Es herrscht Ruhe im Mooswald: Stadt und SC Freiburg haben das jahrelange Verfahren zum Lärmschutz am neuen Stadion mit den Klägern aus der Nachbarschaft beendet – mit einem Vergleich. Die Chronik an Gerichtsterminen findet ihren vorläufigen Abschluss. Mit einer positiven Überraschung, die gleichwohl mit recht grundsätzlichen Zugeständnissen erworben wird.
VON RUDI RASCHKE
Für die zwei Verhandlungstage hatte das Freiburger Verwaltungsgericht bereits den großen Saal des Bürgerhauses im Stadtteil Zähringen gebucht. Mit Blick auf die Pandemie und das große Medien- und Publikumsinteresse in diesem weiteren Gerichts-Akt, der keineswegs der letzte hätte sein müssen.
Am Ende wurden beide Tage abgesagt: Überraschend hatten sich die Stadt Freiburg, der Sport-Club und die sechs unbekannten Kläger mit dem Verwaltungsgericht hinter den Kulissen auf einen Vergleich einigen können. Die Lärmschutz- Klagen gegen die vom Regierungspräsidium Freiburg erteilte Baugenehmigung sind damit Geschichte.
Für den Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn ging die Vermittlung nach seinen Angaben bereits in der Zeit rund um seinen Amtsantritt im Juli 2018 los. Er hatte damals schon den Anwohnern ein Vermittlungsangebot unterbreitet, danach sprachen wieder eher die Gerichte.
Die Chronik:
- Ein abgewiesener Eilantrag zur Bauunterbrechung im Mai 2019.
- im Oktober 2019 dann eine Entscheidung mit fehlerhafter Grundlage – das Gericht untersagte manche Abendspiele und die am frühen Sonntagmittag. Aufgrund einer Grenzwerttabelle, die sich als veraltet herausstellte. Bis der Fehler bekannt wurde, stand der SC für 48 Stunden bundesweit blamiert da. Als Klub, der für 70 Millionen Euro ein Stadion baut, das nicht mal genehmigungsfähig ist. Der Verein und die Stadt mussten öffentlich, aber möglichst geräuscharm, darauf hinweisen, dass die Richter in Mannheim geschlampt hatten.
- Im September 2020 wurde dann erst die sogenannte „Anhörungsrüge“ des Regierungspräsidiums zum Fehler-Urteil verhandelt, es blieb bei der Streichung einiger Anpfiffzeiten. Thema für das Gericht in Mannheim war nicht die eigene Fehlbarkeit, sondern eine Definitionsfrage zum „wahrscheinlich zu Unrecht“ (O-Ton der Entscheidung) als „seltenes Ereignis“ eingestuften Abendspiels. Es wirkte wie der Versuch eines Kickers, eine misslungene Schwalbe mit einer noch ungeschickteren Bewegung zu verbergen. Der Konstanzer Südkurier witterte eine „geistige Auszeit“ der Richter. Bis zur neuerlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren wären jetzt wieder fast 18 Monate vergangen. Das Stadion ist längst eingeweiht, der gewonnene Bürgerentscheid liegt sieben Jahre zurück. Statt vor Gericht traf man sich aber seit Jahresbeginn in mehreren Runden, in denen der Vergleich geschmiedet wurde.
Zusagen an den Nachbar-Stadtteil
„Tore schießen, Gräben schließen“ freestylte dann auch ein gutgelaunter Oberbürgermeister Horn am 9. Februar, zum abgesagten Gerichtstag. Er kann für sich reklamieren der Initiator des „Mooswäldischen Friedens“ zu sein, Freiburgs Rechtsamtsleiter Matthias Müller hat in zahlreichen Runden den Kompromiss mit den gegnerischen Anwälten und den Parteien ausgehandelt.
Dem Rechtsmittelverzicht der sechs Kläger stehen Zugeständnisse an den Stadtteil gegenüber, von etwaigen privaten Entschädigungen wurde nichts öffentlich. Damit könnte als bestätigt betrachtet werden, dass die Anwohner weniger ihr eigenes Auskommen als das Quartier und die Natur drumherum im Blick hatten. Sie gehen ebenso erhobenen Hauptes aus dem Verfahren wie der SC und die Stadt Freiburg.
Die Zugeständnisse an den Stadtteil sind: Sanierungsmaßnahmen an Bürgereinrichtungen und Spielplätzen in Höhe von 100.000 Euro. Eine Zusage, dass ein 10-Hektar-Waldgrundstück an der benachbarten Paduaallee in den kommenden 30 Jahren nicht bebaut wird und versucht wird, es als Vogelschutzgebiet auszuweisen.
Eine weitere Verbesserung der Verkehrslage und das Fernhalten parkender LKWs vom Stadionparkplatz. Und die Zusage, dass im Stadionumfeld und im Stadion selbst keine Konzerte ausgetragen werden bis 2032. Die benachbarte Messe ist davon nicht betroffen.
Harmonie und Nachbarschaft
Damit können zunächst alle Betroffenen ihren Stadion-Vergleich feiern. SC-Finanzvorstand Oliver Leki freut sich über künftige „gutnachbarschaftliche Beziehungen“ und die gefundene Planungssicherheit. Die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer hofft ebenfalls auf ein „konfliktfreies Miteinander“ und betont den nunmehr rechtssicheren Rahmen. Ein namenloser Kläger-Vertreter wird dahingehend zitiert, dass „nicht nur für unsere Mandanten, sondern für den gesamten Stadtteil ein Mehrwert“ geboten werde.
Als Initiator der erfolgreichen Schlichtung betont Freiburgs Oberbürgermeister Horn im Gespräch mit unserem Magazin, dass er froh sei, dass „ein jahrelanger politischer Konflikt – nicht nur mit Lärmschutzthemen, sondern sehr heterogenen Interessen“ – durch die gefundenen Lösungen beigelegt sei. Gut sei auch, dass die Einigung für alle Spiele gelte, egal ob der SC abends ran muss oder vielleicht auch mal wieder ein Länderspiel ansteht.
Martin Horn hebt die „mit Sicherheit faire Lösung“ hervor. Das ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass die Stadt sich hier mit Zusagen bindet für ein Baugebiet, das sie nicht ernsthaft in Betracht gezogen hat oder Rockkonzerte, die ohnehin nicht im Stadion geplant waren. Auch die 100.000 Euro für Stadtteil-Treffpunkte sind ein kleiner Betrag.
Was vom Klagen übrig bleibt
Und ja, es war immer das gute Recht der Anwohner zu klagen (niemand hat das je bestritten), aber es war eben auch die Klage gegen das Ergebnis eines Bürgerentscheids, den man nicht akzeptieren wollte. Was ebenfalls nicht zu vergessen ist: Am Ende blieb – nach elf Jahren Debatte – von den zahlreichen Genehmigungszweifeln vom Naturschutz bis tatsächlich nie dagewesenen Luftverwirbelungen nur noch der Lärmschutz übrig.
Dass sich Nachbarn eines Flugplatzes gegen Fußballgeräusche an geschätzt fünf Abenden und Mittagen im Jahr verwahren, ist durchaus humortauglich. Dass sie dabei auf ein Verwaltungsgericht treffen, das mit einem arg zauseligen Auftreten das Ganze um Jahre in die Länge zieht, ist es nicht. Das mögen am Ende Randnotizen sein.
Es ist aber zu beachten, dass in ähnlichen Fällen eine nicht einfache Situation für Gemeinden entstehen kann, wenn Anwohner nach Mooswald-Vorbild das St. Florians-Prinzip (neudeutsch „not in my backyard“ – „nicht in meinem Hinterhof“) anwenden: Dass hier einer Kommune neben kleineren Stadtteil- Ausbesserungen sogar Zugeständnisse in Städtebau-Dimension abgepresst werden können, wirft Schatten auf künftige große Bauprojekte.