Die Organisation „Start with a Friend“ (SwaF) vermittelt in ganz Deutschland lokale Tandempartner für Geflüchtete, auch in Freiburg. Die Initiative sucht weiterhin Partner, aber auch die Unterstützung von regionalen Unternehmen. Ein Gespräch über die Integration durch Freundschaften, Feste – und die konkrete Hilfe bei Arbeits- und Wohnungssuche.
Interview Rudi Raschke
Wie funktioniert SwaF?
Joana Müller: Wir stiften Freundschaften und Kontakte zwischen Geflüchteten, Einwanderern und Freiburgern. Bei unseren Tandems geht es um Austausch auf Augenhöhe und das Voneinanderlernen. Dafür arbeiten wir in drei Teams: interkulturelle Tandemvermittlung, Botschafter für PR und Kooperationen und Community Builder (Organisation von Events, Ausflügen und Aktivitäten für die gesamte Community). Und dann gibt es noch die Fellows, in Freiburg Charlotte Müller und mich. Als Fellows werden wir in den Bereichen Integration, Diversity & Leadership ausgebildet. Dieses Wissen geben wir z.T. selbst in Workshops an unsere ehrenamtlichen Teammitglieder weiter, oder unsere Bundesorganisation bietet entsprechende Fortbildungen an. Voneinander lernen gilt bei SwaF also nicht nur für unsere Tandems.
Wie viele Tandems haben Sie in Freiburg bereits vermittelt, wie viele sollen dazukommen?
Müller: In Freiburg haben wir bereits über 450 Tandems vermittelt und bundesweit in 23 Standorten sogar schon über 3500. Das muss man sich mal vorstellen – 7000 Menschen eine neue Bekanntschaft, einen neuen Freund vorzustellen – schöner könnte ich mir unsere Aufgabe nicht vorstellen. Für die Zukunft haben wir uns zum Ziel gesetzt, 20 Tandems pro Monat im Raum Freiburg zu vermitteln.
Wie kann man sich das Amt eines Tandempartners vorstellen, wie begegnen sich die Geflüchteten und die Partner? Wie kommt die Vermittlung zustande?
Müller: Alle Teilnehmer unseres Projekts melden sich über unsere Website an. Unsere ehrenamtlichen Vermittler treffen dann alle zu persönlichen Kennenlern-Gesprächen. Anschließend schauen wir nach gemeinsamen Hobbys, Beruflichem und auch auf einen ähnlichen Lebensabschnitt – wir achten sehr darauf, dass die zwei Menschen, die sich begegnen, eine Verbindung zueinander finden können. Wir begleiten die Tandems danach für sechs Monate und sehen, dass sich diese individuelle Vermittlung auszahlt. In den meisten Fällen entsteht aus dem Tandem eine Freundschaft, die auch nach sechs Monaten nicht endet, aber in jedem Fall kommt es zum Austausch und es entsteht eine schöne Begegnung.
Dietmar vom Berg: Anfang 2016 war ich selbst Partner in einem der ersten Tandems in Freiburg. Daraus ist längst eine tiefe Freundschaft entstanden, die ich nicht mehr missen möchte. Die erste Begegnung zwischen mir und Hayel wurde von SwaF initiiert – ausgehend von unserem gemeinsamen Hobby Fußball. Wir begegnen uns längst nicht mehr als Tandempartner und sowieso nie als Geflüchteter und Local, sondern immer als Menschen – und nun als wirklich gute Freunde.
Müller: Genau das ist es, was das Erfolgsrezept von SwaF ausmacht: wir verstehen uns nicht als klassisches Hilfsangebot, sondern wir initiieren Begegnungen zwischen Menschen auf Augenhöhe und ermöglichen dadurch einen natürlichen Zugang zu sozialen Netzwerken, Arbeits- und Wohnungsmarkt – kurz gesagt, zum sozialen Leben. Wir müssen längst keine Werbung mehr machen, um Geflüchtete zu erreichen – unser Konzept hat sich auf Seite der Geflohenen herumgesprochen und der Andrang ist ungebrochen. Auf Localseite spüren wir jedoch einen starken Rückgang und machen daher aktiv Werbung: online, offline und durch Kooperationen. Wir wollen unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten und nicht zusehen, wie es salonfähig wird, Menschen öffentlich zu diskriminieren. Wo Menschen sich begegnen, lösen sich Ängste und Vorurteile auf.
Welche konkrete Hilfe leistet das SwaF-Tandem für die Geflüchteten?
vom Berg: Die Tandembildung mit einem lokalen Partner ist unser vorderstes Ziel. Dies soll geflohenen Menschen das „Ankommen“ in Ihrer neuen Umgebung erleichtern, ihnen einen Ansprechpartner bei allen sich ergebenden Fragen bieten, mit dem Ziel einer daraus entstehenden Freundschaft. Was statistisch auch belegt ist: aus ca. 70 Prozent unserer gebildeten Tandems sind wirkliche Freundschaften entstanden. Das führt in der Folge auch dazu, den geflohenen Menschen in sein eigenes soziales Umfeld mit einzubeziehen. Und daraus ergeben sich sehr oft dann weitere neue freundschaftliche Beziehungen. Diese Erfahrung kennt ja jeder, der sich selbst einmal in einer neuen Umgebung zurecht finden musste, „angekommen“ fühlt man sich erst, wenn man auch in dieser neuen Umgebung Bekannte und Freunde gefunden hat…
Müller: Es ist nicht nur eine einseitige Hilfe, sondern ein Austausch, der im Idealfall für beide Seiten eine Bereicherung darstellt. Local und Refugee lernen etwas über die Welt des anderen, sie erweitern ihren Horizont und integrieren sich im Idealfall gegenseitig in ihre Freundeskreise. So fördert SwaF Inklusion und die Tandempartner werden wiederum zu MultiplikatorInnen, die dieses Prinzip weitertragen und somit das Zusammenleben in der Gesellschaft aktiv gestalten.
Wie ist SwaF mit anderen Organisationen vernetzt, die Geflüchteten helfen?
Müller: Wir haben Kooperationen mit diversen anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren wie beispielweise Über den Tellerrand kochen Freiburg, Uni für Alle, zusammen leben e.V., fairburg e.V. und seit neustem auch Artik e.V. und dem Jungen Theater Freiburg. All diese Vereine und Institutionen gestalten das Zusammenleben in Freiburg aktiv mit und durch eine gute Vernetzung ist einfach mehr möglich. Ganz konkret: Mit Über den Tellerand kochen und Foodsharing Freiburg haben wir dieses Jahr diverse kostenlose Koch-Events organisiert, bei denen an manchen Abenden über 70 Menschen verschiedenster Herkunft zusammen gekocht haben.
Welche gelungenen Beispiele oder Erfolgserlebnisse können Sie noch aus Freiburg nennen?
vom Berg: Jede vermittelte Tandembildung ist im Prinzip eine Erfolgsgeschichte. Es sind hieraus schon so viele sehr positive Erlebnisse entstanden, zum Beispiel erfolgreiches Mitwirken bei der Wohnungssuche, bei Job- und Ausbildungsplätzen und natürlich auch bei der Förderung der deutschen Sprachkenntnisse, was bekanntlich ja das A & O erfolgreicher Integration ist. Zwei wirklich sehr schöne Erfolgsgeschichten, welche auf der Basis einer erfolgreiche Tandembildung entstanden sind, sind zum Beispiel N.(*) aus Afghanistan, der ab September bei der Sparkasse Freiburg seine Ausbildung als Bankkaufmann beginnt und sich selbst ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe einbringen möchte sowie M.(*) aus Syrien, der durch seine Arbeit als aktiver YouTuber ehrenamtlich Schülern in Ihren Schulklassen über seine Flucht berichtet und ihnen damit das Thema „Flucht“ persönlich und in bewegender Form näher bringt. Ein drittes ebenso schönes Erfolgsbeispiel, wo es gelungen ist, vorbereitend durch die Arbeit von SwaF und der Mithilfe des Tandempartners, einen geflohenen Menschen in Arbeit zu bringen ist A.(*), ebenfalls vor drei Jahren aus dem Kriegsgebiet in Syrien geflohen, der seit einem Jahr eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker bei einem Formbau-Unternehmen in Bahlingen ausübt. Und das sehr zur Zufriedenheit seines Ausbilders.
Wie sehr hilft ein Tandem bei der Integration in den Arbeitsmarkt?
vom Berg: Bestimmt nicht in allererster Linie, weil es nicht die Aufgabe unserer lokalen Tandempartner sein soll, als Arbeitsvermittler tätig zu werden. Aber wir helfen durch das Mitwirken bei der Stellensuche, durch Hilfestellung bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen oder durch das gemeinsame Vorbereiten auf ein Gespräch, bestimmt aber durch die soziale Integration, die solch eine Tandempartnerschaft bewirken kann: Deutsch miteinander zu kommunizieren oder durch Kontakte, die jeder einbringen kann („ich kenne jemanden, der sucht…“)
Auf welche Weise kann „Start with a Friend“ unterstützt werden?
Müller: Durch einen Besuch bei unserem nächsten Localabend, durch das Weitererzählen bei Freunden, indem Unternehmen ihre Mitarbeiter zum Engagement als Local aufrufen, zum Beispiel über das Intranet. Die Tandemvermittlung ist unsere Herzensund Kernaufgabe und dafür brauchen wir aktuell vor allem ganz viele motivierte Locals. Für die aktuellen Termine können sie sich über unsere Website anmelden (https://www.start-with-a-friend. de/standorte/freiburg/). Außerdem kann man uns auch durch finanzielle und kompetenzgebundene Spenden unterstützen. Ganz konkret ist das durch Spendenaktionen bei Weihnachts- oder Firmenfeiern, einmalige Spenden oder eben die Unterstützung im Bereich Software/IT oder Öffentlichkeitsarbeit möglich.
Was könnten gerade Unternehmen aus der Region für Sie tun?
vom Berg: Wir möchten regionale Unternehmen ansprechen und motivieren, sich einzubringen. Das Thema Finanzierung ist ja bekanntlich bei jeder ehrenamtlichen Organisation ein zentrales Problem. Wir benötigen die Unterstützung regionaler Unternehmen mit sozialer Kompetenz. Und ich bin mehr als optimistisch, dass es in Freiburg und Umgebung sehr viele solche Firmen gibt, die das auch für Ihre unternehmerische Verantwortung halten, sich diesen Aufgaben, welche sich aus der Flüchtlingsbewegung entwickelt haben, zu widmen!
Welche Unternehmen unterstützen SwaF bereits?
vom Berg: Wir haben bereits 2016 damit begonnen, auf Unternehmen zuzugehen. So konnten wir uns beispielsweise bei der badenova mit einem Infostand vor den Mitarbeitern zu präsentieren, um weitere „Locals“ für unsere Tandembildung zu gewinnen. Oder die südstar GmbH, die uns bei der letztjährigen Ausbildungs- und Jobbörse für geflohene Menschen, wo wir als Partner mit dem Veranstalter und Netzwerkpartner „fairburg e.V.“ mitgewirkt hatten, sämtliche Getränke für Besucher und Aussteller gesponsert hat. Auch unser diesjähriges Sommerfest hat südstar unterstützt. Jetzt möchten wir aber auch Unternehmen ansprechen und gewinnen, welche uns längerfristig in der nachhaltigen Arbeit unterstützen wollen. Dazu sind die oben genannten Förder- und Finanzierungsmodelle gedacht.
Was wünscht sich das regionale „Start with a Friend“ für die nähere Zukunft?
Müller: Wir wollen Freiburg als bunte und offene Stadt aktiv mitgestalten. Integration ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, die in der Zusammenarbeit von Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft angegangen werden. Wir wünschen uns also längerfristige, regionale Partner, die sich mit unserer Herangehensweise identifizieren können, Innovation fördern und Freiburg und das Zusammenleben in der Stadt mitgestalten wollen. Außerdem wünschen wir uns, dass wir auch in Zukunft noch viele engagierte Locals gewinnen können – und zu guter Letzt: weitere gemeinsame Erlebnisse, zusammen lachen, bunte Feste, leckere Kochabende und schöne Begegnungen mit unseren Tandems und der SwaF Community.
(*) Die Namen sind zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte gekürzt
SwaF HAT DREI FINANZIERUNGSMODELLE ERARBEITET, welche die
Arbeit der meist Ehrenamtlichen unterstützen und auch für die zukünftig
kommenden Aufgaben sichern kann:
• Die nationale Unterstützung: Förderung des bundesweiten Projekts oder
eines Standorts.
• die Engagement-Unterstützung: Zur Förderung der Aktivitäten bei der
Vermittlung lokaler Tandems und gemeinsamen Events oder PR.
• Unterstützung lokaler Fellowships: Zur Ausbildung von lokalen Standortbetreuern
und deren Ausbildung in den Bereichen Integration, Diversity
und Leadership.
Wenn sich Unternehmen detaillierter zu den drei oben genannten Unternehmensmodellen
informieren möchten, können sie sich gerne direkt per E-Mail
an die Koordinationsleiterin Lena Junker ()
wenden und sich das zugehörige Infoblatt zusenden lassen.