In Baden-Württembergs Regionalbanken haben fast nur Männer das Sagen. Der Frauenanteil in den Vorständen liegt unter vier Prozent. Dass es schnell anders wird, ist nicht zu erwarten. Woran liegt das?
VON PHILIPP PETERS
Die Bilanz ist eindeutig: In den Vorständen der 50 Sparkassen und der 50 größten Genossenschaftsbanken in Baden-Württemberg sitzen fast nur Männer. Unter den 125 Vorständen der Sparkassen sind fünf Frauen, darunter drei als Vorsitzende – in Kehl, Engen-Gottmadingen und Waiblingen.
Bei den 50 größten Volks- und Raiffeisenbanken ist die Quote noch schlechter: Von insgesamt 145 Vorständen sind auch nur fünf weiblich. Und davon wirken nur zwei als Vorsitzende – in Konstanz und Plochingen. Zehn Frauen und 260 Männer – damit bringen die Vorstände der Regionalbanken im Südwesten es auf eine Frauenquote von 3,7 Prozent. Das ist peinlich, findet Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
Gemeinsam mit Anja Kirsch untersucht die promovierte Volkswirtin regelmäßig die 100 größten Banken in ganz Deutschland. Dort sind es immerhin elf Prozent Frauen in den Vorständen. Die Frauenquote an der Spitze der Großbanken ist damit immerhin fast vier Mal so hoch wie bei den Regionalbanken. Auch die größte Volksbank im Südwesten – die BBBank in Karlsruhe – hat mit Gabriele Kellermann eine Frau im vierköpfigen Vorstand.
Genau wie die Berliner Forscherinnen hat sich auch die Frankfurter Wissenschaftlerin Michaela Hönig mit dieser Frage beschäftigt. Sie wollte eigentlich untersuchen, ob Bankvorstände mit riskanten Hobbies auch zu riskanten Geldanlagen neigen. Ein Nebenprodukt dieser Studie ist eine Auswertung zu Werdegängen und Geschlechterrollen. Hönig hat ermittelt: Gut drei Viertel der Vorstandsvorsitzenden in deutschen Sparkassen haben sich intern hochgearbeitet.
Auf der oberen Leiter wird die Frauenquote dünn
Ein klassischer Werdegang ist die Regel: Banklehre, Besuch der eigenen Akademie und hierarchischer Aufstieg – oft sogar immer bei derselben Bank. Und dieser Weg ist für viele Frauen – wohl auch wegen Teilzeit und Kinderpause im Lebenslauf – versperrt. Und das scheint absurd, denn laut den Landesverbänden der Sparkassen und Genossenschaften liegt der Frauenanteil an den Führungskräfteseminaren, deren Ziel die spätere Qualifizierung für den Vorstand ist, bei 40 bis 50 Prozent.
Das ist kein Zufall, denn in der Finanzwirtschaft liegt der Frauenanteil an den Beschäftigten sogar über 50 Prozent. Auch bei den Regionalbanken sind insgesamt mehr Frauen als Männer beschäftigt. Doch je höher man auf der Karriereleiter klettert, desto seltener trifft man auf Frauen. Forscher nennen das: gläserne Decke. Das Hindernis ist da, aber man kann es nicht sehen.
Forscherin Wrohlich sagt klar: Der Fehler liegt im System, das Teilzeit oder berufliche Auszeiten bestraft. Dass sich schnell etwas ändert, ist unwahrscheinlich. Denn Bankvorstände verlieren äußerst selten ihren Job. Auch im erweiterten Führungskreis gibt es noch eine hohe Loyalität zum Arbeitgeber. Dort weiß man: Geduld zahlt sich aus. Meistens aber für Männer.
Als etwa die Volksbank Breisgau-Nord vor vier Jahren auf der Suche nach frischem Blut für den Vorstand war, schaute sie nur in die eigenen Reihen. „Eine Ausschreibung hat es nicht gegeben“, verrät Pressesprecher Udo Deutscher. Martin Reichenbach, 24 Jahre Vorstand der Bank aus Emmendingen, ist Ende 2017 in den Ruhestand gegangen. Für ihn sind Patrick Heil und Fritz Schultis nachgerückt. Zwei Eigengewächse.
Männer unter sich
Die Bank hat nun vier Vorstände. Alles Männer. Auch bei der Volksbank Mittlerer Schwarzwald aus Wolfach ist wieder ein Mann an die Spitze gerückt: Nach dem Ausscheiden von Manfred Kuner Ende 2018 besteht der Vorstand jetzt aus Martin Heinzmann und Oliver Broghammer. Auch die Sparkasse Haslach-Zell musste Anfang 2019 eine Lücke an der Spitze schließen. Die Wahl fiel auf Carlo Carosi.
Weil Sparkassen Gesellschaften öffentlichen Rechts sind, wurde die Stelle ausgeschrieben. Die Wahl fiel dennoch auf die interne Lösung. Carosi wurde schon bei der Bank ausgebildet, die er nun mit leitet. „Wir hatten mehr als 30 Bewerber“, verrät Philipp Saar. Der Bürgermeister von Haslach hat als Vorsitzender des Verwaltungsrats entschieden an der Personalie mitgewirkt.
„Unter den Kandidaten war tatsächlich nur eine Frau“, sagt Saar. Diese sei wegen utopischer Gehaltsvorstellungen aber schnell aus dem Rennen gewesen. Weibliche Kandidaten seien schwer zu finden, sagt der Bürgermeister. Vielleicht, hält Wissenschaftlerin Wrohlich dem entgegen, hätte man einfach mal etwas energischer suchen müssen? Auch, um mal ein Zeichen zu setzen.
Mittlerweile ist Haslach-Zell mit Gengenbach zur Sparkasse Kinzigtal verschmolzen. Am Frauenvakuum an der Spitze hat das nichts geändert. Carosi führt die Bank gemeinsam mit Sebastian Lebek. Die Volksbank eG ist voriges Jahr aus der Fusion von Offenburg und Villingen-Schwenningen entstanden. Sie ist mit einer Bilanzsumme von mehr als neun Milliarden Euro die zweitgrößte Genossenschaftsbank im Land.
Der Neuanfang wurde aber nicht zu einem Umbruch an der Spitze genutzt. Der Vorstand besteht aus sechs Männern. Den Vorsitz teilen sich der vorige Chef aus Offenburg, Markus Dauber, und Joachim Straub aus Villingen-Schwenningen. Immerhin, ein paar Lichtsignale gibt es auf dem Weg. Die Volksbank Breisgau-Markgräflerland hat in Karin Ortlieb eine Frau an der Spitze. Sie war seit 2016 im Vorstand der Volksbank Müllheim, die vor drei Jahren mit der Volksbank Breisgau-Süd aus Breisach fusionierte.
Daneben hat die Bank in Susanne Hierholz sogar eine Frau an der Spitze des Aufsichtsrates. Auch das ist eine Seltenheit. Seit Juli 2020 ist Sabine Meister im Vorstand der Volksbank Konstanz. Sie führt die Bank, die eine Bilanzsumme von knapp 1,5 Milliarden Euro hat, gemeinsam und gleichberechtigt mit Martin Schumacher. Die gebürtige Hannoveranerin kam aus Ulm an den Bodensee und setzte sich laut Angaben der Bank gegen 50 Bewerber durch. Auch in Titisee-Neustadt ist eine Frau auf dem Gipfel angekommen.
Christine Dönges ist seit Februar im Vorstand der Sparkasse Hochschwarzwald, wo sie Michael Frech ersetzen soll. Dönges ist seit fünf Jahren bei der Sparkasse und rückte vor drei Jahren als Stellvertreterin des Vorstands schon nah an die Spitze. Die studierte Wirtschaftsjuristin hat eine lange Bankkarriere hinter sich, war unter anderem bei der Sparkasse Rastatt-Gernsbach und der VR Bank Rhein-Neckar, ehe sie 2016 nach Titisee-Neustadt wechselte.
Dort gibt es übrigens auch eine andere Seltenheit: ein weibliches Stadtoberhaupt. Meike Folkerts wurde vor zwei Jahren zur Nachfolgerin von Armin Hinterseh gewählt. Die Bürgermeisterin ist auch Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse.