Das Klischee hat vielfach ausgedient: Frauen sind im Handwerk längst nicht mehr nur die rechte Hand des Ehemanns und kümmern sich um die Buchhaltung. Das zeigt ein Blick in die Ortenau. Ein Netzwerk hilft ihnen dabei. Drei Beispiele aus der Region belegen das.
VON SUSANNE MAERZ
Sie „machen das Büro“, „stehen hinter ihren Männern“ oder „halten ihm den Rücken frei”. Dies ist die überlieferte Vorstellung von Ehefrauen oder Töchtern in Handwerksbetrieben. Das Selbstverständnis von Julia Ritter ist ein anderes: „Wir stehen neben unseren Männern und jeder macht, was er gut kann“, sagt sie. Die 47-jährige Betriebswirtin führt die Ritter-Bau GmbH in Schutterwald mit ihrem Mann „gemeinsam“, wie sie betont.
Nach dem Studium stieg der Bauingenieur Mathias Ritter in das Familienunternehmen ein, das sein Vater in den 1970er- Jahren gegründet hatte. Julia Ritter arbeite noch zwei Jahre in einer Tourismusorganisation. Nebenher begann sie, die Buchhaltung und Lohnabrechnung für den Betrieb zu machen. „Irgendwann war klar: Die Verantwortung für die große Firma müssen wir gemeinsam schultern“, sagt sie. Also kündigte Julia Ritter ihren Job und stieg ins Bauunternehmen mit seinen durchschnittlich 45 fest angestellten Mitarbeitenden ein.
Ihr Mann verantwortet das Technische und Julia Ritter das Personal inklusive Buchhaltung und Lohnabrechnung. Geschäftsführer und Inhaber ist offiziell nur Mathias Ritter. Bei der später gegründeten Firma Ritter Recycling + Containerdienst mit rund zehn Beschäftigten ist dies umgekehrt. Für Julia Ritter sind dies Formalitäten, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen gewählt wurden.
Gleicher Stellenwert wie der Ehemann
Bei Marianne Felder, Geschäftsführerin der auf Sieb- und Textildruck spezialisierten Felder GmbH aus Rheinau, ist dies anders. Die 65-Jährige setzte vor über 30 Jahren durch, auch formal im Unternehmen denselben Stellenwert wie ihr Mann Roland zu bekommen. „Mach nicht den gleichen Fehler wie wir“, hatten ihr Frauen eingeschärft, die sie beim Arbeitskreis Offenburg der Unternehmerfrauen im Handwerk (UFH) kennengelernt hatte.
Denn damals – und oft auch noch heute – arbeiteten Frauen im Betrieb des Ehemanns häufig neben der Kindererziehung in Teilzeit mit, ohne formell angestellt zu sein, Gehalt dafür zu beziehen, geschweige denn in die Rentenkasse einzuzahlen. Im Falle einer Scheidung fatal. Und für das eigene Selbstverständnis ebenfalls.
Bei den „UFH“ hatte Marianne Felder erstmals Frauen getroffen, die sich in derselben Situation befanden wie sie. Und ein Forum zum Informieren, Austauschen und Netzwerken. Letzteres, so ein weiteres Klischee, beherrschen und betreiben Frauen weit weniger gut als Männer. Die Handwerkskammer Freiburg, die in den 1970ern verschiedene regionale Arbeitskreise für Frauen ins Leben gerufen hat, hat einen Teil dazu beigetragen, dass es nicht überall so ist. Marianne Felder ist ihr dafür bis heute dankbar.
Jede vierte Gründung von einer Frau
Nach wie vor machen sich Handwerkerinnen am häufigsten mit einem Friseursalon, einer Konditorei oder als Raumausstatterin selbstständig. Aber die Zahl der Malerinnen oder Stuckateurinnen, die sich selbstständig machen, nimmt zu. Laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) steckt hinter jeder vierten Gründung im Handwerk eine Frau. Und jeder fünfte Handwerksbetrieb wird von einer Frau geführt. Für den Verband eine gute Entwicklung, aber noch nicht genug. So heißt es auf der Website: „Das Handwerk braucht noch mehr Frauen – besonders in Führungspositionen und als Unternehmerinnen.“ Die vielfach kleineren Handwerksunternehmen sind zu 75 Prozent Familienbetriebe, die de facto Ehepartner gemeinsam führen. Egal, was im Registereintrag steht.
Die 28-jährige Katrin Felder, jüngste der drei Kinder der Druckerei-Inhaber aus Rheinau, wird einmal im Impressum stehen. Im Zuge der Altersnachfolge – Gründer Roland Felder schied 2017 aus – wurde das Unternehmen aufgeteilt. Das eine, Felder Offsetdruck, führt ihre Mutter Marianne Felder nun gemeinsam mit dem ältesten Sohn Stephan. Das andere, Felder Sieb- und Textildruck, leitet Marianne Felder derzeit alleine. Katrin Felder ist aber schon als Gesellschafterin daran beteiligt und arbeitet als Assistentin ihrer Mutter, der sie einmal nachfolgen wird. „Musst Du oder willst Du?“, fragt Marianne Felder beim Interviewtermin, als die Sprache auf die Nachfolge kommt. „Ich darf“, antwortet die Tochter.
Mit Babyphone im Büro
„Sie hat mir immer vorgelebt, was möglich ist“, sagt Katrin Felder über ihre Mutter. Und diese: „Ich habe immer versucht, meine Tochter darin zu bestärken, was sie kann.“ Marianne Felder selbst arbeitete als Bankkauffrau, als ihr Mann die Druckerei gründete. Anfangs stand es außer Frage, dass sie ihre Stelle erstmal behielt. „Einer musste ja das Geld nach Hause bringen.“ Sie stieg erst später ganz ins Unternehmen ein. So wie auch Julia Ritter.
Beide zogen parallel zur Arbeit im Betrieb jeweils drei Kinder groß. In einer Zeit, in der es – vor allem auf dem Land – keine Ganztagsbetreuung gab. Marianne Felder ärgerte es immer, wenn andere Mütter, die zuhause blieben, zu ihr sagten: „Du kannst es Dir ja einteilen.“ Das habe zwar gestimmt, sagt sie. „Aber ich saß regelmäßig von 20 Uhr bis Mitternacht im Büro, das Babyphone neben mir.“ Julia Ritter hat bis heute im Wohnhaus der Familie einen Heimarbeitsplatz. Sie könne jederzeit von überall aus arbeiten, wenn es nötig sei. Das gemeinsame Mittagessen mit ihrem Ehemann und den Kindern im Teenageralter ist ihr nach wie vor wichtig.
Austausch unter Gleichgesinnten
Bei Felders war es hilfreich, dass die Familie über dem Betrieb wohnte. So war Marianne Felder schnell zur Stelle, wenn es bei den Hausaufgaben klemmte oder das Essen gekocht werden musste. „Meine Mutter war immer für mich und meine Geschwister da“, sagt Katrin Felder. Nach der Schule versuchte sie sich mit einer kaufmännischen Ausbildung. So wie es ihr die Mutter geraten hatte. „Das war aber nichts für mich“, sagt Katrin Felder. In der Arztpraxis, in der sie zur medizinischen Fachangestellten ausgebildet wurde, lernte sie aber ebenfalls Organisatorisches und anderes, was ihr nun in der Druckerei hilft. Nach und nach übertrug ihr die Mutter dort mehr Aufgaben und Verantwortung.
Außerdem nahm sie die Tochter zu den Treff en der Unternehmerfrauen aus Offenburg und Umgebung mit, bei denen Katrin Felder inzwischen ebenfalls Mitglied ist. Dort kommen nach wie vor einmal im Monat Unternehmerinnen sowie Ehefrauen, Töchter oder Schwiegertöchter, die im Handwerksbetrieb des Ehemanns oder Vaters mitarbeiten, zusammen. Rentnerinnen genauso wie Aktive.
Julia Ritter, 1. Vorsitzende des Arbeitskreises, wünscht sich mehr junge Frauen. Bei den Vorträgen informieren sich die Frauen über Themen wie IT-Sicherheit, steuerliche Änderungen und Unternehmensnachfolge. Sie äußern sich zu politischen Themen und unternehmen gemeinsam Reisen oder Ausflüge. Mit am wichtigsten, sagt Julia Ritter, sei der Austausch.