Die „p3 Werkstatt“ in Freiburg bereitet einmal im Jahr sechs Menschen jeder Herkunft und jeden Alters in zwölf Monaten auf die Anforderungen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt vor. Das gemeinnützige Unternehmen bietet nicht einfach nur Deutschunterricht an, sondern leistet Kommunikations- und Integrationsarbeit auf vielen Ebenen.
VON ANNA-LENA GRÖNER
Geschäftsführer David Rösch ist gerade mit ein paar Mitarbeitern im Hof der „p3 Werkstatt“ in der Oltmannstraße 30 im Freiburger Süden an einem neuen Projekt zugange. Sie wollen die eigens entwickelten und gebauten Cubes – geräumige viereckige Holzkästen, die als überdachte Büros oder Gastro-Nischen unter freiem Himmel genutzt werden können – von außen bepflanzen und tüfteln dafür an einer Bewässerung.
Solche Innovationen sind das Aushängeschild der Werkstatt – zum Beispiel, wenn eine mobile Küche fürs E-Lastenrad gebaut wird. Oder eine Aquaponik- Anlage, bei der unten die Fische blubbern, während oben der Salat auf kleinster Fläche wächst, auch vertikal. Die insgesamt 11 Mitarbeiter entwickeln nachhaltige Produkte mit einem positiven Effekt auf Menschen und Umwelt.
Vorbildlich ist vor allem die Art, wie sie in der Werkstatt miteinander arbeiten und wer: zusammen mit Geflüchteten und Menschen, die durchs Bildungsraster fallen oder denen der Weg in eine Ausbildung oder Arbeit schwer gemacht wird. „P3“ bietet denjenigen, die sprachlich noch große Hürden haben und an der Werkbank erste Erfahrungen sammeln wollen, eine einjährige Einstiegsqualifizierung an, kurz EQ.
„P3 ist damit das benötigte dritte Puzzleteil zwischen Ausbildung und Arbeitsmarkt, sagt David Rösch und führt weg vom Holz-Cube, ein paar Meter weiter zum Eingang der Holzwerkstatt der evangelischen Stadtmission Freiburg. Hier hat 2016 alles begonnen, damals noch als ehrenamtlicher Verein. Seit November 2018 ist „p3“ ein gemeinnütziges Unternehmen und längst über die Räumlichkeiten der Stadtmission hinausgewachsen.
Ausbilder und Chancengeber
David Rösch zeigt das Schulzimmer, in dem die insgesamt sechs Werkstatt- Schüler Deutsch und Mathe sowie Fachtheorie und -sprache unterrichtet bekommen, geht dann weiter in die Schreinerei, unter deren großer Hallendecke an diesem Morgen schon gesägt und gehobelt wird. Ein Auftrag für neue Tischplatten in einem Freiburger Gastronomiebetrieb wird gerade umgesetzt. Mit solchen Auftragsarbeiten finanziert man sich zum Großteil, aber auch durch Förderprogramme, Sprachkurse und den Verkauf von handgemachten Produkten.
Die „p3 Werkstatt“ bildet selbst zum Schreiner aus, nimmt dafür ausschließlich ehemalige Schüler aus ihrem EQ-Programm. Warum? Weil’s fair ist, weil die Schüler den Betrieb kennen und neben wichtiger Theorie und Praxis auch die Philosophie des Unternehmens vermitteln bekommen haben: es geht um Nachhaltigkeit, Umweltschutz und ein positives Miteinander.
Ein gemeinsames Ziel, das bei Beginn der Zusammenarbeit meist noch weit entfernt ist. „Unsere EQs haben ganz unterschiedliche Hintergründe, es sind Familienväter, aber auch 17-Jährige, die fast von der Schule geflogen sind. Sie alle zusammenzubekommen und als Team durchzubegleiten, ist sehr spannend“, sagt David Rösch und meint damit sicherlich auch „anstrengend“. Einzige Voraussetzung, die jeder mitbringen muss: ein Sprachniveau A2 oder B1 und eine Arbeitserlaubnis, vor allem aber Motivation.
Von der Schreinerei aus geht es in einen weiteren Raum, in dem die Werkübungsplätze der Schüler sowie die Fachbereiche Elektro und Metall untergebracht sind. An einem großen Tisch im neuesten Teil des jungen sozialen Unternehmens nimmt der 32-jährige neben seiner Frau Cynthia Platz. Die große Eingangshalle haben sie erst Anfang 2020 dazu gemietet, eigentlich sollten hier Veranstaltungen ausgetragen werden – aber Corona lässt das bisher nicht zu. Also wird der neue Raum vorerst als Mitarbeiter-Treffpunkt und Ausstellungshalle für die eigenen Produkte genutzt.
Viel Arbeit für wenig Geld
Cynthia Rösch ist im Unternehmen für das Marketing, die Kommunikation und die Schulleitung zuständig. Die 29-Jährige ist außerdem Ansprechperson für die sechs EQ-Schüler der „p3 Werkstatt“. Mit ihren „Jungs“ macht sie unter anderem Coachingsessions, Motivationsstunden und führt wöchentliche Einzelgespräche – die gemeinsame Sprache ist dabei immer Deutsch.
Bisher haben das Angebot tatsächlich ausschließlich Männer angenommen. Das liegt zum einen daran, dass das Handwerk in anderen Kulturen eher noch Männersache ist, zum anderen gibt es in Deutschland wenige Angebote für geflüchtete Männer aus sogenannten Ländern mit unsicherem Bleiberecht. Dementsprechend ist die Nachfrage. Cynthia Rösch betont aber auch: „Theoretisch sind wir offen für alle.“
Die Schüler der „p3 Werkstatt“ kommen vor allem aus Gambia, Eritrea oder Nigeria. Sie hatten in ihrer Heimat vielleicht mal eine Schule besucht, vielleicht schon einen Job gehabt, aber keine Perspektive. Die suchen sie in Deutschland, lassen dafür oft ihre Familien zurück, träumen von einem besseren Leben und davon, etwas Geld zu verdienen. Doch Geld gibt es im EQ keines, die Teilnehmer müssen ein weiteres Jahr mit ihrem schmalen Taschen- oder Asylbewerbergeld haushalten.
Das EQ-Programm trotz geringer Mittel und großer Anstrengungen durchzuhalten, erfordert von den Teilnehmern viel Kraft und Disziplin. „Wir müssen sie immer wieder daran erinnern, warum sie hier sind, warum Schule in Deutschland so wichtig ist“, sagt Cynthia Rösch. „Wir vermitteln daher viel mehr als nur die Sprache.“ Es gehe um den persönlichen Austausch von Erfahrungen und darum, voneinander zu lernen: von den verschiedenen Kulturen und Geschichten, die hier aufeinandertreffen, aber auch von der Art miteinander umzugehen und zu arbeiten, wie es die „p3 Werkstatt“ vorlebt.
Die 29-Jährige Cynthia Rösch weiß, was es bedeutet, sich in einem fremden Land zurecht zu finden und völlig neu anzufangen. Sie selbst kommt aus Peru, zog mit ihren Eltern im Alter von 12 Jahren nach Texas, lernte eine völlig neue Sprache und kam für ihren Master in „Deutsch als Fremdsprache“ nach Freiburg, hier hat sie inzwischen ihre neue Heimat gefunden.
Kommunikation auf unterschiedlichen Kanälen
Anfangs arbeitete Cynthia Rösch bei „p3“ als Deutschlehrerin, inzwischen hält sie die Fäden zwischen Schule und Werkstatt zusammen und kommuniziert mit den unterschiedlichsten Kanälen und Einrichtungen, die hier zusammentreffen: mit den Schülern, mit deren Sozialarbeitern, mit Unternehmen, die vielleicht für einen Azubi-Bewerber erst eine Einstiegsqualifizierung in der Werkstatt vorsehen, mit anderen Schreinerbetrieben, mit denen man eine Verbundausbildung eingehen möchte oder mit der Handwerkskammer, für die man sowohl Bedarfs- und Kompetenzfeststellungen macht als auch nach Ausbildungsbetrieben für die Schüler sucht.
Im Mai starten die nächsten Kennenlerntage für die neuen EQ-Interessenten. Bei den Bewerberwochen im Juni treffen die neuen Sechs aufeinander und bekommen erstmals einen Eindruck vom Alltag, der vielleicht schon bald auf sie zukommt. „Das ist eine lange Woche, in der wir unter anderem die allgemeine Sprachaufnahmefähigkeit der Teilnehmer testen und herausfinden, wie gut das Team zusammenpasst“, sagt Cynthia Rösch. Das EQ läuft von September bis August. Abgebrochen habe das anstrengende Jahr noch niemand. „Wir tun alles, damit es das Team gemeinsam schafft“, sagt die 29-Jährige.