Abstrakte Farbfelder auf großen Leinwänden: Die freischaffende Künstlerin Gabriele Vallentin ist seit vielen Jahren Fördermitglied des VdU. Ein Besuch in ihrem Freiburger Atelier.
VON DANIEL RUDA
Wenn Gabriele Vallentin ein Bild malt, darf man sich das als zeitintensive Angelegenheit vorstellen. Von einem bis zum nächsten Pinselstrich kann da schon mal eine Woche vergehen, erzählt die Künstlerin. Die Ölfarbe muss trocknen, allein das dauert. Die meisten Pinselstriche in Vallentins Werken sind auch keine von zurückhaltender Art, es sind mehr Farbflächen als Pinselstriche, die die Leinwände füllen. Und für neue Ebenen braucht es neue Perspektiven, die sich für Vallentin wiederum besser auftun, wenn sie erst nach einer gewissen Zeit an ihrem Bild weiterarbeitet.
Das tut die 71-Jährige in ihrem Atelier im Erdgeschoss einer alten Villa im Freiburger Stadtteil Wiehre. Mehr als 100 Quadratmeter ist es groß. „Es ist wunderbar, hier arbeiten zu können“, sagt Gabriele Vallentin. Die Decken sind hoch, der Holzboden in Fischgrätoptik knarzt im Hauptraum; wenn sie malt, ist er überdeckt von einer großen Plane, auf denen sich die Farbreste sammeln, die selbst als künstlerische Arbeit gedeutet werden könnten. In der Mitte steht die Staffelei, dazu Ölfarben und Pinsel. An den Wänden lehnen dutzende Bilder, aufgereiht jeweils nach Größen. Von der 20×20 Zentimeter kleinen bis hin zur zwei auf zweifünfzig Meter großen Leinwand, Großformate sind ihr am liebsten.
Farbfelder, Farbräume, Farberfahrungen, man kann einige Bezeichnungen finden für die Malerei von Gabriele Vallentin, die gleichermaßen abstrakt wie geordnet daherkommt. Geometrische, rechteckige Felder in erdigen Farben reihen sich aneinander, sind übereinander gestapelt, gehen sanft ineinander über und lassen Assoziationsspielraum.
Seit Anfang der Achtziger Jahre ist sie als freischaffende Künstlerin aktiv. Damals kam die gebürtige Bielefelderin mit ihrem (2015 verstorbenen) Mann Michael Schulte-Vallentin in den Süden, als er hier eine Arztpraxis eröffnete. Sie selbst hatte bis dahin als Lehrerin in einem Gymnasium gearbeitet und Kunst und Englisch unterrichtet. In der neuen Heimat brachte sie in den ersten Jahren Sohn und Tochter zur Welt und zog die Kinder groß. In den Lehrerberuf an einer Schule kehrte sie nicht mehr zurück, sondern widmete sich neben ihrer Mutterrolle als Freie Malerin ganz ihrer Leidenschaft, der Kunst.
„Meine Kunst entsteht nicht aus einem völlig intuitiven sinnlichen Impuls. Es ist immer ein Anteil sinnlicher Erfahrungen, die rational formalisiert werden“
Gabriele Vallentin
Das Vermitteln von künstlerischer Arbeit war ihr weiterhin wichtig. 14 Jahre lang gab sie an der Volkshochschule Kurse, Anfang der Nuller-Jahre wurde sie noch an der Kölner Universität zum Thema Ästhetische Bildung promoviert. Für drei Jahre nahm sie noch einen Lehrauftrag am Institut der Künste der Pädagogischen Hochschule Freiburg an. Zudem war sie mehrere Jahre Vorsitzende der GEDOK in Freiburg, einer Gemeinschaft von Künstlerinnen und Kunstförderern.
Es ist ihr ein Anliegen, die Sichtbarkeit der Arbeit von Frauen zu unterstützen, nicht nur im Kunstbereich. Seit mehr als zehn Jahren gehört sie auch dem Verband Deutscher Unternehmerinnen (VdU) als Fördermitglied an. Die befreundete ehemalige Landesvorsitzende Margot Selz nahm sie damals auf erste Veranstaltungen mit. Auch wenn es zwei ganz unterschiedliche Welten seien, die Wirtschaft und die Kunst, „sie befruchten sich gegenseitig“, findet Gabriele Vallentin.
„Für die Kunst ist es wichtig, dass die Wirtschaft nicht in die Knie geht, das sieht man ja gerade jetzt während der Coronakrise.“ Auf der anderen Seite sei die Kunstwelt für die Wirtschaft als Impulsgeber auch ungemein wichtig. Viele inspirierende Gespräche und Erlebnisse habe sie durch den Verband schon erlebt, Kunstreisen nach Venedig sind das beste Beispiel. „Im VdU sind viele starke Frauen dabei, die mich sehr beeindrucken“, sagt die fünffache Großmutter.
Seit vielen Jahren ist sie Fördermitglied im VdU
„Ich habe das große Glück, nicht mit der Kunst meinen gesamten Lebensunterhalt verdienen zu müssen“, kommentiert sie den Umstand, dass sie in ihrer Kunst nicht unter finanziellem Druck steht. Zwar verkauften sich ihre Bilder, die größeren Formate zum Teil auch für mehrere tausend Euro, bei eigenen Ausstellungen wie zuletzt in der regional renommierten Galerie Meier in Freiburg, aber es sei ein unstetes Einkommen.
Ihre Bilder sind Abstraktionen von Erlebtem und Gesehenem auf Reisen, das sie wahlweise mit einem Fotoapparat oder direkt per Aquarell festhält. Dann sitzt sie da ein paar Stunden lang auf einem Stuhl, lässt sich auf die Landschaft und die Stille oder auch mal den Trubel ein, und malt aus diesen Eindrücken. Zurück im eigenen Atelier wird das Ergebnis dann zur Inspiration oder Vorlage für das nächste große Bild.
Der technische Umstand, der zur anfangs erwähnten Entschleunigung im Schaffensprozess führt, passt auch zu Gabriele Vallentin als künstlerische wie private Person, sagt sie. Sich selbst bezeichnet sie als diszipliniert. „Meine Kunst entsteht nicht aus einem völlig intuitiven sinnlichen Impuls. Es ist immer ein Anteil sinnlicher Erfahrungen, die rational formalisiert werden“, sagt sie über ihre Herangehensweise. Mit der (notwendigen) Zeit gelingt das sehr gut.
Dieser Artikel erschien in der Printausgabe von netzwerk südbaden zum November 2020. Hier geht’s zum Abo!