Mit einem Dach über dem Feld trotzt Agriphotovoltaik dem Klimawandel sowie Extremwetter – und gleichzeitig verringern die Solarzellen den CO2 Ausstoß. Hört sich gut an, doch die Pioniere in Südbaden haben mit allerlei Hürden und Schwierigkeiten zu kämpfen. Eine Bestandsaufnahme.
Von JOACHIM SCHNEIDER
Tatsächlich ist es ein komplexes Unterfangen, Nutzpflanzen unter einem Dach zu kultivieren. Bei Getreide funktioniert es. In Denzlingen (und auch am Bodensee in größerer Ausführung) steht so eine Anlage. „Der Weizen sieht aus wie nebendran auch“, sagt Thomas Trenkle, Landwirt, Gastwirt und Energiewirt in Denzlingen. Wobei Energiewirt nicht ganz stimmt.
Den Strom von seinem Versuchsfeld, das der Gemeinde Denzlingen als Verpächter gehört, bekommen die Stadtwerke Emmendingen, die sich um das Organisatorische gekümmert haben: Die Bebauungsplanänderung, die Genehmigungen. Gebaut und entwickelt hat die Anlage das Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE. Im März 2020 war der Spatenstich, doch der Lockdown verhinderte erst einmal die Einreise der österreichischen Firma, die für die Stahlverankerungen zuständig war, die ohne Beton montiert werden. Nun aber läuft es, die erste Ernte mit und ohne Solar-Dach ist eingefahren.
EU blockiert Agriphotovoltaik
Warum er denn das mache, obwohl er dabei gar nichts verdient? Da lacht der alteingesessene Wirt vom Denzlinger Mauracher Hof ein bisschen, und sagt: „Zur eigenen PR“ und etwas ernster:
„Es muss ja vorwärts gehen, einer muss ja anfangen.“
Thomas Trenkle, Landwirt & Gastwirt Mauracher Hof
Aber wenn er es gewusst hätte, dann hätte er sich das vielleicht auch anders überlegt. Der Landwirt hatte seine Anbaufläche ganz normal für die EU-Zuschüsse eingereicht, doch dem Regierungspräsidium ist die Doppelnutzung aufgefallen.
Prompt hat die Landwirtschaftsbehörde nachgemessen. Und so musste Pionier Trenkle die Subvention für das Feld unter dem Sonnendach zurückzahlen. Nicht viel, aber in dem Fall mahlen die bürokratischen Mühlen offensichtlich unerbittlich. Tatsächlich scheint die EU noch nicht auf der Höhe der Zeit, was die Agriphotovoltaik angeht: Für eine so genannte Doppelnutzung von Agrarflächen sind die Subventionen immer noch ausgesetzt. Forderungen werden laut, dass die Landwirtschaftsminister der EU diese Einschränkung zurücknehmen, da sie eigentlich verhindern soll, dass Geld kassiert wird für landwirtschaftliche Flächen, die ausschließlich mit Photovoltaikanlagen bestückt sind.
Während also Bauer Trenkle dieses Jahr Hafer zu Versuchszwecken aussät und aufpassen muss, dass er das Photovoltaikgerüst nicht umpflügt – „die Maße könnten etwas passender sein“ –, steht einer kommerziellen Nutzung von mit Agriphotovoltaikpanelen überdachten Getreideanbauflächen im Prinzip nur die EU-Beschlüsse im Wege und der Wille zur Investition. Und die Vergütung der Einspeisung, denn die liegt im Moment bei ca 5 Cent pro KW.
Vor 20 Jahren, als die ersten Solaranlagen gefördert wurden, bekamen private Kleinstromlieferanten das Zehnfache. „Wir kommen gerade mal mit einer schwarzen Null heraus“, sagt Oliver Kramer vom Stromversorger und Netzbetreiber Stadtwerke Emmendingen, mit der 5 Cent Einspeisevergütung wird gerade mal der Anschluss an das Stromnetz finanziert – geschweige denn der Aufbau. Bei 21000 KW im Jahr lohnt sich eine Direktvermarktung nicht. Vernünftige Finanzierungsmodelle, Förderungen etc. lassen noch einiges zu wünschen übrig. Wer Ausstieg sagt, sollte auch für Alternativen sorgen.
Ernteertrag und Energiegewinnung in einem
Höhere Einspeisevergütungen würden auch die Experimentierfreude ankurbeln, um Verluste bei der Ernte auszugleichen. Dass Sonderkulturen wie Kartoffel oder Obst oder Ackergemüse mehr Licht brauchen als etwa Getreide ist kein Geheimnis, aber wie sich die Pflanzen unter einem Dach mit bestimmter Lichtdurchlässigkeit entwickeln, schon noch. Zumindest technisch gibt es Lösungsansätze.
Die Lücken zwischen den verschiebbaren Elementen könnten mal kleiner mal größer dimensioniert werden, es gibt Panele mit einer größeren Sonnenlichtdurchlässigkeit, die neueste Generation der Module richtet sich gegen die Sonne und lässt entsprechende Lücken. Es käme auf ein paar Versuche an: Ertrag und Energiegewinnung in Einklang zu bringen – sprich höchstmögliche Effizienz zu schaffen – ist die große Herausforderung. Das will natürlich kein Bauer zum Nulltarif oder gar mit Verlusten ausprobieren. Da müssten alle an einem Strang ziehen.
Noch spannender, weil eben effizienter und wirkungsvoller, scheint gerade deshalb die Energie gewinnende Überdachung im Obst- und Weinbau zu sein. Dort setzt der Klimawandel der Kultivierung direkt zu: Heuer verhindern Hagelnetze, dass eine Ernte komplett zerstört wird, Bewässerungsanlagen sorgen dafür, dass die empfindlichen Stöcke nicht vertrocknen.
Armin Bobsien weiß, wovon er spricht, der Klimaschutzmanager ist selber Winzer. Und er stellt auf dem Riegeler Michaelsberg ein Rebstück für die Agriphotovoltaik zur Verfügung. Der Mitgründer der Initiative Viti PV Riegel sieht hier eine einmalige Chance, in Technologie und Knowhow wieder ganz vorne mitzumischen.
Ein sonnendurchlässiges Dach über dem Rebstück könnte die Stöcke schützen vor allzu viel Hitze und zu früher Reife – „stellen Sie sich vor, wenn die Trauben schon im Bottich gären bei einer Lese im August …“. Ebenso vor zuviel Nässe, die oft auch Krankheiten mit sich bringt. Ganz zu schweigen vom Spätfrost, der ja trotz Klimawandel weiterhin auftreten kann. Doch eine „bauliche Anlage im Außenbereich“ verlangt eine Änderung des Bebauungsplanes, was zum Beispiel die reine Flächennutzung nicht braucht.
Edgar Gimbel hat schon über 20 Jahre Erfahrung im Solargeschäft. Und arbeitet mittlerweile unter dem Namen G-Sun als selbstständiger Berater für Großanlagen. Zum einen im Bereich „Floating“, das meint schwimmende Anlagen beispielsweise auf Seen und eben im Bereich Agriphotovoltaik. Auch er ist Winzer und will auf einem halben Hektar in Freiburg-Munzingen das Experiment mit überdachten Reben wagen.
Während die Stadt Freiburg, das Weinbauinstitut und der Winzer voller Enthusiasmus sind, muss der Ortschaftsrat noch seinen Segen geben für eine kleine Fläche Zukunft. Ein bisschen mehr als ein halbes Fußballfeld würde schon ordentliche Erkenntnisse bringen. „Über die Vergütung der Einspeisung wird noch verhandelt“, sagt Edgar Gimbel und rechnet vor, dass seine Altanlagen mittlerweile durch das Auslaufen des Energievertrages wieder zurückzahlen.
Solartechnik ist längst erwachsen geworden
Vier Prozent der landwirtschaftlichen Fläche könnten reichen, um das Stromproblem zu lösen. So die Rechnung des Fraunhofer Instituts für Solarforschung. Das hört sich nach sehr wenig an, doch die Felder müssen dort verortet werden, wo Strom gespeichert und verarbeitet werden kann. Doch „Landnutzungskonkurrenz“ wird dadurch vermieden, die heimischen Landwirte werden es danken.
In Japan soll es schon über 2000 APV- Anlagen geben, Shiitake und Reis gedeihen unterm Dach prächtig, im Land der aufgehenden Sonne will man mit einer attraktiven Einspeisevergütung nicht nur die Klimawende vorantreiben, sondern auch die Landwirtschaft wieder für nachkommende Generationen interessant machen. Dort sterben die Bauern langsam aus.