Drei südbadische Handwerker haben eine Mission: vom Borkenkäfer befallenes Holz retten und im hochwertigen Interiorbereich einsetzen. Das erste Pilotprojekt der Initiative „Käferholz“ für regionale Wertschöpfung läuft vielversprechend.
VON ANNA-LENA GRÖNER
Für Raphael Pozsgai ist es der letzte Tag auf der Baustelle in Freiburg-St. Georgen. Die „Wendlinger Schiere“ wurde hier aufwendig restauriert, entstanden sind ein Gasthaus und drei Ferienwohnungen. Verbaut wurde vor allem Holz aus der Heimat. Schreinermeister Pozsgai hat für die „Schiere“ in den vergangenen Monaten das passende Mobiliar gefertigt: 55 Stühle, 21 Tische, 17 Bänke, vier Küchen, vier Betten und rund 50 Regalkuben für flexible Regalsysteme. Das Besondere: das ganze Mobiliar sowie die Wandverkleidungen sind aus so genanntem „Käferholz“.
Das vom Borkenkäfer befallene Schadholz stapelt sich in unseren Wäldern. Obwohl es hier schnell verschwinden müsste, damit sich der Krabbler nicht weiterverbreitet und sich weder Insekten noch Pilze einnisten. Seit Jahren herrscht am Markt ein Überangebot von Schadholz (zu dem auch Bruch- und Sturmholz zählen). Vor allem die Fichte ist betroffen, gerade im Schwarzwald.
Der Nadelbaum wurde zuletzt in den 80er Jahren in Folge des Waldsterbens zur Nachforstung im großen Stil gepflanzt, weil er schneller wächst als andere Nadelbaumarten und schon früh wirtschaftlich genutzt werden kann. Als „Brotbaum“ wird die Fichte daher auch bezeichnet. „Das rächt sich jetzt, weil sie nicht so tief wurzelt und daher nicht gut mit der Trockenheit und dem Klimawandel klarkommt“, sagt Pozsgai.
Über 6,3 Millionen Kubikmeter Schadholz entstand allein 2019 in Baden-Württemberg. Vieles davon wird zu einem Dumpingpreis in Containern nach China verschifft, wo es meist zu Papier und Verpackungen verarbeitet oder für Schalbretter in der Bauindustrie genutzt wird. Emissionstechnisch ist das eine Katastrophe.
Vom Abfallprodukt zum Designerstück
Hier wollen die „Käferholz“-Handwerker einschreiten. Johannes Ketterer vom gleichnamigen Sägewerk in Titisee- Neustadt hatte die Idee zum Projekt und schloss sich mit dem benachbarten Parkettlegebetrieb Kleiser zusammen. „Ich habe schließlich davon gehört und fand die Idee der regionalen Wertschöpfung super“, sagt Pozsgai und kam damit als Dritter zum Bunde.
Als Schreiner habe er zudem das Interesse, in der Masse der hiesigen Konkurrenz eine Nische zu belegen, wenn es ums Thema Schwarzwald und Möbeldesign geht. Käferholz hilft in dieser Nische. Über den Architekten Willi Sutter der Freiburger sutter3 Architekten seien sie schließlich an das Scheunen-Projekt in St. Georgen gekommen und das Kommando-Käferholz legte los: der Säger Ketterer liefert den Rohstoff, Thomas Kleiser macht daraus edle Wandvertäfelungen und Böden und Raphael Pozsgai schreinert in Heitersheim erlesene Möbel, wie den „Tübinger Stuhl“, für den er bereits Designpreise gewonnen hat.
Mit dem Scheunen-Projekt konnte Pozsgai seinen Prototyp endlich in Serie bringen. In der „Wendlinger Schiere“ wurden alte Backsteingemäuer und freigelegte Holzbalken mit modernem Design aus heimischem Tannen- und Fichtenholz kombiniert. Ein stimmiges Konzept, das nicht nur die Heimat wertschätzt, sondern auch die lokale Wirtschaft fördert.
Und die drei „Käferholz“-Retter beweisen mit ihrem Pilotprojekt, dass sich auch als „Schadholz“ abgestempeltes Material im hochwertigen Interiorbereich einsetzen lässt. Dass der Käfer unter der Rinde war, macht dem Holz nichts aus, solange es rechtzeitig erkannt und aus dem Wald geschafft wurde. Es ist gutes Holz, mit dem man wunderbar arbeiten kann.
Um trotzdem etwas „Käferhandschrift“ zu hinterlassen, hat sich der Bodenexperte Thomas Kleiser etwas einfallen lassen: über eine schwere Walze in seiner Werkstatt kann er seiner Wandverkleidung kleine Einkerbungen verpassen. So sieht es aus, als ob darin der Käfer seine Spuren hinterlassen hat. Dieses Gimmick wurde bei der „Schiere“ an den Wänden der Ferienwohnungen umgesetzt. Resultat: lebendige Optik, die einen „muss ich anfassen“-Reflex auslöst.
Vom Underdog zum Star
Lange galt Eiche als Lieblingsholz von Handwerkern, Planern und Bauherren der Region, doch der 46-jährige Schreiner Raphael Pozsgai prophezeit: Den nächsten Trend setzen regionale Nadelhölzer. „Weißtanne ist beispielsweise gerade bei Architekten angesagt.“ Das Holz der heimischen Tanne habe sich in den vergangenen Jahren vom Underdog zum begehrten Must-Have-Material entwickelt. Das zeigt in der Region unter anderem die jüngst gegründete Kooperative „Weißtannenraum“ in Kirchzarten, bei der knapp 20 Unternehmen die regionale Baukultur und hohe Bauqualität mit diesem Holz vorantreiben wollen.
Ein Vorbild ist sicher der bekannte „Werkraum Bregenzerwald“, der seit 1999 beweist, dass Regionalität und Design wunderbar zusammenkommen können. „Die Österreicher aus Vorarlberg sind Trendsetter auf diesem Gebiet“, sagt auch Raphael Pozsgai. Vielleicht gelingt es der „Käferholz“-Initiative, auch die Fichte und bisher unterschätzte Tannen mehr auf den Regionalradar zu rücken?
Sobald die „Wendlinger Schiere“ öffnen darf, kann sich eine breite Öffentlichkeit vom Ergebnis überzeugen. Alles ist bereit. Und das Käferholz-Trio hofft auf weitere Projekte, die ein ähnlich ganzheitliches und nachhaltiges Konzept verfolgen wie in St. Georgen. Den Weg nach Asien braucht’s nicht.
3 comments
hallo
sehr gut gemacht. trifft den nagel auf den kopf. traurig daß förster immer noch von schadholz
sprechen. sie sind mit ihrem festgehalt vom schlechten „schadholzpreis“ auch nicht betroffen.
macht weiter so!!!
Guten Morgen
Ichwürde gerne ca 30 m2 von diesem Holz als Wandverkleidung kaufen1
An wen kann ich mich wenden?
Sehr geehrter Herr Feldengut, in diesem Fall nehmen Sie am besten direkt Kontakt mit dem Hersteller auf. Das wäre die Website: https://kleiser-holzhandwerk.de
Liebe Grüße
Anna-Lena Gröner