Das Ende der Mustermesse Basel „Muba“ zeigt deutlich, welchen Fokus die Messe Schweiz (MCH) setzt. Die Messe-Branche befindet sich im Wandel, es ist Zeit, auch den konventionellen Messe-Begriff umzudenken. Denn es wird umstrukturiert, modernisiert und investiert.
Von Katharina Müller
Beim ersten Klick noch einigermaßen ansprechend, auf den zweiten Klick die totale Verwirrung: Die Homepage der Mustermesse Basel, mit den Messe- Impressionen der letzten Jahre, sieht auf den ersten Blick zwar nicht komplett veraltet aus, doch die „Highlight-Liste“ zeigt: „Rundhof“, „Regionaler Genuss“ oder „Meine erste Wohnung“ – wenig erleuchtende Kategorien, auch nicht ansprechend gestaltet, fast trist und eher umständlich die Handhabung. Unabhängig davon, wie lange der letzte Webseiten-Relaunch zurückliegt, besonders visionär und gut durchdacht dürfte er nicht gewesen sein, eher halbherzig und sprachlich verwirrend. Userführung, modernes Interface? Fehlanzeige.
Mustermesse Basel
Die Muba, das war die Messe, aus der sich die Basler Messe vor über 100 Jahren entwickelte, 2019 wird sie das letzte Mal stattfinden. Der Veranstalter wollte gegen die alljährlich schrumpfenden Besucherzahlen angehen, aber offenbar mit wenig Ehrgeiz. Kein Wunder, denn die Muba scheint mit ihrem Angebot fast wie aus der Zeit gefallen: Von Alzheimervereinigungen über Ananasringe bis hin zu den Antialergenen scheint es hier fast alles zu geben. Ein Zielgruppen- Spagat, ein riesiger Marktplatz mit einem gewaltigen Problem: Suchen und Finden ist in der heutigen Zeit fast gleichbedeutend mit „schnell“ und „gezielt“, was online eben am besten funktioniert.
Mehr Kalkül als Missgeschick
Zu vermuten ist allerdings, dass auch die MCH Group, die sich derzeit neu organisiert, genau das wusste. Zwar macht das Unternehmen im Geschäftsjahr 2017 einen Umsatz von 493.3 Millionen Franken (Plus 12 Prozent) und 10 Millionen Gewinn. Aufgrund von Sonderabschreibungen rutscht sie aber in die roten Zahlen, was erstmal nicht dramatisch ist, angesichts eines soliden Eigenkapitalanteils von 34 Prozent und angesichts struktureller und organisatorischer Optimierungen im nationalen Messe- und Eventgeschäft. Es wird derzeit eben gerungen in der Branche und in Basel, um die renommierten Eigenmessen und die Aussteller; die Schmuckmesse „Baselworld“ ist bereits am Schrumpfen, möglicherweise droht der Kunstmesse „Art Basel“ ähnliches. Kalkül oder Missgeschick?
Überholte Vorstellungen
Dass in die Muba nicht mehr investiert wurde, liegt wohl eher daran, dass das Live-Marketing inzwischen in einer anderen Liga als die Messegesellschaft spielt. Denn die MCH kauft nicht nur international neue Standbeine zu, sie fungiert plötzlich auch als Berater für Städte wie Buenos Aires, organisiert globale Events und konterkariert schon seit Jahren die etablierten Vorstellungen von Messe. Erst recht mit dem Projekt, das im September Premiere feiert: Eine Messe, deren Ausstellung wie ein interdisziplinäres Museum funktionieren soll. Der Autosalon „Grand Basel“ soll „Automobile im kulturellen Kontext von Design, Architektur und Kunst“ für „Kenner, Experten und Sammler“ zeigten. Entsprechend groß gedacht und international geplant – mit Ablegern in Miami und Hong Kong. Endgültig abgehoben oder dynamisch innovativ?
MCH mit Dynamik und Strategie
Immerhin fährt die MCH eine „Collectors- Events-Strategy“, dabei gehören vor allem internationale Sammler zur Zielgruppe, High End-Produkte und namhafte sowie gut zahlende Aussteller. Da fällt doch eine Business-to-Consumer-Verbrauchermesse à la Muba wie Staub aus dem schicken Rahmen des international orientierten Messe-Portfolios. Weder der Glamourfaktor, noch die Gewinn-Spanne, die sich auch an zahlungskräftigen Ausstellern bemisst, dürfte bei der Muba nicht besonders hoch ausfallen. Die konsequente Ausrichtung Richtung Luxus-Segment wird damit offensichtlich. Das kann man schade finden, aber auch kritisieren, denn der Fall von weiter oben ist tief. Das geht zwar solange gut, wie die Konjunktur floriert, die Aussteller das mittragen, aber auch bei der „Art“ wird vereinzelt Kritik laut.
Auch am Kunstmarkt ist fraglich, wie lange es dauert, bis eine Sättigung und Konsolidierung eintritt oder gar der Boykott. Nicht ganz abwegig jedenfalls angesichts aktueller Medienberichte und der Nachricht, dass neben anderen Aussteller nun auch noch Swatch der Baselworld zugunsten der Konkurrenz den Rücken kehrt, verbunden mit harscher Kritik gegen den Veranstalter wegen zu großer Arroganz und dem Vorwurf nur abzukassieren. Basels Messechef Réne Kamm musste Anfang August gehen. Der seit Juli neu angetretene Messeleiter für die Baselworld kündigt in einem Interview mit der Schweizer Zeitung „le temps“ dann auch direkt an: Die Messe werde sich modernisieren und müsse sich an die Bedürfnisse der Aussteller anpassen.
Investitions-Ambitionen
Da wird man hellhörig. Ist die Situation in der Schweiz symptomatisch, vielleicht auch für Deutschland? Schaut man sich die Berechnungen des Ifo-Instituts und des Messewirtschaftsverbands AUMA an, dann zeigt sich, dass Messe-Veranstalter zwischen 2014 und 2017 gerade mal 1,5 Prozent der Umstätze an Investitionen (0,2 Milliarden) getätigt haben. Aussteller und Besucher der internationalen und nationalen Messen (weniger regionale) haben damit die meisten Ausgaben. Gerade im Vergleich zu den Messe-Veranstaltern schultern die Aussteller und Besucher den enormen Löwenanteil: In einem normalen Messejahr geben sie 14,3 Milliarden (von insgesamt 14,5 Milliarden Euro Umsatz) aus. Die zurück liegenden drei Jahre sind nicht die Ausnahme, in den Jahren zuvor (2005 bis 2008) wurden zwar immerhin 3,6 Prozent (0,44 Milliarden Euro) an Investitionen von Messeveranstaltern getätigt, aber auch hier trugen die meisten Ausgaben die Aussteller und Besucher.
Zeitreise in die 80er
Hier zeigt sich anhand von Zahlen, was man in den letzten Jahren an so manchem Messe-Standort wahrnehmen konnte. Nicht selten begibt man sich landauf, landab auf eine Zeitreise: Gemusterte Teppiche in den Konferenzräumen, dazu schwere Samt- Vorhänge und holzvertäfelte Wände oder Logos, die in der Farbwahl und Gestaltung aus den 70ern oder vielleicht gerade noch aus den 80ern stammen. Zwar investiert beispielsweise Freiburg 25 Prozent der Ausgaben, ein durchweg ansprechendes Auftreten hat aber fast nur die Messe Offenburg, andernorts scheinen allein die Aussteller mit ihren Ständen das Image zu pflegen.
Mehr Party, weniger Krawatte
Aber vielleicht setzt in dieser Umbruchphase auch langsam das Umdenken in der Branche ein: In den letzten Jahren reagierte beispielsweise die Computermesse Cebit umfassend auf die schrumpfenden Besucherzahlen mit dem Ziel, sich von einer reinen IT-Fachmesse hin zu „Europas Business-Festival für Innovation und Digitalisierung“ zu entwickeln. Mit dem alten Image wurde auch gleich der konventionelle Messebegriff begraben, die Strategie komplett umgestellt und in Workshops ausgearbeitet, was verändert gehört: Im Dialog mit Ausstellern, Startups, und Architekten, in einem Künstler-Atelier in Berlin, so berichtet das digitale Wirtschaftsmagazin t3n.
Aus der Messe wurde somit in diesem Jahr erstmals ein Event mit Emotionen, aus dem Wintermonat März der Sommermonat Juni, aus drinnen draußen: Jan Delay trat auf, es gab ein Wasserbecken mit Wellen für Surfer und SAP baute auf dem Gelände ein Riesenrad. Das Ergebnis? Bei der Premiere 2018 kamen auf das Messegelände 120 000 Besucher, 80.000 weniger als im Jahr zuvor, trotz Marketing-Event-Inszenierung und neuer Strategie. Aber vielleicht dauert es auch einfach, bis das Messe-Image abgelegt ist, damit das neue Konzept samt Investitionen greifen.
Weiter wie bisher
Bei den regionalen Messen läuft es derzeit hingegen noch gut. Die Messe Lörrach konnte die Besucher, aber vor allem die Ausstellerzahl der Regio-Messe in den letzten Jahren halten. Geschäftsführer Thomas Platzer gibt sich daher einigermaßen gelassen, auch mit Blick auf das Internet. Es gebe eben immer Chancen und Risiken, als Strategie für die Zukunft heißt es aber: Weiter wie bisher, mit Tradition und einer Mischung aus neuen Themen und unterschiedlichen Programmpunkten.
Strategieänderung nicht drängend
Ganz ähnlich klingt es bei Freiburgs Messe und FWTM-Geschäftsführer Daniel Strowitzki, der nicht jammern, allerdings auch keine Angaben zur Entwicklung von Umsatz und Gewinn machen will. Die Messe Freiburg mit ca. 35 Messen und Events jährlich, konnte die Besucher und Ausstellerzahlen ebenfalls steigern und es gebe scheinbar auch keine einzige Veranstaltung mit negativen Zahlen. Er beobachte jedes Messejahr genau, sagt Strowitzki, der den Trend in Richtung Spezialisierung sieht: Fach- und Special Interest-Messen seien gefragt, wie die Plaza Culinaria, wo beispielsweise auch Youtube-Food-Stars auftretem. Von außen sieht der Zielgruppenspagat bei Freiburgs „Baden Messe“ zwar ziemlich sportlich aus, die Hauptzielgruppe ist jedoch Ü50.
Deshalb ein landwirtschaftlicher Ausstellungsbereich, aber auch kleinere Sonderschauen wie „Gesund Schlafen“, „Sicherheit Zuhause“, „Lebensfreude mit Naturheilkunde“ und Yoga. Entsprechend das Unterhaltungsprogramm mit klassischer Volksmusik mit Schwarzwaldbotschafter Hansy Vogt und seinen Feldbergern. Bei den regionalen Messen ist der klassische Messebegriff also noch angebracht, mit ein bisschen Event und Neuerung ein Umdenken nicht dringend. Der Wandel trifft zuerst die großen, die nationalen und internationalen Messen, die sich langsam bewegen. Schwierige Zeiten? Naja, der Umbruch und die Veränderung stoßen einiges an, erzeugen spannende Dynamiken und damit auch Chancen.