Nach fast zweijähriger Bauphase eröffnete die „Bergwelt Kandel“ im Juli. Bis zur Fertigstellung gab es viele Herausforderungen auf der Baustelle am Gipfel. Und nicht nur die Lage ist gehoben – auch das gastronomische Angebot will höher hinaus
VON CHRISTINE WEIS
Noch wird am Balkon gewerkelt, das Radio der Handwerker tönt in die Landschaft und geschäftig werden Kartons ausgepackt. Bauherr und Metzgermeister Ulrich Reichenbach hat Mitte Juni zum Ortstermin in die „Bergwelt Kandel“ geladen: Das neue Hotel mit großem Gastro- und Eventbereich kann sich sehen lassen – das Panorama sowieso. Bodentiefe Fenster in den Suiten im oberen Stock, in den Gasträumen wie auf der Terrasse lassen auf Waldkirch, in die Rheinebene bis zu den Vogesen blicken. Mehr Aussicht haben selbst die Gleitschirmflieger, die unterhalb der Terrasse auf der Rampe starten, nicht. Gipfelfeeling ist auf dem 1.241 Meter hohen Kandel garantiert. Schon vor Eröffnung gab es ein erstes Promi-Event: SC-Stürmer Nils Petersen und seine Frau Carla feierten am 26. Juni ihre Hochzeit mit 50 Gästen.
Einkehr für Wanderer und Feinschmecker
Die einzigartige Lage auf der Bergkuppe ist nicht der einzige Trumpf, der die Besucher auf den Kandel locken soll. Man will sich nicht zu jener Gipfelgastronomie zählen, wo selbst die schönste Natur nicht das schlechte Fastfood wettmacht, und sich mancher Gast im Drehkreuz am Eingang verfängt.
„Es gibt bei uns keine Massenabfertigung aus der Fritteuse. Wir bieten hochwertiges Essen und Getränke von heimischen Produzenten“, sagt Igor Dugina, der den Gastronomie- und Hotelbereich leitet. Der 51-jährige Diplom-Sommelier mit kroatischen Wurzeln hat lange Jahre in Sternehäusern im österreichischen Kitzbühel gearbeitet und sieht im Schwarzwald noch viel touristisches Potenzial.
Kulinarisch setzt er auf eine regionale Küche und ausgesuchte Weine von Moosmann aus Buchholz oder Köbelin aus Eichstetten. 80 Prozent der Gerichte werden von der Metzgerei Reichenbach geliefert, wie Kalbsrahmgulasch, Schnitzel, Ofenkartoffel und Salate.
Tagesgäste bewirte man am Büffet. Das SB-Konzept spart Personal, das ohnehin knapp ist. „Corona hat der Branche gerade im Personalbereich hart zugesetzt“, sagt Dugina. Ulrich Reichenbach schätzt die Selbstbedienung optimistisch ein: „Der Gast steht doch lieber in der Schlange, als dass er am Tisch sitzt, und es kommt keiner.“ Man müsse Kosten und Aufwand im Blick behalten, denn das Tagesgeschäft sei stark wetterabhängig. Dennoch will man es allen recht machen: Den sonnenhungrigen Wochenendausflüglern genauso wie wetterfesten Mountainbikern, die auch werktags unterwegs sind. Geöffnet ist die ganze Woche. Auch an den beiden “Ruhetagen” gibt es eine kleine Karte. Bei voller Auslastung finden 60 Personen im Innenbereich und 200 auf der Terrasse einen Platz. Damit E-Bike, Smartphone oder E-Auto nicht der Akku schlapp macht, gibt es entsprechende Ladestationen. Auf Mobilfunkempfang müssen die Gäste allerdings verzichten. Nils Petersen empfand die handyfreie Zone als Genussvorteil, wie er gegenüber der Badischen Zeitung äußerte.
“Wir bieten hochwertiges Essen und Getränke von heimischen Produzenten.”
Igor Diguna, verantwortet Hotel und Gastronomie in der Bergwelt Kandel
Die acht Zimmer sind fürs nächste halbe Jahr, zumindest an den Wochenenden, schon ausgebucht. Schreiner Manfred Lehmann aus Zell am Harmersbach hat die Räume mit Altholz ausgebaut. Die beiden großen Suiten sind großzügig mit einer Küchenzeile, einem Essbereich und Sofaecke ausgestattet. In jedem Zimmer lassen sich durch praktische Smartbetten, die aus der Wand geklappt werden, die Schlafplätze erweitern.
Als Eventmanagerin ist Marina Seidel auf dem Kandel tätig. Es gibt viele Anfragen und wochenends seien die Räume schon weit ins nächste Jahr belegt, sagt sie. Für Hochzeiten, Workshops oder Firmenfeiern gibt es den großen Saal mit Sitzplätzen für bis zu 200 Personen. Die Räume „Kandel“ und „Reichenbach-Lounge“ eignen sich für kleinere Gruppen bis zu 40 Personen.
Bauen und Hotelbetrieb auf dem Berg sind ein schwieriges Geschäft
Nicht nur das Wetter ist für die Höhengastronomie fordernd. Bauen auf dem Berg im Naturschutzgebiet ist mit vielen Auflagen verbunden und enorm kostenintensiv. Die Handwerker arbeiteten auf der höchsten Baustelle im Landkreis Emmendingen, die Anfahrten für den Trupp und das Material dauerten lange. Reichenbach nennt all diese Herausforderungen „Kunst am Berg“ und beziffert die Gesamtkosten auf rund sieben Millionen Euro, ursprünglich waren fünf Millionen Euro veranschlagt (netzwerk südbaden berichtete). Vor allem mit dem Wasser müsse man hier oben gut wirtschaften. Regenwasser wird als Brauchwasser genutzt und es gibt wassersparende Armaturen.
Mit dem österreichischen Architekten Michael Jenewein habe man einen Fachmann engagiert, der bereits ähnliche Projekte in Tirol und Vorarlberg realisierte. Das in Holzbauweise (Weißtanne) gestaltete Gebäude mit dem dunklen Dach fügt sich harmonisch ins Landschaftsbild.
Der Glottertäler Metzgermeister Reichenbach ist mit 58 Prozent Hauptgesellschafter der „Kandel Bergwelt GmbH“, den Rest teilen sich beteiligte Baufirmen, unter anderem Holzbau Fluck aus Blumberg. Projektleiter ist der Glottertäler Michael Gschwander. Hotel & Gastronomie und Events & Marketing sind jeweils eigene Firmen und Mieter der „Kandel Bergwelt“. Bis sich die Baukosten amortisiert hätten und man Gewinne schreibe, werden Jahrzehnte vergehen, rechnet Reichenbach vor. Es ist ein Generationenprojekt und eine Herzensangelegenheit.
„Unser Hausberg lebt wieder.“
Ulrich Reichenbach
Eine Bildergalerie dokumentiert die Baubiografie und Geschichte des Gasthauses, die bis in die 1880er Jahre zurückreicht. Das Vorgänger-Hotel brannte mehrmals und stand seit 2002 leer. Im Herbst 2019 begann der Abriss, auf dessen Grundmauern der Neubau steht. Viele freuten sich auf das neue Gasthaus, das Feedback sei positiv, so der Eindruck Reichenbachs.
Viele Wege und zwei Straßen führen auf den Kandel
Mit Waldkirch, Simonswald, St. Peter und Glottertal treffen vier Gemeinden auf dem Kandel zusammen, von denen aus, viele Wege auf „ihren“ Berg führen. Mit dem Auto gibt es allerdings nur zwei Optionen. Von Waldkirch schlängelt sich die Landstraße L 186 durch den Altersbach hinauf. Die Straße ist schon lange marode. Im Zuge der Diskussion um die Instandsetzung hatte der Waldkircher Oberbürgermeister Roman Götzmann die Idee einer Seilbahn. Das Vorhaben ist allerdings auf Eis gelegt, zugunsten der Straßensanierung. Wenn alles planmäßig läuft, kann diese Ende 2024 abgeschlossen werden, heißt es aus dem Regierungspräsidium Freiburg. Der erste rund 300.000 Euro teure Bauabschnitt ist fertig. Ab Mitte September soll es mit dem zweiten von insgesamt fünf Abschnitten weitergehen.
Die Straße vom Glottertal und von St. Peter über den Sägedobel ist gut in Schuss. Die Eventgastronomie der „Bergwelt Kandel“ wird vermutlich für mehr Verkehrsaufkommen sorgen und die 50 ausgewiesenen Parkplätze rasch füllen. Bei Veranstaltungen gibt es daher einen Shuttleservice. Beim Thema Verkehr erinnert Reichenbach an vergangene Zeiten, als die Ausflugsbusse eine Rundtour fuhren: Von Waldkirch aus auf den Kandel, Einkehr im Hotel zur Schwarzwälder Kirschtorte und durchs Glottertal wieder runter. Diese Zeiten sind nicht nur verkehrstechnisch vorbei, der Kandel ist bei den heutigen Ausflüglern allerdings beliebter denn je.