Die Scheinwerfer der regionalen Veranstaltungstechniker gingen zur Pandemie aus: Keine Bühnenaufbauten mehr, keine Soundchecks, keine Lightshows – weil Corona ihnen die Stromstecker gezogen hatte. Beschäftigung und Einnahmen gingen gegen null. Wie geht es der Branche jetzt?
VON CHRISTIAN ENGEL
Am Anfang war der Anruf des Lastwagenfahrers. „Wir kommen zurück“, rief er Martin Kranz am Telefon zu, „die Messe ist abgesagt.“ Martin Kranz legte auf und ahnte Böses. Und während der LKW-Fahrer an jenem Märzmorgen im vergangenen Jahr, mitsamt der gesamten Bühnentechnik kehrtmachte, die er in Karlsruhe hätte aufbauen sollen, bimmelte beim Geschäftsführer in Freiburg pausenlos das Handy. „Martin Kranz“, sagte Martin Kranz – und seine Gegenüber sagten mit Bedauern alles ab für die kommenden Wochen: Tagungen, Galanächte, Hauptversammlungen. Aus Wochen wurden Monate, und aus Monaten ein ganzes Jahr.
Corona hat viele Branchen arg gebeutelt, die Veranstaltungsbranche ganz besonders. Kranz Live Eventsolutions, schon seit 70 Jahren im Geschäft, stand kurz davor, seinen Fünf-Millionen-Euro-Neubau im Gewerbegebiet Haid mitten in der Bauphase zu stoppen. Kleinere und jüngere Unternehmen wie Soundstation dachten darüber nach, ihre Lagerflächen zu kündigen. Das Freiburger Unternehmen „Tecstage“ machte eine Million Euro weniger Jahresumsatz, schickte seine elf Mitarbeiter in Kurzarbeit. Bei allen drückten die Fixkosten, fehlten die Einnahmen. „Im April 2020 hatte ich einen Umsatz von 4000 Euro“, erzählt Martin Kranz, der 16 Festangestellte beschäftigt. „Das reicht natürlich hinten und vorne nicht.“
Während all die Events im vergangenen Jahr reihenweise abgesagt wurden – Stadtjubiläum, ZMF, der 60er von Onkel Manfred – schlich aus der schattigen Seitengasse ein neues Geschäftsfeld: Online-Übertragungen. Denn als alle Welt sich zu Beginn der Pandemie mit verpixelten und unzuverlässigen Konferenzen rumschlägt, schlägt die Stunde der Profis, derjenigen, die wissen, wie man mit Bildern, Ton und Technik umgeht, damit sie einwandfrei funktionieren.
Umsatz mit professionellen Streams
Digitale Veranstaltungen schienen im Jahr 2020 der letzte Strohhalm der Gesellschaft zu sein, ein kleines Schlückchen Geselligkeit aufzusaugen. Plötzlich wurde alles gestreamt, plötzlich versendet sogar Opa einen Link zum digitalen Familienfest. Vor allem größere Betriebe erkennen, wie wichtig eine ruckelfreie Übertragung der Mitgliederversammlung ist: aus praktischen Gründen. Und natürlich wegen des Ansehens.
40.000 Euro investierte Tecstage-Geschäftsführer Markus Müller in den Ausbau der Videoabteilung und in die Fortbildung seiner elf Mitarbeiter. Es ging auch darum, die Veranstaltungstechniker fit zu machen für all die neuen Videoplattformen und Streamingportale, die aus dem Boden sprossen wie Sonnenblumen im Sommer. Gerade im Industrie- und Businessbereich seien Online-Übertragungen sehr nachgefragt gewesen, berichtet Müller. „Da wird auch einiges in der Post-Corona-Zeit hängenbleiben.”
Er denkt dabei vor allem an Tagungen, bei denen einst Referenten aus Übersee für einen zweistündigen Vortrag eingeflogen wurden. „Online-Übertagungen sind eindeutig ökologischer und ökonomischer.“ Das sieht auch Martin Kranz so: „In Zukunft werden wir sicherlich häufiger Online-Events veranstalten, vermehrt in hybriden Formen, dass ein Teil also vor Ort anwesend ist, der andere daheim vorm Tablet.“ Und dafür ist sein Unternehmen bestens gerüstet.
Kranz Live Eventsolutions hat 20 Jahre lang im SWR das Greenscreen-Studio betreut. Dort etwa gibt SC-Kapitän Christian Günter sein Interview zum jüngsten SC-Spiel ab, wenn er zu Sport im Dritten nach Stuttgart geschaltet wird, ohne Studiogast sein zu müssen. Kranz hatte also das Knowhow, Kranz hatte die Technik – und er setzte beides ein, als die Pandemie losging und die Unternehmen nach professionellem Streaming lechzten.
Martin Kranz und seine Mitarbeiter bauten teilweise in den Unternehmen kleine Studios auf. Im Frühjahr dieses Jahres gingen sie noch einen Schritt weiter. Das neue Firmengebäude, das sie schließlich doch weiterbauen ließen, war im April bezugsreif – und bot eine nicht eingeplante Möglichkeit: Platz für ein eigenes Greenscreen-Studio. Das richteten sie auch ein. Unternehmen, Vereine und Aktiengesellschaften rannten Martin Kranz daraufhin die neue Firmentüre ein.
Viele Events im August, weil es danach wieder eng wird
Von eingerannten Türen ist man in diesen Wochen bei Soundstation noch weit entfernt. Wie Martin Kranz haben auch Benjamin Hug und Christoph Fehrenbach null Euro in die Aufrüstung ihrer Online-Abteilung investiert. Während der eine aber nicht musste, weil er schon hatte, konnten die anderen schlicht nicht: „Wir mussten ja erst einmal die monatlichen Fixkosten decken“, sagt Christoph Fehrenbach. Bis zu 10.000 Euro hätten sie für eine adäquate Aufrüstung ausgeben müssen, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. „Online-Übertragungen konnten und können wir also nicht bieten“, sagt der Geschäftsführer des Zwei-Mann-Unternehmens. Dafür steigen Anfragen für analoge Events im aktuellen Sommer aber an.
„Ein bisschen Normalität kehrt auch bei uns zurück. Im Vergleich zu 2019 liegen wir aber bei zehn Prozent der Aufträge.“
Christoph Fehrenbach, Soundstation
Martin Kranz erwartet hingegen schon den umsatzstärksten August der Firmengeschichte, was allerdings auch daran liegt, dass der August in der Branche traditionell eher schlecht ist (alle Welt macht Urlaub), jetzt aber bis auf den letzten Tag ausgenutzt wird (alle Welt befürchtet einen neuerlichen Corona-Einbruch und zieht lieber mal alle Termine vor). „Dieser positive Spirit durch die aktuellen Lockerungen überträgt sich auch auf unsere Branche.“
Bei Markus Müller von Tecstage schwebt der Spirit noch nicht mit ganz so viel Enthusiasmus durchs Büro, vor allem bleibt er nicht in den Auftragsbüchern kleben. Ja, sagt er, die Anfragen nehmen aktuell stark zu. Aber dennoch seien viele Veranstalter eher zurückhaltend, besonders beim Setzen einer fixen Unterschrift. Viel Aufwand, wenig Ertrag. Für bisschen mehr Action und Live-Acts sorgt Tecstage daher selbst. Auf dem Firmenhof haben die Auszubildenden im Frühjahr eine Bühne errichtet, eine Tribüne mit Platz für bis zu 500 Besucher aufgebaut.
Die Freispielrampe soll in erster Linie den vier Azubis dienen sich auszuprobieren, am Objekt zu lernen, praktische Erfahrungen zu sammeln, was sie ein Jahr lang nicht konnten. Mitte Juni bereits fand das erste öffentliche Konzert mit einer Coverband statt, das die Azubis in Eigenregie organisierten und umsetzten. Auch im Juli wird es weitere Auftritte geben, das ZMF etwa gastierte mit verschiedenen Künstlern. Aktuelle Corona-Verordnungen entscheiden über die Anzahl der Zuschauer. Beim Konzert im Juni etwa durften 80 Besucher mit Abstand an Zweiertischen Platz nehmen, endlich wieder Nebelmaschinenduft einatmen, Live-Musik vor Ort genießen, den wummernden Bass in den Knochen spüren. „Das war wie eine Wiederbelebung“, berichtet Markus Müller. „Davon wollen und brauchen wir mehr.“
2 Kommentare
Ich möchte in der Veranstaltungstechnik arbeiten. Auch ich habe gesehen, wie sich dieses Business wegen Corona digitalisiert hat. Ich hoffe, dass hier noch mehr Abteilungen, so wie bei Tecstage, ausgebaut werden.
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