In Freiburgs Höhenlagen regt sich Unmut: Immer größere Bauten werden am Lorettoberg genehmigt – die Erklärungen der Stadt dafür klingen eigenwillig.
VO N R U D I R A S C H K E
Stadtnah und doch in der Natur, mit schöner Aussicht, dazu auch viel Abstand und Grün – so kannte man die Spitzenlage am Hügel im Süden der Stadt. Der Bestand aus pittoresken Villen, großzügigen Gärten und Studentenverbindungspracht wird aktuell gehörig verwirbelt. Grund sind Bauprojekte, die nach Ansicht von Kritikern aus der Nachbarschaft charakterlose Festungen sind, die nicht hierhergehören.
Aber auch an der Genehmigungspraxis der Stadt sind Zweifel angebracht. Jüngstes Ärgernis: Im Kapellenweg Nummer 8, oben auf der Anhöhe hinter dem „Schloss-Café“, werden an der Stelle eines Einfamilienhauses sechs Wohneinheiten und ein Einfamilienhaus entstehen. Die Grube dort gleicht aktuell eher einem Steinbruch als einer Wohnungsbaustelle. Privater Bauherr ist Frank Böttinger, der mit seinem Unternehmen „Planwerk“ unter anderem das Start-up-Zentrum „Lokhalle“ entwickelte.
Im gleichen Stadtteil unterhalb des Lorettobergs durfte er bereits einen ebenfalls üppig dimensionierten Fünfstöcker an den Beckenrand des pittoresken Lorettobads wuchten. Hier sei er allerdings als Privatmann aktiv, sagt Böttinger. Seit 2011 ist er bereits hier oben angesiedelt, entsprechend lang plane er den Neubau. Die Genehmigung für das Ensemble am Berg mit gemeinsamem Tiefgaragentunnel soll in gerade einmal einem halben Jahr erteilt worden sein, sagt Wolf-Dieter Winkler, Stadtrat von „Freiburg Lebenswert“. Nachbarn, die dort oben eine schlichte Doppelgarage beantragt hätten, mussten bis zu drei Jahre auf die Genehmigung warten.
Bebauungsplan Lorettoberg
Winkler trug dies auch kürzlich im Bauausschuss des Gemeinderats vor. Was die wundersame Schnellgenehmigung für das bedingt in die Umgebung passende Baugesuch angeht, bekam er keine Antwort. Böttinger belegt, dass er 2017 über 13 Monate auf den Bescheid zu einer Bauvoranfrage gewartet habe. Die tatsächliche Genehmigung dauerte wirklich nur ein halbes Jahr. Im Bauausschuss wurde jedenfalls verhandelt, dass dort am Lorettoberg überhaupt ein gemeinsamer Bebauungsplan als Vorgabe geschmiedet werden müsse.
Entsprechende Anläufe hatte die Stadt eher halbherzig seit 2013 unternommen, 2018 noch einmal, jetzt unternahm sie im September einen neuen Versuch zur Regelung, bezeichnenderweise mit dem sieben Jahre alten Vorlagentext. Wild entschlossen geht anders. Zumal die Diskussion um bunkerartige Neubauten am selben Berg bereits 2018 öffentlich geführt wurde, ergebnislos.
Es sind eigenwillige Statements, die aus der Stadtverwaltung zu vernehmen sind. Zwar ist eine gewisse Emotionalität zu spüren, was „blutende Planerherzen“ angeht, wie es Stadtplanungschef Roland Jerusalem in der Sitzung nannte. Zugleich scheint aber auch eine gewisse Verzweiflung in der Bauverwaltung bei diesem Thema vorzuherrschen: Jerusalem verwies darauf, dass es auch mangels Personals „nicht mehr einzufangen“ gewesen sei, die Maßstäblichkeit komme tatsächlich abhanden.
Sorge um die Wohlhabenden
Der zuständige Baudezernent Prof. Martin Haag spricht allerdings auch davon, dass in dieser Hanglage kein geförderter Wohnungsbau erzwungen hätte werden können. (In den Niederungen der Stadt gilt hierfür eigentlich eine 50 Prozent- Regel.) Und dass es offenbar ein etwas schwierigeres Unterfangen ist, die geltenden Regeln zur Anwendung zu bringen: „Jeder Bauherr kommt doch hier gleich mit dem Anwalt“, sagte Haag in der Sitzung.
Für viele bleibt die Frage, warum hier nicht auf die Bremse getreten wurde (Renate Buchen/SPD), aber auch, warum auch ohne Bebauungsplan kein Wildwest herrschen müsse (Michael Moos/ Linke Liste). Es bleibt aber auch diskutabel, ob die Neubauwelle inmitten der Villengegend unter dem Aspekt von Nachverdichtung zumutbar ist oder nicht. Manchem geht die Emotionalität der Stadtverwaltung am Kleinod-Hügel bereits ein wenig zu weit, Stichwort Sorge um die Wohlhabenden.
Für den Bürgerverein Unter- und Mittelwiehre sagt Willi Sievers dagegen, dass es den unmittelbar Betroffenen in der Nachbarschaft nicht so sehr darum geht, Neubauten und Nachverdichtung zu verhindern. Sondern um den Charakter der Bauten, die inzwischen Burgen glichen, noch dazu recht gesichtslosen. Er nennt zahlreiche Beispiele mit Hausnummern an Kapellenweg und Kreuzkopfstraße und fordert, dass es einfach „anständig“ zugehen müsse, im Sinne von „reinpassen“.
Wer dagegen alles bis an den Grundstücksrand optimiere, mache die Stadt zu etwas, „was sie nicht sein will.“ Frank Böttinger kann für sich ebenfalls auf den einen oder anderen Widerspruch beim Bauen auf dem Lorettoberg verweisen. Natürlich auch darauf, dass mancher sich jetzt beschwert, der ein Haus bewohnt, dem in den 1950er und 1960er Jahren ein Stück Natur weichen musste. Und dass mancher hier oben über eine Ergänzungssatzung zu seinem Haus kam, die ebenfalls fern eines Bebauungsplans als Ausnahme erlassen wurde.
Böttinger argumentiert im festen Glauben, neben seiner eigenen weitere Familien hier oben ansiedeln zu können. Hört man die Geschichten aus der Umgebung, fühlt sich das eher nach einer Art “Denver Clan”-Nachbarschaft an. Was die Größenordnung angeht, wird es am Ende eine Geschmacksfrage bleiben. “Ich habe gebaut, was ich bauen durfte”, sagt Frank Böttinger. Die Stadt wird schauen müssen, dass es hier oben nicht ganz zügellos wird.