenheitswert.“ Alles Feinschliff und lediglich eine Frage des Images? Die Kampagnen der VBZ brachten messbare Erfolge. Die Rekrutierungskampagnen, die über ganz verschiedene Kanäle gezielt Frauen ansprachen starteten 2011, die eingereichten Bewerbungen weiblicher Interessenten verdoppelten sich daraufhin von 16 auf 31 Prozent, und im Jahr 2012 waren schließlich fast 40 Prozent aller neu angestellten Trampiloten tatsächlich Frauen.