Unverhofft zur Unternehmerin: Melanie Missbach wollte nicht in einer Konzernstruktur arbeiten. Nun berät sie Unternehmen aus dem Mittelstand, der liegt ihr am Herzen.
VON DANIEL RUDA
Mit dem Timing ist es so eine Sache. Ob der Zeitpunkt für eine Entscheidung gut oder schlecht war, weiß man meist erst im Nachhinein. Wenn es um ihren Start in die Selbständigkeit als Unternehmensberaterin geht, trifft für Melanie Missbach irgendwie beides zu. Drei Monate, nachdem sie den Schritt wagte, ging schließlich die Coronakrise los. „Richtig war die Entscheidung auf jeden Fall“, sagt die 31-Jährige beim Gespräch in ihrem Homeoffice in Ebringen, ein paar Kilometer südlich von Freiburg.
Constant Change Consulting heißt ihre Unternehmensberatung, die sie von hier aus betreibt. Missbach hat sich auf mittelständische Unternehmen spezialisiert, denen sie mit ihrer Expertise maßgeschneiderte Beratungskonzepte bietet. „Unternehmen helfen, sich an die stets verändernde Welt anzupassen und gleichzeitig die individuelle Mittelstands-DNA bewahren“, das hat sie sich zur Aufgabe gemacht. Prozessoptimierung und Unternehmensorganisation sind ihre Kerngebiete. „Und gerade für die Bewahrung der wertvollen Mittelstands-DNA helfen da keine Konzepte von der Stange.“
Selbständig gemacht, dann kam Corona
Dass sie wegen der Coronakrise direkt ihre eigenen Prozesse optimieren musste, und das gut klappte, hat die Jungunternehmerin gestärkt. Ihr größtes Projekt ist jenes, das am stärksten von der Pandemie betroffen ist: eine Firma mit 200 Mitarbeitern aus dem US-Bundesstaat Texas begleitet sie bei der Einführung eines ERP-Systems (Enterprise Ressource Planning). Der Kontakt kam über eine Freiburger IT-Firma und den Ortenauer Marketing Club zu Stande. Eigentlich war der Plan, immer wieder in den USA vor Ort zu sein. Anfangs ging das noch, dann kam Corona.
„Ich habe die Einstellung, Herausforderungen als Chancen zu sehen und das vermittle ich auch so meinen Auftraggebern“, sagt Missbach, die fließend Englisch, Spanisch und Französisch spricht. Das war hier umso mehr der Fall. Es läuft jetzt alles über Videokonferenzen „und das klappt überraschend gut“.
In einer eigenen Online-Akademie bietet sie ihre Expertise zudem auch mit selbst aufgesetzten Lern- und Kursprogrammen an, als Dozentin arbeitet sie noch für die DHBW Villingen-Schwenningen. Auch wenn alles bislang gut verlaufen ist – sie verlor keinen ihrer ersten Aufträge – das erste Jahr als Selbständige in solch einer Zeit zu erleben: „Das war eines der turbulentesten Jahre in meinem Leben.“
Direkt vor ihrer Selbständigkeit arbeitete Missbach noch selbst in einem mittelständischen Unternehmen in der Region: als Abteilungsleiterin Business Operation Center war sie für Einkauf, Produktionsplanung, Lager und Versand verantwortlich. Sie wollte längerfristig dort tätig sein, doch dann kaufte ein Großkonzern den Mittelständler und die liebgewonnene Mittelständler-DNA verschwand – „das war wie ein Oberteil, das einem nicht mehr passt“, umschreibt sie es.
„Mein Herz schlägt wirklich für den Mittelstand, ich mag das Praktische, Flexible und Persönliche.“
Melanie Missbach
Zu der Zeit musste Missbach gerade ein Thema für ihre Abschlussarbeit des Fernstudiums zum Master in International Management and Consulting finden. Es wurde eine Marktanalyse für Prozess- und Organisationsberatung im Mittelstand. Das Ergebnis: Der Markt ist da, die Nachfrage steigt.
Die Abschlussarbeit sollte schließlich der erste Schritt auf dem Weg in die Selbständigkeit werden. „Mein Herz schlägt wirklich für den Mittelstand, ich mag das Praktische, Flexible und Persönliche.“
Sie beschloss, einen neuen Weg einzuschlagen, genau das zum Kern ihrer Aufgabe zu machen, und den Mittelstand von der anderen Seite zu erleben. Auch wenn die Entscheidung nicht leicht fiel, den sicheren Job hinter sich zu lassen, Missbach traf sie mit Überzeugung.
Der Austausch im VdU hat ihr Mut gemacht
Dass sie als Jungunternehmerin in den VdU (Verband deutscher Unternehmerinnen) eingetreten ist, bezeichnet sie als Glücksfall. Der Zusammenhalt unter den Frauen im Verband habe ihr vor allem während der schwierigen Anfangsmonate in der Coronakrise Halt gegeben. „Dass wir uns offen und vertraulich über alle Dinge austauschen, hat mir Mut gemacht und dieser Austausch ist sehr wertvoll für mich.“
Die Veränderungen in der Arbeitswelt durch die Pandemie werden auch den Mittelstand auf Dauer verändern, da ist sie sich sicher. „Wir können jetzt anfangen eine super Zukunft zu bauen.“ In ihrer neuen Rolle als Unternehmerin will sie aktiv daran mitwirken. Das Timing dafür ist gut.
Dieser Text erschien zuerst in der Printausgabe vom März 2021. Zum Abo geht’s hier.