Thomas und Simone Merkle haben ihre zwei Endinger Gasthäuser auf Gerichte zum Mitnehmen umgestellt. Was in diesen Tagen äußerst gut tut.
VON RUDI RASCHKE
Der Mittagstisch für Monat April sah vor zwei Monaten noch so etwas vor: Warum nicht einen frühlingshaften Abstecher zum Lunch machen? Vielleicht kurz hinter die Grenze ins Elsass, auch um mal die Gewohnheiten der Nachbarn beim „dejeuner“ zu untersuchen. Auch im Hinblick auf ein Glas Wein, das hierzulande mittags aus der Mode gekommen scheint. Das alles ganz anders kam, muss nicht mehr eigens erwähnt werden.
Trotzdem die Fahrt mit dem Auto Richtung Grenze, gefunden wird noch am Kaiserstuhl ein ganz anderes Essenserlebnis: Ein nach erstem Spargel duftender Teller – das ist in diesen Wochen eine Acrlyschachtel hinterm Beifahrersitz, die möglichst verschüttfrei nach Hause kutschiert werden muss. Abgepackt hat das Essen Thomas Merkle, der mit „Merkles Restaurant“ und der „Pfarrwirtschaft“ in Endingen wie so viele Wirte alles gibt, um sich der Corona-Krise entgegenzustemmen. Wo er und seine jung-kreativen Mitstreiter sonst schon genug zu tun haben, um mit gehobener Küche im Breisgau zu glänzen, warten jetzt wirklich existenzielle Herausforderungen auf alle.
Merkle und seine Frau Simone, die für das Restaurant mit einem Stern im „Guide Michelin“ vertreten sind und in der Wirtschaft im gleichen Haus eher volkstümlichere Gerichte servieren, führen nun zwei Lokale ohne Sitz- und Trinkmöglichkeit. Sie müssen ein dreigängiges Mittagsmenü planen und kalkulieren, das nur zur Abholung gerichtet wird. Es kommt nun nicht mehr auf kleine Soßenpunkte oder ansehnlichen Knusper an, sondern dass es transportabel ist, als Takeaway. Das Emaille-Schild vom Michelin-Stern steht fast trotzig vor dem Abhol-Plexiglas.
Was sonst Gourmetjournalisten und ihre Nachahmer mit „auf den Punkt gegart“ umschwurbeln, kann unter diesen Umständen nicht mehr mit der Pinzette angefasst werden. Merkles Küche im Takeaway-Modus vereint Gourmet und Hackbraten, Familien kommen auf Rumpsteak, Salat und Burger zur Abholung vorbei, es gibt am Freitag aber auch einen schönen Rochenflügel zur Mitnahme.
Die schöne Überraschung, wenn man den Drei-Gänger (25 Euro, Hauptgang solo für 15 Euro) im Homeoffice auf Teller angerichtet und den Mittelteil noch einmal erwärmt hat: Es schaut sicher nicht aus wie es für den Guide Michelin-Tester erdacht war – aber es zeigt, dass es sich lohnt, gerade in dieser Zeit, hin und wieder zu echten Köchen zu gehen. Das ist vor allem beim Salat zum Auftakt (klassisch, aber auch als Salat mit etwas Spargel und Granatapfel) eine nicht zu überschmeckende Freude. Das Gleiche gilt für die Graupen, die zum Rochen als Beilage geliefert werden: Im Stil eines Risotto gekocht, frisch, mit Wein- und Käsenote plus Zitruskick – so etwas wird den wenigsten von uns Hobby-Witzigmanns zuhause gelingen. Auch nicht der Chicoree als fast fruchtiges Gemüse. Schöner Abschluss: Die Beerenschale mit Vanilleschaum.
Geschäftsessen fallen aus, im Homeoffice ist eher schlichte Verpflegung gefragt, auch ein Lunch mit Freunden ist grade nicht möglich: Da kommt ein mehrgängiges Menü im Takeaway durchaus als Bereicherung des Arbeitstages daher. Die Fahrt nach Endingen lohnt sich, es gibt aber auch in den Innenstädten zwischen Offenburg und Grenzach gerade viele gehobene Gastronomen, die sich um eine menschenwürdige Verpflegung trotz Isolation verdient machen. Thomas Merkle ist einer von jenen, die ihre Lust am Bewirten unvermindert ausüben – wenn auch noch eine Weile auf fremden Tischen. Nächsten Mal nehmen wir noch etwas Wein mit.
Merkles Restaurant Hauptstraße 2, 79346 Endingen am Kaiserstuhl Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag von 11 bis 14 und 17 bis 18 Uhr, Infos zum Take-Away-Service.