Die Unternehmerin Uta Simmler kam aus der Fremde zurück und übernahm in dritter Generation Verantwortung. Mit Erfolg.
Von Rudi Raschke
Weil es in der vorliegenden Ausgabe viel darum geht, wie Veränderung gelingt: Was das in einem Medienunternehmen, einem Industriebetrieb oder einer sich wandelnden Dienstleistungsbranche bedeutet – das ahnt jeder. Wie aber geht man diese Aufgabe an, wenn es sich um einen 86 Jahre alten Betrieb handelt, der fruchtige Brotaufstriche herstellt und sich in Lauchringen bei Waldshut nahe der Schweizer Grenze befindet? Uta Simmler spricht in unaufgeregter Weise davon, was sie als Unternehmerin in ihren nunmehr 15 Jahren als Geschäftsführerin des Familienbetriebs an Veränderungen erlebt hat.
Es ließe sich daraus eine unterhaltsam-lehrreiche Broschüre gestalten, wie Traditionsunternehmen überleben und sich weiterentwickeln können. Und sich mit einer feinen Schwarzkirsch-Konfitüre ganz gut moderne Lebenswelten in Zeiten von Regionalität und Nachhaltigkeit, pardon, abfrühstücken lassen. Sie führt den Betrieb in dritter Generation, obwohl sie eigentlich in Stuttgart bei Daimler ihr berufliches Glück gefunden hatte: Studium der Betriebswirtschaftslehre in Mannheim und St. Gallen, Promotion in Cottbus, als sie bereits beim Autohersteller im Vertrieb erste Teams führte. „Ich guck mir das mal an“, sagt sie über die Zeit nach der Jahrtausendwende, als ihr Vater 60 geworden war und sie 2001 in die Heimat zurück ging.
Seit 2003 ist sie als Geschäftsführerin mit ihrem Ehemann Norbert Münch für den Betrieb verantwortlich. Aus „mal-gucken“ wurde eine schrittweise Modernisierung der Marke, die die alten Stärken besser herausarbeitet als der frühere Traditionsauftritt. Uta Simmler sagt, dass ihr damals geholfen habe, dass sie in einem Vater-Tochter-Verhältnis den Generationenwechsel betrieben hätten, das sei vermutlich „entspannter“, als wenn Söhne übernehmen. „Frischen Wind“ habe sie ins Unternehmen getragen, ja, „aber es war kein Orkan“. Aus einem anfänglich sanften Relaunch der Marke und des Logos wurde dann 2014 ein richtig neuer Auftritt, der einstige Slogan „köstlich wie Muttis Marmelade“ wurde mit „köstlich. fruchtig.“ in ein zeitgemäßes Gesellschaftsbild übertragen, teilweise auch um das Attribut „nachhaltig“ ergänzt.
Denn genau das ist es, was Uta Simmler über die Jahre vorangetrieben hat: Mit einer klar regionalen Ausrichtung bei Standort, Personal, rund 65 Prozent der Zutaten, zu denen auch der Zucker von hier gehört. Mit Photovoltaik, mit Regenwasserversickerung, mit Pellet-beheiztem Einkochen. Und mit deutlicher Ressourcen-Einsparung, wo es um die energieschonende Balance zwischen Früchte-Tiefkühlung einerseits und Hitze andererseits geht. Der Lohn: zahlreiche Preise für das Unternehmen, neben Geschmacks-Auszeichnungen auch der Georg-Salvamoser- Preis, vor allem aber zufriedene Kunden, die eher Fans sind als Käufer. Das Unternehmen verzeichnet aktuell rund 50 Mitarbeiter, manche davon seit 40 Jahren dabei, einen stabilen einstelligen Millionenumsatz, der im Steigen begriffen ist, vor allem im hauseigenen Online-Shop. Dort bestellen sich häufig die Gäste aus den Schwarzwald-Hotels nach ihrer Rückkehr noch ein wenig Urlaubsfeeling nach Hause – als Aufstrich von Simmler.
Das Umsatz-Verhältnis von Lebensmitteleinzelhandel (55 Prozent) und Gastronomie, Hotellerie und Fachhandel (45 Prozent) scheint hierfür ein gesundes zu sein. Simmlers Produkte werden vor allem in unserer Region und im Rest Baden-Württembergs aufgestrichen, aber es gibt auch Verkaufsinseln in Nordrhein- Westfalen, um Hannover und auf Sylt. Die Problematik, dass ein mittleres Regio-Unternehmen in diesem Lebensmittel-Segment zerrieben werden könnte zwischen kleinen lokal-Anbietern auf Märkten und Hofläden und großen Anbietern auf der anderen Seite? Eigentlich keine, sagt Uta Simmler, „wenn man immer an seine Marke glaubt“. Das hat sie getan und immer wieder neue Produkte an der Seite von Klassikern getestet: Die Schwarzkirsche, so etwas wie der Bestseller im Sortiment, wird inzwischen in sechs Varianten eingekocht – mit Holunderblüten, aber auch mit Fleur de Sel.
Mit derlei Flexibilität bei den Zutaten hat Uta Simmler es geschafft, dass die nachhaltige Kundschafts-Gruppe der „Lohas“ (Lifestyle of Health and Sustainability, also gesunde Nachhaltigkeits-Freunde) ihre größte Käuferschicht wurde. Übrigens in einem Land, in dem immer noch 30 Prozent im Marmeladenglas Hausgemachtes ist. Auch im Haus Simmler: Nicht nur, weil die Herstellung noch viele handgemacht-Prozesse erfordert. Sondern auch, weil jedes Rezept für neue Aufstriche seinen Anfang in Uta Simmlers Küche nimmt. Erst danach erprobt ein Team aus Köchen und Konditoren, ob es sich auch in großem Maßstab realisieren lässt. Die Unternehmerin sagt, dass ihr die Regionalität in die Karten spiele, für sie und viele Kunden stehe regionale Nachhaltigkeit über Bio – wer das folienverschweißte Fluggemüse in Öko-Supermärkten sieht, wird ihr zustimmen.
Wo die Regionalität allerdings buchstäblich an Grenzen stößt, ist in der Nachbarschaft zur Schweiz und Frankreich. Während die Deutschen ihre Marmeladen und Konfitüren gern so international wie möglich aus England über Skandinavien bis Süditalien ins Warenregal holen, seien bei den Nachbarn Produkte aus einem anderen Land, aber derselben Region, schwer durchzusetzen. Zum Thema Region: „Allein auf weiter Flur“ sei sie bisweilen schon als Unternehmerin am Fuß des Südschwarzwalds, sagt Uta Simmler über Ihr Umfeld beim VdU. Trotzdem habe sie, die auch das Amt einer „Genussbotschafterin“ für das Land ausübt, nach vier Jahren regelmäßiger Einladungen irgendwann die Neugier gepackt.
Ein Besuch mit den badischen VdU-Damen bei der Modedesignerin Dorothee Schumacher in Mannheim sei vor vier Jahren dann der Auftakt für ihren Beitritt zum Unternehmerinnenkreis gewesen. Sie schätzt die Vielfalt der Gruppe, auch wenn sie nicht regelmäßig dabei sein kann. Schön sei gerade, „dass es nicht nur Lebensmittel sind“, worum es sich bei den Verbandstreffen dreht. Bei einer Reise nach Oslo mit der Gruppe im vergangenen Jahr hat sich das Bild verfestigt – dass Frauen in Führungspositionen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen zu tun haben. Ein Treffen dort mit einem Vorstandsmitglied von Siemens brachte eben auch Themen wie Elternzeit auf Konzernleitungsebene zum Austausch. Es seien einfach immer „Tangenten, aber auch Schnittstellen“ zu ihrem Betrieb zu erkennen, wenn sie sich mit anderen Unternehmerinnen trifft sagt Uta Simmler. Die auch beim VdU dabei geblieben ist, nachdem sie sich das Ganze mal angeguckt hat.