Zeitenwende, Energiewende, fossile Abhängigkeit: Seit Wochen beschäftigen diese Themen das Land. Wie stellt sich ein Energieversorger darauf ein? Bekommen Windanlagen neuen Schwung? Eindrücke aus der Region.
VON KATHRIN ERMERT
Der Krieg in der Ukraine und damit die Sorgen um die Energieversorgung in Deutschland waren etwa sechs Wochen alt, als Badenova Anfang April zu einer Pressekonferenz zum Thema Nachhaltigkeit einlud. Doch die Bemühungen, sich von russischen Gaslieferungen unabhängig zu machen, waren gar nicht das Thema dieser Veranstaltung, zumindest nicht das Hauptthema.
Das Unternehmen wollte vielmehr seine Aktivitäten in allen Dimensionen von Nachhaltigkeit vorstellen, also nicht nur in wirtschaftlicher und ökologischer, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Deshalb präsentierten drei junge, motivierte Badenova-Mitarbeiter bunte Tafeln und informierten über Diversität und Bewusstseinsbildung, über Beschaffung und Kreislaufwirtschaft. Fraglos wichtige Themen. Doch die Journalisten interessierten sich vor allem für ein anderes Thema: Gas.
Denn Badenova ist einer der größten Gasversorger Baden-Württembergs. Das Energieunternehmen betreibt das größte zusammenhängende Gasnetz im Ländle und setzt über seine Leitungen jährlich rund 15 Millionen Megawattstunden (MWh) Erdgas ab. Das entspricht laut Badenova-Vorstand Heinz-Werner Hölscher 22 Prozent des Gasverbrauchs im Land. Knapp zwei Drittel davon, etwa 10 Millionen MWh gehen an Geschäftskunden.
Der Gasabsatz ist tendenziell stetig gestiegen. Die Infrastruktur wurde laut Hölscher in den zurückliegenden Jahrzehnten massiv ausgebaut. Bis zum 24. Februar galt Erdgas als Brückentechnologie, als unverzichtbarer Teil der Energiewende nach dem Ausstieg aus Atomkraft und Kohle. Denn Erdgas hat im Vergleich mit anderen fossilen Energien eine wesentlich bessere Klimabilanz, erklärte Hölscher. Der Kohlendioxidausstoß liege etwa 30 Prozent unter dem von Erdöl.
Biogas kann keinesfalls Erdgas kompensieren
Nach wie vor gehen rund ein Drittel der Badenova-Investitionen ins Erdgas. Sie dienen in erster Linie dem Erhalt der Leitungsinfrastruktur, betonte Hölscher: „Wir können nicht einfach die Netze nicht pflegen. Wir haben eine gesetzliche Aufgabe in der Daseinsvorsorge.“ Die beinhaltet auch den Schutz bestimmter Verbrauchergruppen im Krisenfall, falls das Gas nicht für alle reicht. Dazu gehören Haushalte, soziale Einrichtungen, etwa Krankenhäuser, und Gaskraftwerke, die zugleich der Wärmeversorgung von Haushalten dienen.
So definiert es der Notfallplan Gas der Bundesnetzagentur. Bislang war der eine abstrakte Vorstellung, nun rückt das Worstcase-Szenario näher. Zwar betonte die Bundesnetzagentur Anfang Mai noch, dass „die Versorgungssicherheit in Deutschland derzeit gewährleistet“ sei und die Einstellung von russischen Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien bislang keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland habe.
Dennoch wird seit Wochen der Notfall konkretisiert, eine sogenannte Abschaltkaskade erarbeitet. Darin sei Badenova, wie andere Energieversorger auch, eingebunden, berichtete Hölscher: „Es finden täglich Abstimmungen statt.“ Parallel spreche man mit jenen Kunden, die möglicherweise als erstes kein Gas mehr bekommen. Zu Details und Inhalten dieser Gespräche äußerte der Badenova-Vorstand sich nicht. Er betonte, dass Erdgas auch „perspektivisch eine Rolle spielt“, zumal Deutschland ein Importland von Primärenergien sei.
Hölscher sprach aber auch davon, lokale Energiequellen zu schaffen, um Abhängigkeiten zu reduzieren. „Alle Kundengruppen können auch Biogas wählen“, teilte Pressesprecherin Yvonne Schweickhardt auf Nachfrage mit. Badenova biete verschiedene Tarife dafür an, von 10-Prozent-Beimischung bis zu 100 Prozent Biogas. Allerdings stehen laut Badenova-Website die Biogastarife aktuell nicht zur Verfügung. Mengenmäßig kann Biogas keinesfalls Erdgas kompensieren. In den drei Biogasanlagen in Bremgarten, Neuried und Forchheim erzeugt Badenova jährlich etwa 81.000 MWh. Das ist kaum mehr als ein halbes Prozent dessen, was Badenova an Erdgas verkauft.
Lange Planungs- und Genehmigungsverfahren
Beim Strom sieht es besser aus. Etwa sechs Prozent des von Badenova verkauften Stroms sind selbst erzeugter Ökostrom. Insgesamt verkauft Badenova aber weit mehr Strom aus erneuerbaren Quellen. Privatkunden erhalten seit 2008 ausschließlich Ökostrom, bei Geschäftskunden liegt der Anteil laut Schweickhardt bei knapp 39 Prozent. Somit sind etwa 65 Prozent des von Badenova verkauften Stroms Ökostrom – mehr als im Landesschnitt (laut Ver-band für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg: 41 Prozent).
Der Anteil steigt zwar stetig, allerdings nicht so schnell wie es angesichts der Zeitenwende notwendig wäre. Insbesondere der Ausbau der Windenergie geht in Baden-Württemberg langsam voran. Das liegt an langen Planungs- und Bauzeiten. Bei dem vergangenen Herbst von Badenova eingeweihten Windpark Hohenlochen in der Ortenau beispielsweise lagen sechs Jahre zwischen dem Beginn der Planungen und der Inbetriebnahme.
Die grün-schwarze Koalition will die Verfahren deutlich beschleunigen und hat dafür im März ein Gesetz auf den Weg gebracht, um die Verwaltungsgerichtsordnung zu ändern. Man will beim Neubau von Windkraftanlagen das sogenannte Widerspruchsverfahren abschaffen. Die Erfahrung zeige, so heißt es von Grün-Schwarz, dass die meisten Windkraftanlagen ohnehin vor Gericht beklagt würden. Dadurch hätten die Widerspruchsverfahren keine Wirkung, seien nur ein Umweg bis zur Klage und führten zu längeren Verfahren. Die Gesetzesänderung für diesen „Planungsturbo“ soll im Herbst in Kraft treten.
A propos Klage: Auch die Prozesse gegen Anlagen will die Landesregierung verkürzen. Laut Christoph Sennekamp ist das Freiburger Verwaltungsgericht (VG) nicht mehr für Klagen gegen den Bau von Windkraftanlagen zuständig. Wie der VG-Präsident bei der Jahrespressekonferenz seines Hauses mitteilte, ist seit 2021 der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim Erstinstanz für immissionschutzrechtliche Verfahren. Für Windkraft werde dort seiner Darstellung nach ein eigener Senat eingerichtet, um Verfahren zu beschleunigen. In Freiburg werden nur noch Bestandsverfahren verhandelt. Hier lag die durchschnittliche Dauer von Bauverfahren vergangenes Jahr bei 13,2 Monaten. Diese Zeit soll laut Sennekamp halbiert werden.
Dennoch fällt das Fazit ernüchternd aus: Nach fast drei Monaten Krieg ist die Energiewende nicht wesentlich vorangekommen. Statt auf die staatliche Ebene zu warten, haben manche Firmen sie längst selbst in die Hand genommen, wie das Beispiel Elztalhotel in dieser Ausgabe zeigt. Vor allem familiengeführte Unternehmen gehen in Sachen Nachhaltigkeit voraus. Sie denken in Generationen, nicht in Quartalen.