Der gebürtige Offenburger Stefan Strumbel, 39, war der erste, der sich als Streetart-Künstler um 2001 mit Neo-Schwarzwald-Motiven und einem neuen Heimat-Begriff auseinander gesetzt hat. Zu seinen bekanntesten Werken dieser Phase gehören Kuckucksuhren in Neonfarben, aber auch bewaffnete Schwarzwaldmädel und die Frage „What the fuck is Heimat?“. Zugleich war er vor drei Jahren auch der erste, der sich von der neuen Schwarzwaldkunst verabschiedet hat. Strumbel gestaltete eine Kirche in Kehl-Goldscheuer und ein Bühnenbild an der Stuttgarter Oper, zuletzt waren neue Arbeiten von ihm in Hagen und Donaueschingen zu sehen.
INTERVIEW: RUDI RASCHKE
Herr Strumbel, stehen uns immer noch mehr Bollenhut-Werke ins Haus?
Das Thema „Heimat“ in allen seinen Bollenhut-Varianten wird auch 2019 aktuell bleiben. Der Realismus dieser Folklore schenkt dem Betrachter immerhin doch die Möglichkeit einer oberflächlichen Identifikation.
Ist die Kunst damit flächendeckend auf dem Weg zum Kunstgewerbe?
Nein, denn Kunst bleibt immer Kunst. Die meisten Darstellungen von Bollenhutmädchen oder des Heimatbegriffs sind Werbung – und deshalb im Idealfall Kunstgewerbe. Aber die meisten Fotos, Zeichnungen oder Grafiken zu diesem Themenkomplex sind nicht einmal das.
Wieviel Folklore verträgt die Region?
Wie in jedem anderen Lebensbereich entscheidet auch das die Verwertungslogik. Ist der Markt gesättigt, erledigt sich dieses Thema von selbst. Ob das nachhaltig, gut oder schlecht ist, das interessiert in einer sich selbst optimierenden Gesellschaft nur wenige Personen.
Wird der Schwarzwald damit als Marke gestärkt oder zur beliebigen Projektionsfläche?
Der Schwarzwald war von jeher Projektionsfläche für Gefühle von Heimat und Geborgenheit. Aber jetzt taucht er parallel in den verschiedensten Bereichen gleichzeitig auf. Ob in der Werbung oder in der Politik, er wird zweckgebunden und zielgerichtet, wirtschaftlich und parteipolitisch instrumentalisiert.
Was war die Message des Künstlers Stefan Strumbel, mit der er sich von der Heimat-Kunst verabschiedet hat?
Wenn man sich anschaut, was gerade in Europa passiert, wie sich unsere Willkommenskultur in die hässliche Fratze eines neuen Nationalismus wandelt, dann mussten meine Arbeiten ernster und tiefer werden. Es gab vor drei Jahren in meinen Arbeiten eine Verschiebung vom Partikularen, also der Heimat Schwarzwald, zum Universellen. Was bedeutet Heimat für Menschen, die auf der Flucht sind? Was bedeutet Heimat für Menschen, die vor Krieg und Gewalt bei uns Schutz suchen? Bestimmt nicht eine grell-anschreiende Kuckucksuhr, sondern ein Bett, in das man sich legen kann. Es ist die Aufgabe eines Künstlers, Konfrontationen zu initiieren, so dass die Betrachter überraschende Erkenntnisse gewinnen. Und vielleicht eine ihnen neue Haltung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen einnehmen. So bewahrt die Kunst – als Hoffnung – auf, was in der Realität gescheitert ist.