Seit 2005 findet der Freiburger Mittelstandskongress jährlich mit hochkarätigen Referenten statt, in diesem Jahr am 12. Oktober im Konzerthaus Freiburg und erstmals unter der Regie der Zentgraf Gruppe.
Unter den Referenten ist Heiko Roehl, Mitgründer und Geschäftsführender Gesellschafter von Kessel & Kesselin Berlin. Ein Gespräch über die Schwerpunkte seiner Arbeit, die Begleitung von Organisationen in tiefgreifenden Veränderungen.
In Ihrem Vortrag beim Freiburger Mittelstandskongresssprechen Sie zu Kompetenzbedarfen in einer zunehmend unübersichtlichen Welt. Wie können diese Bedarfe ermittelt werden?
Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass die Welt von morgen noch so aussieht wie die von heute. Da reicht ein Blick in die Nachrichten. Andererseits handeln wir im Grunde immer noch so, als bliebe alles grundsätzlich so, wie es war. Vielerorts gilt die Annahme, dass sich das alles irgendwann wieder beruhigen wird. Noch nie aber steckte so wenig verlängerte Gegenwart in unserer Zukunft. Wir müssen feststellen, dass die herkömmlichen Methoden der Unternehmensplanung in diesen Zeiten zu kurz greifen. Deshalb verlangt auch die Frage nach den zukünftigen Kompetenzbedarfen ein grundlegendes Umdenken. Heute geht es vielmehr darum, in Szenarien zu denken und möglichst viele Perspektiven im Unternehmen ins Gespräch zu bringen.
Wie können gerade die angesprochenen Mittelständler Ihr Thema „heute wissen, was morgen zählt“ nutzen?
Wird zunächst einmal akzeptiert, – und nicht beklagt – dass die Welt zunehmend komplexer und unsicherer wird, dann öffnet das ausgesprochen spannende Perspektiven für die Frage der Unternehmenssteuerung. Hier sind zwei Beispiele, erstens: Die Zeit der Helden ist vorbei. Es wird zukünftig viel mehr darum gehen, gemeinsam im Führungskreis in einen guten Zukunftsdialog zu kommen und die Annahmen darüber, was morgen zählt, ins Gespräch zu bringen. Klingt einfach, die Praxis zeigt: Das ist oft leichter gesagt als getan.
Und zweitens, von der Planung zur Improvisation: Mehr Ausprobieren, Experimente, Pilotprojekte lautet die Devise. Lernfähigkeit wird Schlüsselkompetenz in allen Bereichen. Da haben Unternehmen mit offenen und übergreifenden Lern- und Kommunikationskulturen natürlich deutliche Vorteile. Diese Kulturen müssen gestaltet werden.
Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann sagt in einem Gespräch mit Ihnen, dass selbst die Führung großer Organisationen mit Veränderungen hadert. Haben es kleine und mittlere Unternehmen denn leichter?
Das lässt sich nicht pauschalisieren. Natürlich kennen Sie die Geschichte vom Tanker, der einen fünf Kilometer langen Bremsweg hat. Das bedeutet aber nicht, dass das Schnellboot zwangsläufig wendiger sein muss. Wenn dort ein Kapitän den Eisberg nicht kommen sieht, nützt alle Wendigkeit nichts. Generell gilt: Unternehmen, die in der Vergangenheit produktive Transformationserfahrungen gemacht haben, haben eine deutlich bessere Überlebenschance.
INTERVIEW: RUDI RASCHKE