Seit vier Jahren hilft das Freiburger-Start-up Meditricks mit seinen digitalen Eselsbrücken angehenden Medizinern beim Lernen. Was sind die eigenen Learnings der Gründer dabei?
Michael Seifert und Paul von Poellnitz ging es wie allen Medizinstudenten, als sie sich auf ihr Examen vorbereiteten: Richtig Büffeln war angesagt, der Stoff musste irgendwie in den Kopf. Unabhängig voneinander stießen sie darauf, dass sich mit visuellen Eselsbrücken, in denen sich der Stoff in absurden Geschichten zusammensetzt, viel effektiver lernen lässt.
Eine gemeinsame Freundin bekam das mit und stellte die beiden einander vor. Das Kennenlernen mündete schließlich in der Gründung von Meditricks.
Das Start-up produziert digitale Schaubilder und Videos, in denen medizinischer Lernstoff anhand von Illustrationen und Fantasiegeschichten detailliert und alles andere als trocken aufbereitet wird: Der Wirkstoff von Aspirin, der mit ASS abgekürzt wird, wird zum entscheidenden Ass am Pokertisch, aus dem Bakterium Campilobacter wiederum wird ein campender Bäcker. Bilder und Geschichten, die im Gedächtnis bleiben.
28 Mitarbeiter hat Meditricks heute, das Abosystem haben über 70.0000 Studierende genutzt. Die beiden Gründer haben ihre eigenen Festanstellungen im Medizinbereich gekündigt, um ihr Start-up aufzubauen. Das wächst. Inzwischen kaufen Unis Campuslizenzen und die Erweiterung des Konzepts auf medizinnahe Fächer ist angedacht.
Der 32-jährige Michael Seifert über seine fünf wichtigsten Learnings der Gründer:
Früh Hilfe suchen
„Sobald man sich ernsthaft mit dem Gedanken befasst, ein Start-up zu gründen, wird einem bewusst, wieviel Aufgaben und Herausforderungen das mit sich bringt. Das kann auch abschreckend sein. Für uns war es wichtig, uns früh beraten zu lassen und die Hilfe aktiv zu suchen. Das haben wir auf verschiedenen Wegen gemacht. Beim Gründerbüro für das Beantragen von Fördermitteln, beim Vernetzen mit anderen Start-ups oder beim Austausch mit businesserfahrenen Coaches.“
Organisch wachsen
„Wir haben uns früh entschieden, dass wir keine Investoren ins Boot holen, sondern organisch wachsen wollen. In anderen Bereichen, wenn es etwa um technische Dinge geht, dürfte dieser Weg wahrscheinlich schwieriger sein, aber für uns war er der richtige. Für uns hat das Exist-Gründerstipendium quasi die Investorenrolle im ersten Jahr übernommen. Wir sind seither organisch gewachsen, so können wir Schritte bewusst und ohne Druck von Dritten gehen.“
Buchhaltung besser abgeben
„Was man auch nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte, ist die Buchhaltung. Da wir Mediziner sind, haben wir uns direkt entschieden, sie in professionellere Hände zu geben. Das war für uns zwar sehr teuer, aber auch extrem wichtig. Es hält uns den Rücken frei, um uns auf das Produkt zu konzentrieren und wir brauchen keine Sorgen zu haben, dass die Steuerfahndung das Büro stürmt.“
Im Team arbeiten
„Schon als Team zu gründen, war für uns sehr wertvoll. Mit den vielen Aufgaben und der Verantwortung nicht alleine zu sein, das hat geholfen. Als unser Team immer größer wurde, mussten wir in unsere neuen Rollen – plötzlich Chef – hineinwachsen. Im medizinischen Bereich herrscht ja eigentlich ein sehr hierarchisches System, das wollen wir bei uns nicht haben, weshalb die Hierarchien sehr flach sind. Trotzdem müssen wir auch mal ehrliches Feedback geben, wenn etwas nicht so gut läuft. Wie man das gut hinbekommt, das muss man lernen. Vor allem ist es uns wichtig, dass unsere Leute auch wirklich von unserem Produkt überzeugt sind und dahinterstehen – sogar unser IT-ler hat Medizin studiert. Dann macht das Arbeiten im Team Spaß.“
Mit Fehlern richtig umgehen
„Wir haben schon viele Fehler begangen, das gehört bei Start-ups wohl dazu. Man darf sich von ihnen einfach nicht paralysieren lassen, sondern muss schauen, dass man die richtigen Lehren daraus zieht. Es gibt Kleinigkeiten wie zum Beispiel eine Rechnung, auf der nicht alle Informationen stehen. Das ist schnell erledigt. Mit anderen Dingen muss man sich intensiver auseinandersetzen. In unseren Geschichten hat die Bildsprache zum Beispiel eine große Macht. Wir entwerfen Geschichten, in denen wir auch Stereotype der Gesellschaft auf den Kopf stellen. Da müssen wir offen für Kritik sein und diese auch annehmen, wenn wir Fehler machen und Stereotype falsch einsetzen. Damit das hoffentlich erst gar nicht passiert, haben wir eine Checkliste zum Thema Stereotypen und Diversität, die wir abarbeiten, bevor wir zum Beispiel ein Video produzieren.“
Protokoll: Daniel Ruda
Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Printmagazin in der Ausgabe Februar 2021. Hier geht’s zum Abo!