In der Gastronomie fehlt Personal. Dreiviertel der Betriebe im Gastgewerbe können laut IHK-Umfrage offene Stellen nicht besetzen. Was bedeutet der Mitarbeitermangel für eine Öffnung an den Weihnachtstagen: Lohnt sich der personelle Kraftakt für die Wirte?
VON KATHRIN ERMERT
Der Fachkräftemangel ist nicht neu, der lange Lockdown hat die Situation aber verschärft, weil viele Angestellte in andere Branchen abgewandert sind. Wo sie mitunter mehr verdienen und geregeltere Arbeitszeiten haben. Die ewige Krux im Gastgewerbe: Man schafft just dann, wenn andere frei haben. Gerade an Weihnachten.
Früher wurde im Gasthaus zum Kreuz oberhalb von St. Märgen immer gearbeitet, natürlich auch Heiligabend. Die Familie lief nebenher, und die Stammgäste standen sogar noch mit am Gabentisch. Daran kann Matthias Schwer sich gut erinnern. 2013 ist der heute 32-jährige Koch in den Familienbetrieb eingestiegen, nachdem er seine Ausbildung im Schlegelhof in Kirchzarten absolviert, im Freiburger Colombi und in anderen Sternehäusern gearbeitet hat. Seither hat der Junior peu à peu die Regie in der Küche übernommen und mit Veränderungen begonnen.
Auch beim Thema Öffnungszeiten. Seit einigen Jahre bewirtet das Restaurant an Heiligabend nicht mehr. Nun soll erstmals das gesamte Haus von 22. bis einschließlich 24. Dezember schließen, also auch die 15 Hotelzimmer. „Das war der Druck von meiner Generation“, berichtet Matthias Schwer. Sie wollen auch mal einen Tag frei haben an Weihnachten. Dafür arbeiten sie danach vom 25. Dezember bis 9. Januar gut zwei Wochen durchgehend ganztags und ohne die regulären Ruhetage.
„Das ist betriebswirtschaftlich wichtig“, sagt Schwer. „Da können wir hier auf dem Land richtig Umsatz machen.“ Personell funktioniert das, weil die ganze Familie anpackt: Matthias Schwer und seine Frau, Vater, Mutter, Tante, seine drei Schwestern und sogar noch die 88 Jahre alte Oma. Zusätzlich beschäftigt das Kreuz zwei feste Mitarbeiter in der Küche und ein halbes Dutzend Aushilfen im Service sowie im Hotel.
„Ohne das Selbstknechten der Familie bräuchten wir drei bis vier zusätzliche Kräfte.“
Matthias Schwer, Gasthaus Zum Kreuz in ST. Märgen
Für Manuel Häringer und sein Team ist Heiligabend seit jeher Familientag. Den ersten und zweiten Weihnachtstag aber öffnet sein Gasthaus Rössle in Elzach wie gewohnt. Und auch an Silvester. Weil er seinen zehn festen Mitarbeitern dennoch einen zusätzlichen freien Tag verschaffen wollte, hat Häringer dieses Jahr das kulinarische Angebot angepasst. Statt À la Carte gibt es am 25. und 26. Dezember mittags und abends ein Vier- beziehungsweise Fünf-Gänge-Menü, zudem einheitliche Start- und Endzeiten.
Zu schließen sei kein Thema, die Nachfrage an den Weihnachtsfeiertagen zu hoch. „Pro Tag sagen wir an den Weihnachtstagen in der Regel mehreren hundert Gästen ab“, berichtet Häringer. Während der langen Lockdownzeit hat er niemanden entlassen und nicht einmal in Kurzarbeit geschickt, sondern den Lohn normal weiterbezahlt und Minusstunden aufgebaut. Zur Beschäftigung wurden Boxen gepackt und geliefert.
Kurzfristig war diese Strategie zwar teurer als das Elzacher Restaurant ganz herunterzufahren, seit der Wiederöffnung zahlt sie sich aber aus. Häringer sagt, er habe im Gegensatz zu vielen anderen Wirten keine Personalsorgen. Er will seine Leute nicht verheizen, achtet sehr auf die Arbeitszeit und -belastung.
„Mitarbeiterwohl geht heute vor Gästewohl. Denn ohne zufriedene Mitarbeiter kann es auch keine zufriedenen Gäste geben.“
Manuel Häringer, Gasthaus Rössle in Elzach
Fritz Keller plant die Feiertage in seinen drei Häusern in Vogtsburg-Oberbergen so wie vor Corona. Das heißt: Von 21. bis einschließlich 24. Dezember feiern die insgesamt rund 65 Beschäftigten zuhause Vorweihnachten, und ab dem 25. Dezember öffnen das Sternerestaurant Schwarzer Adler, die moderne Kellerwirtschaft im Weingut sowie das bürgerliche Winzerhaus Rebstock.
„Das Weihnachtsgeschäft brauchen wir unbedingt, das ist betriebswirtschaftlich fest eingeplant.“
Fritz Keller, Schwarzer Adler/Kellerwirtschaft/Winzerhaus Rebstock in Vogtsburg-oberbergen
Und die Mitarbeiter, die lange zu Hause bleiben mussten, würden sich freuen, wieder arbeiten zu können. Ein paar freie Stellen gibt es natürlich, aber in den Topfunktionen sei man gut besetzt – mit Ausnahme der Küchenleitung der Kellerwirtschaft. Die fehlt, seit sich Amadeus Kura in Freiburg mit der Löwengrube selbstständig gemacht hat.
Nicht alle Wirte öffnen an Weihnachten. „Für uns gehört es zur Tradition, dass wir an Weihnachten schließen“, sagt Silvia Kern vom Gasthaus Zur Krone in Freiamt-Mussbach. Das letzte Mal habe sie in der Lehrzeit an den Feiertagen gearbeitet. Die freien Feiertage helfen der Krone in Sachen Fachkräftemangel.
„Für uns sind freie Feiertage ein wichtiger Aspekt, wenn wir eine Chance haben wollen, neue Mitarbeiter zu gewinnen.“
Silvia Kern, Krone in Freiamt-Mussbach
Der Hirschen in Britzingen schließt sogar ganze drei Wochen. „Wir nutzen die Zeit zwischen dem 20. Dezember und dem 10. Januar immer für ein paar Ferientage“, sagt Inhaber Martin Schumacher. Für die Mitarbeiter sei das wichtig. „Sie sich können darauf verlassen, dass es nach der Vorweihnachtszeit ruhiger wird.“