Michael Mayer wurde in Offenburg geboren und wuchs in Appenweier auf. Er ist erfolgreicher Remixer und Produzent im elektronischen Musikgenre und leitet das Plattenlabel Kompakt in Köln. Als DJ wird er weltweit gebucht, in den ersten Monaten dieses Jahres unter anderem in Mexiko, den USA und England. Hier schreibt er über die Discos aus der Ortenau, die seine Leidenschaft für laute Musik entfachten.
VON MICHAEL MAYER
Ich hatte das Glück in den 80er Jahren in der Ortenau aufzuwachsen. Ohne der heutigen Ortenau Unrecht zu tun, war das bestimmt die Goldene Ära in Sachen Disco-Kultur. Zwischen den Fixsternen „Drops“ in Kehl-Goldscheuer, „Ocean“ in Oberkirch, „Calypso“ in Gengenbach und der oft in meiner direkten Nachbarschaft gastierenden rollenden Disco „Charly 2000“ fand meine musikalische Früherziehung statt.
Meine bis heute andauernde Leidenschaft für laute Musik und bunte Lichter wurde genau an diesen Orten entfacht. Auch der aus Frankreich herüber strahlende Piratensender „Radio Drops“ hat mich damals zwar von den Hausaufgaben abgelenkt, mich aber in Sachen DJ-Handwerk vieles gelehrt. Aus dem Erinnerungsschatz jener Jahre speist sich bis heute mein künstlerisches Tun.
Spuren von Drops‘schem Hi NRG, Italo Disco und Funk finden sich auf vielen Veröffentlichungen meiner Plattenfirma Kompakt und in meinen heutigen DJ Sets wieder, genauso wie die damaligen Sets von Frank Fischer im „Ocean“ meine eklektizistische Musikauswahl und Underground-Haltung beeinflusst haben. Bei den ersten DJ-Gehversuchen mit meiner selbstgebastelten, rollenden Disco habe ich versucht diese unterschiedlichen Einflüsse zu verbinden, ehe die musikalischen Revolutionen der späten 80er und frühen 90er mich schließlich zu dem formten, was ich heute bin.
Noch heute spuckt mein Gedächtnis plötzlich Erinnerungen an Tracks aus, die etwa ein Thomas Däne damals im Calypso spielte. Meine Jugend, also in etwa die Zeit von 1984 bis zu meinem Wegzug nach Köln im Jahre 1992, war eine wahrhaft aufregende Zeit, in der moderne Tanzmusik beinahe täglich neu erfunden wurde. Nahezu alles, wozu wir heute tanzen, wurde damals erdacht, ausprobiert und verfeinert.
Irgendwann Anfang der Nullerjahre wollte ich meiner jetzigen Gattin zeigen, wo der Tempel meiner Jugend stand, und wir fuhren nach Kehl-Goldscheuer. Der Zufall wollte es so, dass an jenem Tag die Bagger anfingen das „Drops“ abzureißen. Der Eingangsbereich war schon ein Haufen Schutt, aber wir konnten durch den Hintereingang noch ins Innere des Clubs einsteigen. Er war bereits völlig entkernt, Kabel hingen und das Wasser tropfte von der Decke, aber die Struktur war noch zu erkennen: Hier war die DJ Kanzel, hier die Rutschbahn runter auf den Dancefloor und da ging‘s zum Minidrops, da lief immer Funk.
Die Atmosphäre im Kadaver meiner alten Lieblingsdisco war unglaublich. Die Wände hatten viel gesehen in all den Jahren. Auch meine Frau, für die das „Drops“ keinerlei nostalgische Bedeutung hat, spürte die Phantome der vergangenen Zeiten. Man konnte sie regelrecht anfassen. Ich bin dankbar dafür, dass ich dabei sein durfte als diese wunderbare Diskothek, die meinen jugendlichen Geist mehr als alles andere triggerte, ihr Leben für immer aushauchte.