Über die Vorteile der Digitalisierung, gelebte Unternehmenskultur, Spaß bei der Arbeit und den Menschen hinter den Zahlen.
VON DANIEL RUDA
Sich selbständig machen, das hatte sie eigentlich nie vorgehabt, erzählt Katrin Kindler. Um die Arbeit als Steuerberaterin erfüllender werden zu lassen, hat sie den Schritt, man könnte es auch den Ausweg nennen, nach mehreren Jahren in Festanstellung aber dennoch gewagt. Allzu sehr ins Detail will sie nicht gehen über die genauen Gründe für ihren Entschluss, den sie Ende 2019 umgesetzt hat. Nur so viel: „Altes Arbeiten und die neue Generation, das passt nicht mehr zusammen.“
Seit anderthalb Jahren definiert sie ihren Beruf für sich nun neu, mit ihrer eigenen kleinen Kanzlei, für die sie ganz bestimmte Vorstellungen hat. Die Wand im Hintergrund des Zoom-Calls aus ihrem Büro in Ettenheim hat Backsteinoptik, eine schmale Vase mit einer einzelnen Blume trägt zum trendy Minimalismus bei. Beim Gespräch mit der 34-Jährigen schwingt ein wenig Start-up-Attitüde mit.
Sie sehnte sich nach anderen Herangehensweisen und setzt sie nun selbst um. Da wäre die Offenheit gegenüber digitalen Möglichkeiten. Mandanten wollen zukünftig sicher keine Papierberge mehr von der Steuerberaterin bekommen, dafür gebe es Apps und andere Dienste. „Wir arbeiten jetzt schon komplett digital“, betont Kindler. Diese Herangehensweise sei in der Branche mit vielen alteingesessenen Büros noch immer eine Ausnahme.
Zudem soll es bei ihr eben nicht nur um Buchhaltung, Abrechnungen und Abschlüsse gehen, um die sie sich bei kleinen und mittelständischen Unternehmen kümmert. „Nah dran sein“ will sie, dabei helfen, „Unternehmen voranzubringen“ und bei anstehenden Entscheidungen wichtigen Input geben.
Die Zahlen sind wichtig, aber letztlich geht es um die Menschen und Unternehmer dahinter, die interessieren mich wirklich.”
Katrin Kindler will das Image des steifen Zahlen-Dienstleisters, das ihrem Beruf anhängt, unbedingt durchbrechen.
Obwohl die Pandemie, die wenige Monate nach ihrem Start in das selbstbestimmte Arbeiten auftauchte, den Start nicht gerade erleichtert hat, läuft es bislang gut. Vor allem Mittelständler, vom Existenzgründer bis zum alteingesessenen Unternehmen, gehören zum wachsenden Kundenstamm, dazu kommen Mandate aus dem Privatbereich. „Und das Netzwerk drumherum wird größer, das uns fachlich und persönlich stärkt“, sagt die gebürtige Kaiserstühlerin. In der Pandemie hat sie sich etwa dem Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) angeschlossen.
Der Austausch im Frauenwirtschaftsverband war zwar bisher nur online möglich, aber dennoch schon wertvoll für die Jungunternehmerin, erzählt sie. „Ich kann aus diesem Austausch mit anderen Unternehmerinnen viel mitnehmen.“ Aufmerksam auf den VdU wurde sie über Instragram, wo sie als @klanzlei_kindler ebenfalls versucht, dröges Steuerberaterinnen-Image aufzubrechen. „Ich will hier wirklich was aufbauen“, sagt Katrin Kindler, wenn sie über ihre Ziele spricht.
Kindler hat eine innovative Kanzlei mit Frauen-Team
Nach den ersten Monaten im Homeoffice hat sie inzwischen ein Büro mit mehreren Räumen gemietet. Drei Teilzeitkräfte hat sie inzwischen eingestellt. Im Juli kommt die vierte dazu, dann ist die Kanzlei ein Team aus fünf Frauen.
Womit man beim nächsten essenziellen Punkt für den Entschluss zur Selbständigkeit wäre. „Ich habe meine eigenen Vorstellungen von einer innovativen Kanzlei und das betrifft neben Themen der Digitalisierung vor allem die Unternehmenskultur“. Teamgedanke statt Hierarchie, offene und wertschätzende Kommunikation, ihr Personal stärken und fördern, flexible Arbeitszeiten und ein gutes Gehalt bieten, das sind ihre Ziele als Unternehmerin, sagt sie. Da in der Steuerbranche Fachkräftemangel herrsche, müsse man zukünftig umso mehr Wert auf diese Aspekte der Arbeitswelt legen. „Meine Mitarbeiterinnen sollen gerne zur Arbeit kommen“, fasst sie das alles zusammen.
Natürlich gebe es dabei auch viel zu tun, seit Monaten etwa vor allem die Corona-Hilfsanträge, aber es müsse dennoch immer eine Work-Life-Balance her. Wenngleich, das gibt sie zu, ihre eigene derzeit nicht sehr ausgewogen ist. Kochen, Tennis, Yoga, zu ihren Hobbies komme sie gerade nicht wirklich, der Auf- und Ausbau der Kanzlei beanspruche viel Zeit. Sie ist gut investiert, findet Kindler, die froh ist, den Schritt in die Selbständigkeit gewagt zu haben. „Wenn man den Mut hat, loszugehen, dann ist vieles möglich und machbar.“