Wasserkraft wurde schon vor Jahrhunderten genutzt – lange bevor es ein Problem mit fossilen Brennstoffen und eine Klimakrise gab. Heute kämpft die Wasserkraft gegen Widerstände und findet kaum politischen Zuspruch. Manfred Volk will das ändern. Daran arbeitet er seit über 40 Jahren.
VON CHRISTINE WEIS
Die Elz entspringt im Gebiet Rohardsberg nördlich von Furtwangen und mündet nach 95 Kilometern bei Non-nenweier in den Rhein. Noch ziemlich am Anfang ihrer Flussreise zwischen Niederwinden und Gutach wird die Elz zur Energiequelle: Dort wird ein Teil des Fließwassers gestaut, läuft durch einen feinen Rechen, der keine Fische schreddert, sondern Äste, Laub und Müll filtert. Mit einer Fallhöhe von zwölf Metern strömt das Wasser durch ein Rohr, das unterirdisch etwa einen Kilometer in den Kopfbau der Firma Wasserkraft Volk (WKV) führt.
Hier bringt das Elzwasser zwei Turbinen ins Rotieren. Diese Bewegungsenergie wandeln wiederum zwei Generatoren in Strom um. Das Wasser hat seinen Dienst getan und fließt über ein weiteres Rohr wieder zurück in die Elz. So funktioniert, vereinfacht dargestellt, das Prinzip der Wasserkraft. WKV erzeugt auf diese Weise mit der hauseigenen Anlage jährlich rund 1,7 Millionen Kilowattstunden Strom (kWh) – fast doppelt so viel wie die Schwermaschinenfabrik selbst verbraucht.
El Palagua ist ein Fluss in Honduras – auch sein Wasser wird zur Energiegewinnung genutzt. Eine Anlage von Wasserkraft Volk erzeugt dort jährlich etwa 55.000 Megawattstunden. Indirekt ist es also auch die Elz, die im tropischen Regenwaldgebiet für eine emissionsfreie Energieerzeugung sorgt. Über 700 kleinere und mittlere Wasserkraftwerke mit bis zu 25 Megawatt Einzelleistung „Made by WKV“ sind in rund 50 Ländern weltweit im Einsatz.
Aktuell erwirtschaften die rund 140 Mitarbeiter jährlich 24 Millionen Euro Umsatz. Im Schnitt sind das etwa zwölf Projekte, wobei das gerade in Pandemie- und Kriegszeiten schwanke. Nach dem Prinzip „Water to wire“ übernimmt WKV die komplette Planung und Herstellung sowie die Montage und Inbetriebnahme vor Ort. Einzigartig ist nicht nur, dass die Wasserkraftanlagen mit Wasserkraft erzeugt werden, WKV ist nach eigenen Angaben auch der einzige Turbinenhersteller mit eigenem Generatorenbau. Die Farben der Montagegebäude der „Zukunftsfabrik“, wie WKV sich nennt, im Gewerbegebiet Stollen veranschaulichen die beiden Komponenten: Turbinen werden in der blauen Halle hergestellt, Generatoren im roten Komplex.
„Ich verlange, dass die Wasserkraft mit den anderen regenerativen Energien wie Wind und Sonne gleichgestellt wird.“
Manfred Volk, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Wasserkraft Volk AG
Ingenieur Lukas Müller ist einer der Inbetriebnehmer. Seine Schilderungen einzelner Projekte gleichen spannenden Reisereportagen. Er war in Albanien, Chile, Ecuador, Guatemala, Panama oder der Türkei. Eines der eindrücklichsten Projekte befindet sich im Kongo. Die Wasserkraftanlage am Rande des Nationalparks Virunga wurde installiert, damit Strom als wirtschaftliche Grundlage dient und die Bevölkerung den Regenwald weder für Brennholz noch für Ackerbau rodet. Auf diese Weise wird der Lebensraum der vom Aussterben bedrohten Berggorillas geschützt.
Von Gutach in die Welt
Viele der hauptsächlich internationalen Kunden kommen zunächst nach Gutach gereist, um sich von der Produktion und Technik zu überzeugen. Nicht nur die Fertigung sowie die eigene Anlage soll Eindruck machen – auch die Architektur der Fabrik ist herzeigbar. Der von Senior Karl Volk und dem Gutacher Architekten Klaus Wehrle entworfene Firmenkomplex ist mit Abwärme, Erdwärme, Regenwassernutzung, Solarkollektoren, Dachbegrünung und Dämmung energetisch und ökologisch ausgetüftelt sowie zu 60 Prozent aus heimischem Holz gebaut.
Aktuell wird eine Anlage in rund 50 riesige Holzkisten versandfertig verpackt. Die Fuhre geht nach Laos. Wann sie dort ankommt, ist noch nicht klar. Die von WKV garantierte Lieferzeit beträgt je nach Projektgröße zehn bis 15 Monate und wird bis zum europäischen Exporthafen berechnet. Lukas Müller macht vermutlich schon Reisepläne nach Südostasien.
Warum Wasserkraft unpopulär ist
Doch wie sieht es hierzulande mit der Wasserkraft aus? Firmengründer und Unternehmenschef Manfred Volk reißt bei der Frage die Hutschnur. Politik, Behörden, Umweltschützer – sie alle würden der Wasserkraft Steine in den Weg legen. Obwohl diese Art der regenerativen Energiegewinnung nachweislich weder dem Fischbestand noch den Gewässern schade. Es fehle ein reguliertes Verfahren für die Wasserkraft. Anträge zur Baugenehmigung würden beim Wasserwirtschaftsamt und der Fischereibehörde jahrelang hin- und hergeschoben.
Volk benennt noch ein weiteres Problem, er drückt es mit einem badischen Spruch so aus: „Einem alten Weib rennt keiner hinterher.“ Die Wasserkraft sei die älteste Technologie der regenerativen Energieerzeugung – aber sie habe hierzulande keine Lobby. Wasserstoff, Windkraft oder Photovoltaik seien „hipper“. Dabei habe die Wasserkraft einen unschlagbaren Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent.
Volk rechnet vor, dass die kleine Wasserkraft ökologisch verträglich in Deutschland die Leistung von zwei Atomkraftwerken erbringen könnte. Weltweit wären 90 Prozent der gesamten Energieversorgung möglich, tatsächlich seien es jedoch gerade mal nur 17 Prozent.
„Wasserkraft ist die vergessene Energie, die ungenutzten Ressourcen sind enorm.“
Manfred Volk
Er macht seine Forderung an die Politik konkret: „Ich verlange, dass die Wasserkraft mit den anderen regenerativen Energien wie Wind und Sonne gleichgestellt wird.“ Die Öffentlichkeit müsse mehr und besser über die Funktionsweise von Wasserkraft informiert werden. Diesen Appell richtet er auch an die Presse.
WKV-Anlagen ersetzen in der Welt mittlerweile die Leistung von eineinhalb Atomkraftwerken
Aus Protest gegen das Osterpaket von Wirtschaftsminister Robert Habeck hat Volk bereits zum wiederholten Mal alle Bundestagsabgeordneten angeschrieben. Dabei lud er die Fraktionsmitglieder nach Gutach ein, um ihnen die Wirkweise von Wasserkraft zu demonstrieren. In der als Osterpaket bezeichneten vorgelegten Gesetzesnovelle zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien ist die Förderung von Wasserkraft ausgeschlossen. Die Rückmeldungen nach Gutach seien bis dato bescheiden, etwa 20 Abgeordnete hätten reagiert. Volk gibt sich dennoch kämpferisch. Er habe schon viel geschafft und rechnet vor, dass WKV-Anlagen in der Welt mittlerweile die Leistung von eineinhalb Atomkraftwerken ersetzen.
Am Anfang war der Bach
Angefangen hat der überzeugte Umweltaktivist, Selfmademan und Vater von vier Kindern 1979 in einer kleinen Werkstatt in Simonswald – heute würde man dazu Start-up sagen. Im Jahr 2000 wurde dann die Fabrik in Gutach eröffnet. Am Standort Simonswald gibt es noch ein Versuchslabor und die Elektroabteilung für den Schaltanlagenbau.
Die ersten Aufträge für Turbinen erhielt Volk aus der Nachbarschaft. Denn die ursprüng-liche Anlage entwickelte er zur privaten autarken Versorgung seines abgelegenen Wohnhauses im Ortsteil Haslach – das Werk mit Vorbildcharakter läuft noch heute. Das Wasser dafür entleiht er dem Gfällbach, dieser fließt in die Wilde Gutach und dann in die Elz.