In Industriebetrieben gibt es nur wenig Frauen – sowohl auf den Chefsesseln wie in anderen Positionen. Das liegt mitunter daran, dass Frauen nur selten technische und naturwissenschaftliche Berufe ergreifen. Der Verband WVIB will mit einem „Frauen-Netzwerk“ für Veränderung sorgen.
VON CHRISTINE WEIS
Werkzeugkasten für Jungs, Puppenstube für Mädchen: Stereotype Geschlechterrollen halten sich hartnäckig vom Kinderzimmer über die Schule bis zur Berufs- und Arbeitswelt. So wählen Frauen öfter einen Beruf in sozialen, kommunikativen oder administrativen Bereichen. Und Männer entscheiden sich mehr für technische und handwerkliche Berufe. Dieses Verhältnis spiegeln auch aktuelle Zahlen in den sogenannten MINT-Fächern. MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Hier liegt der Anteil bei Studienanfängerinnen in Baden-Württemberg bei rund 30 Prozent, bei den Auszubildenden sind es knapp elf Prozent Frauen. Kein Wunder also, dass weibliche Beschäftigte in der Industrie rar sind, wo es an Frauen, aber auch generell an Fachkräften mangelt. Überhaupt nur neun Prozent aller weiblichen Erwerbstätigen sind im Land in MIMT-Berufen tätig.
Das will der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmer Baden (WVIB) ändern.
Die Frauenquote der eigenen 1038 Mitgliederunternehmen weist ähnliche Zahlen auf. Nach eigenen Angaben liegt der Anteil der Geschäftsführerinnen bei etwa zehn Prozent, der Anteil weiblicher Fachkräfte im MINT-Bereich liegt mit 12 Prozent nur knapp darüber. Es gibt demnach auch in den eigenen Reihen Bedarf an Frauenförderung, insbesondere bei der Personalgewinnung.
Man hatte das Thema immer wieder auf der Agenda, nun haben die Mitglieder verstärkten Bedarf. „Mit dem Frauen-Netzwerk wollen wir für mehr Sichtbarkeit von Frauen in MINT-Berufen sorgen und zeigen, dass wir ethisch der Gleichstellung verpflichtet sind“, sagt Verena Naranjo Rodriguez. Sie betreut zusammen mit Gerrit Christoph das Frauen-Netzwerk. Neben dem gesellschaftlichen Aspekt und dem Fachkräftemangel, gibt es einen weiteren wirtschaftlichen Faktor.
„Erfahrungswerte und Studien zeigen, dass diverse Teams erfolgreich sind.”
Naranjo Rodriguez
Ziel und Inhalte des Frauen-Netzwerks WVIB
Hauptanliegen der Initiative ist es, Frauen für technische Berufe in der Industrie zu begeistern. Unter dem Motto „Frauen, MINT, Zukunft“ fand im April mit 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Gründertreffen satt. Im Juli gibt es ein nächstes Treffen mit den Geschäftsführerinnen des Verbands unter Moderation von Ute Grießhaber. Die Geschäftsführerin der Weißer + Grießhaber GmbH aus Mönchweiler ist seit 2019 die einzige Frau im Präsidium des WVIB.
Sie setzt auf Synergien, Allianzen und die Wirkkraft von Frauen, die Vorbild für andere sein können. „Man muss Frauen ermuntern, mutig zu sein, etwas auszuprobieren und in einen technischen Beruf reinzuschauen, der früher vielleicht für Frauen nicht selbstverständlich war. Als einzelnes Unternehmen haben wir allerdings keine Chance, bei der Frauenförderung etwas zu bewegen. Es braucht ein Netzwerk. Der Austausch ist wahnsinnig wichtig“, sagt Grießhaber.
Best Practices sind positive Berufsbiografien und authentische Einblicke von Frauen etwa in Elektrotechnik oder Mechatronik. Maschinenbauingenieurin Rahma Braham von der Marquardt-Gruppe in Rietheim-Weilheim (Landkreis Tuttlingen) oder die Geschäftsführerin Sophie Burkhart von der BOA Metal Solutions GmbH aus Stutensee (Landkreis Karlsruhe) sind Beispiele dafür.
Das Frauen-Netzwerk soll nicht „frauenbündlerisch“ sein und richte sich daher nicht ausschließlich an Frauen, sondern gerade auch an die männlichen Entscheider in den Unternehmen. „Wir möchten sie für die Anliegen der Frauen wie Chancengleichheit, Jobsharing, gerechte Bezahlung oder Führung in Teilzeit sensibilisieren“, betont Gerrit Christoph. Dass Gleichstellung beide Geschlechter betrifft, zeigt sich auch in der Zusammensetzung der Frau-Mann-Doppelspitze des Betreuungsteams. In der Belegschaft der 60 hauptamtlichen Mitarbeiter beim WVIB sind die Frauen deutlich in Überzahl. Das siebenköpfige Führungsteam ist mehrheitlich weiblich. Im Vorstand und Präsidium dominieren die Männer.