Vor rund 20 Jahren war er einer der ersten, der aus der Universität Freiburg heraus ein Start-up gründete. Seither beteiligte er sich an vielen weiteren und ist erfolgreich damit. Ein Gespräch mit dem Medizintechnik-Unternehmer, CEO, Verbandsvorsitzenden und Start-up Förderer Michael Lauk über Ausgründungen, Investitionen und Innovationen.
INTERVIEW: DANIEL RUDA
Herr Lauk, welchen Wert haben akademische Bildung, Forschung und Lehre für die Wirtschaftsregion Südbaden?
Die Forschung aus der Uni und anderen Instituten heraus hat einen großen Anteil an der wirtschaftlichen Kraft und Kompetenz, die Freiburg und die Region ausstrahlen. Aber gerade was die Bereiche Life Science, Robotik und Künstliche Intelligenz angeht, in denen ich mich bewege, ist das Potenzial da noch lange nicht ausgeschöpft.
Wo Technologien erforscht und erfunden werden, liegen da Ausgründungen nicht auf der Hand?
Das könnte man meinen. Der Weg von der Forschung und Technologie hin zu einem Produkt ist für eine Uni-Ausgründung aber oft sehr weit, und erfordert damit auch massive Investitionen. Das macht es nicht gerade einfach. Nehmen wir die Firma Neuroloop (Anm. d. Red.: Lauk ist Mitgründer und CEO), da hat die Forschung im Jahr 2008 begonnen, 2016 haben wir gegründet und nun stehen wir kurz vor der ersten Humanstudie, bei der wir das entwickelte Implantat zum ersten Mal im Menschen einsetzen werden, wo es am Vagusnerv zunächst bei der Therapie von Bluthochdruck helfen soll. In zwei Jahren hoffen wir, sollten die Studien erfolgreich verlaufen, an den Markt zu gehen und es dann auch auf weitere Therapiemöglichkeiten auszuweiten. Man sieht, sowas braucht Zeit und Investoren.
“Ich bin kein klassischer Venture Capital Investor, der große Geldsummen investiert, sondern ein Business Angel, der immer auch operativ in die Firmen mit reingeht.”
Welchen Grund gibt es noch für die vergleichsweise wenigen Uni-Ausgründungen im technologischen Bereich?
Es hat auch mit den Karrieresicherheiten zu tun. Wenn Sie zum Beispiel einem guten Abschluss in der Informatik oder am Institut für Mikrosystemtechnik der Uni machen und eine große Firma ihnen gleich ein richtig gutes Gehalt auf den Tisch legt, dann kann man verstehen, wenn Sie da nicht in hohes finanzielles Risiko gehen wollen, um mit privatem Einsatz ein paar Jahre lang als Start-up rumzukrebsen – ohne wirklich zu wissen, ob das dann funktioniert und sich auszahlt. Leider gelten in Deutschland Unternehmer, die einen solchen Schritt in ihrer Karriere wagten, dann aber keinen Erfolg hatten, oft noch als gescheiterte Personen, obwohl sie sehr wert- volle Berufserfahrung sammeln konnten.
Sie waren in unterschiedlicher Weise schon an einigen Uni-Ausgründungen beteiligt. Wie würden Sie Ihre Rolle als Start-up-Unternehmer beschreiben?
Ich bin kein klassischer Venture Capital Investor, der große Geldsummen investiert, sondern ein Business Angel, der immer auch operativ in die Firmen mit reingeht. Ich bringe meine Erfahrung mit ein und unterstütze, wie und wo ich kann, in der
Regel übrigens bereits vor der Gründung des Unternehmens. Ins Boot komme ich über Netzwerke, da ich in der Uni sehr viele Menschen kenne. Ich bin überzeugt, dass wir in Deutschland viel weiter wären, wenn es mehr erfahrene Akteure gäbe, die auf diese Weise helfen, die Gründungsteams operativ dort zu ergänzen und zu unterstützen, wo nötig. Aber auch den Raum für die Gründer und Gründerinnen lassen, ihre Pläne zu verwirklichen. Das muss gerade in frühen Phasen auch ohne Bezahlung gegen Anteile der zukünftigen Firma geschehen. Bei Neuroloop bin ich in meiner Rolle als CEO aber natürlich aktiver als in anderen Firmen, an denen ich beteiligt bin.
Im selben Jahr wie Neuroloop waren Sie auch Mitgründer eines anderen Freiburger Medizintechnikers: Spindiag, die Firma hat im vergangenen Jahr mit der Zulassung eines selbstentwickelten Gerätes für Corona-PCR-Schnelltests auf sich aufmerksam gemacht hat.
Das letzte Jahr war verrückt. Das eigentliche Geschäft der Firma ist die Detektion multiresistenter Keime. Um diese etwa bei ankommenden Krankenhauspatienten zu entdecken, wurde in den letzten Jahren die Technologie eines Screening-Tests zum Produkt fertig entwickelt. Die Forschung dafür hat auch viele Jahre davor am Hahn-Schickard Institut, das eng mit der Uni zusammenarbeitet, begonnen. Ziemlich genau vor einem Jahr stand der Markteintritt kurz bevor. Dann kam Corona und die Kliniken hatten ganz andere Probleme und waren als Kunden für die geplante Anwendung erstmal nicht mehr zu begeistern.
Sie haben dann auf Corona umgestellt. Wie schwierig war das?
Bei Spindiag sitze ich im Beirat, war da aber sehr involviert. Wir haben mit unseren Investoren innerhalb von ein paar Wochen das Ruder herumgerissen und im Labor getestet, ob sich unsere Technologie auf Sars-CoV2 -Testung umstellen lässt. Das hat zum Glück sehr gut funktioniert und wir haben noch Förder- mittel vom Land bekommen. Hätte das nicht geklappt, hätten wir wahrscheinlich große Verluste gemacht. Stattdessen ist die Spindiag wie im Zeitraffer gewachsen, die Mitarbeiterzahl hat sich in nur zehn Monaten verdreifacht. Da waren sehr viele Wachstumsschmerzen dabei, bis im Herbst die Zulassung kam, aber es hat sich gelohnt.
Mittlerweile stehen deutlich mehr Geräte in Kliniken und anderen Gesundheitseinrichtungen, als wir geplant hatten. Innerhalb von 40 Minuten liefert das einfach zu handhabende Mini-Labor ein Ergebnis, das genauso zuverlässig ist wie die PCR-basierten Labortests, und wir produzieren und skalieren mit Hochdruck die sogenannten Disks, unsere Testträger, die es dafür braucht.
Sie sprachen eingangs vom Potenzial, das in der Region noch lange nicht ausgeschöpft ist, wenn es um Ausgründungen geht. Wo könnte sich die Universität da besser aufsstellen, um es mehr zu entfachen?
Ich sehe hier zwei Aspekte: Zum einen schlicht mehr Personal, das sich um das Thema kümmert, zum anderen müssen die Kräfte einfach besser gebündelt und koordiniert werden. Mit dem trinationalen EUCOR-Uni-Netzwerk, das Basel und das Elsass mit einbezieht, hat die Uni schon einen guten Grund- stein gelegt. Meiner Meinung nach sollte die Transferstelle und das dazugehörige Gründerbüro innerhalb der Uni auch viel mehr dafür werben, auszugründen. Das ist ein Punkt, der in Freiburg zu wenig verfolgt wird. Das Vorbild sind die USA, dort werden die Leute ständig schon im Studium motiviert, mit ihren Ideen nach draußen zu gehen Ein Beispiel: viele Unis laden regelmäßig erfolgreiche Gründerinnen und Gründer für Vorlesungsreihen ein, um Studierenden Role Models zu zeigen. Das inspiriert, und das Thema Start-up ist viel mehr präsent.
Sie sind Vorsitzender des Verbands der Freunde der Universität, haben Sie schon mit der neuen Rektorin über diese Themen gesprochen?
Ich kenne Frau Krieglstein ja noch von ihrer ersten Zeit als Dekanin der Medizinischen Fakultät. Seit sie da ist, hatten wir zwei Mal virtuell Kontakt, in den Gesprächen ging es aber nur am Rande um das Thema Ausgründungen. Sie muss sich ja erstmal in alle Bereiche einarbeiten. Wir haben vor allem über den Kern der Freunde der Uni gesprochen, nämlich die Studierendenförderung. Da geht es um Chancengleichheit in der Bildung und Förderung von Talenten. Indirekt hat das aber viel mit der Wirtschaftsthematik zu tun. Denn es kann ja nicht sein, dass junge, motivierte und talentierte Menschen von vornherein scheitern, weil sie das Studium nicht finanzieren können. Das können wir uns auch als Gesellschaft nicht leisten. Beim Thema Start-ups bin ich gespannt, welche Impulse der neue Prorektor für Forschung und Innovation setzen wird. Ich hoffe auch, dass ich in den Prozess involviert werde, und dass die Universität ihre Aktivitäten in dem Bereich ausweitet.
“Ich bin kein großer Freund davon, dass Start-up-Beratung von der Transferstelle der Uni gemacht wird. Der Grund ist simpel, es gibt da einen Conflict of Interest.”
Welche Gedanken würden Sie da einbringen?
Ich bin kein großer Freund davon, dass Start-up-Beratung von der Transferstelle der Uni gemacht wird. Der Grund ist simpel, es gibt da einen Conflict of Interest. Das ist auch gar nicht böse gemeint, aber es ist einfach so, dass die Uni bei Gründungen ein eigenes Interesse an einem wie auch immer gearteten Stake an einem Start-up hat. Und auf der anderen Seite des Tisches sitzen potenzielle Gründerinnen und Gründer, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Uni und vor allem zu Professoren stehen, die oft als Mitgründer auftreten. Das gleiche gilt auch für die beratenden Personen, die ja bei der Universität angestellt sind, dann aber auch die Interessen der Gründer vertreten sollen. Eine unabhängige Beratung kann da nicht richtig stattfinden. Ein Gründerbüro sollte meiner Ansicht nach vor allem nach innen für Gründungen werben, und dann nach außen ein Netzwerk von Investoren, zur Wirtschaft, und möglichen Beratungsstellen.
Sehen Sie auch außerhalb der Uni Verbesserungspotenzial?
Ich würde mir wünschen, dass die ganze Region im Dreiländereck in Wirtschaftsbeziehungen mehr zusammenkommt und dass Grenzen zwischen universitären Start-ups und dem Mittelstand abgebaut werden. Da braucht es mehr Verbindungen und Geschäftsbeziehungen. Die Region sollte sich auch noch viel mehr nach Außen präsentieren. Wenn ich mit Leuten aus anderen Regionen spreche, wissen die oft gar nicht recht, was hier alles gemacht wird und was noch alles möglich ist. Es sollte einfach mehr im Marketing gemacht werden, womit ich jetzt nicht meine, dass man ein paar Werbeanzeigen schaltet. Vielmehr geht es darum, genau zu schauen, in welchen Bereichen die Forschungslandschaft und Wirtschaft in der Region stark ist, und wie man das bündeln kann, um nach Außen klar und stark aufzutreten. Das hat Strahlkraft, auch für potenzielle Gründerinnen und Gründer, die nicht aus der Uni kommen – und vor allem für Investoren.
Michael Lauk hat in den Neunziger Jahren Physik an der Uni Freiburg studiert. An der Gründung von acht Start-ups war er aktiv beteiligt. Als Unternehmer, Projektmanager und Stratege hat sich der 51-Jährige auf Technologiethemen im Gesundheitsbereich fokussiert. Mit seiner Ehefrau Malaika arbeitet er im Team eng zusammen. Auch außerhalb seiner Unternehmen gibt der Vater zweier Kinder sein unternehmerisches Wissen gerne als Speaker und Berater weiter. Lauk hat sechs ehrenamtliche Ämter und ist ein leidenschaftlicher Ausdauersportler, der schon am Iron Man in Hawai teilgenommen hat. Sein Tag hat aber angeblich auch nur 24 Stunden.
Dieser Text erschien zuerst in der Printausgabe vom Februar 2021. Zum Abo geht es hier lang.