Die Nachricht sorgte im August für Aufsehen: Märtin, der Platzhirsch unter den BMW- und Minihändlern, hat seine Autohäuser in Freiburg, Bötzingen und Emmendingen an die Alphartis-Gruppe aus Horb verkauft. Tobias Gutgsell, der Geschäftsführer bleibt, über die Gründe für diese Entscheidung, Herausforderungen und Veränderungen im Autohandel.
INTERVIEW: KATHRIN ERMERT
Das Kartellamt hat dem Verkauf zugestimmt und seit 1. Oktober haben Sie einen neuen Eigentümer. Was hat sich damit geändert?
Fürs Autohaus faktisch nichts. Weder für Mitarbeiter, noch für Kunden, noch für Geschäftspartner. Wir heißen weiterhin Märtin und bleiben rechtlich eine selbstständige GmbH, deren Anteile nun einem anderen Gesellschafter gehören. Das ist ein Novum für Alphartis. Bislang wurden die Autohäuser in die Töchter ahg und bhg integriert. Märtin steht daneben als eigenständige Tochter. Auch beim Gebäude ändert sich nichts. Es gehört weiterhin der Allmend Grundstücks- und Dienstleistungsgesellschaft von Hansjörg Märtin. Die Märtin GmbH war vorher schon Mieter und bleibt es auch.
Hansjörg Märtin hatte sich 2016 aus der operativen Geschäftsführung zurückgezogen, begleitete sein Unternehmen aber noch als Vorsitzender des Unternehmensbeirats. Welche Rolle spielt er künftig?
Er hat in der Märtin GmbH keine rechtliche und auch keine beratende Funktion mehr. Mit der Allmend GmbH bleibt er aber weiterhin im Haus und ist derzeit häufig da, weil die Abwicklung noch läuft.
„Mobilität wird die Menschen auch in zwanzig Jahren bewegen. Ich weiß aber nicht, in welcher Form.“
Tobias Gutgsell, Geschäftsführer Autohaus Märtin
Der Verkauf hat relativ kurz nach dem Bezug des Neubaus 2018 in der Hermann-Mitsch-Straße überrascht. Gibt es da einen Zusammenhang, hatte Märtin sich übernommen?
Nein. Familie Märtin ist und bleibt Eigentümerin der von uns genutzten Immobilien in Freiburg, Bötzingen und Emmendingen. Die Entscheidung für den Neubau in Freiburg war schon 2012 gefallen, weil unser Pachtvertrag am vorherigen Standort in der Breisacher Straße nicht verlängert worden war. Damals war klar gewesen, dass wir ein Autohaus der Zukunft bauen müssen, ein Multifunktionshaus mit einem klaren Bekenntnis zur Mobilität – gerade auch in der grünen Stadt Freiburg.
Was waren dann die Gründe für den Verkauf?
Der Schritt von Hansjörg Märtin aus der operativen Geschäftsführung hat sicher dazu beigetragen. Er hatte im Oktober 2021 seinen 60. Geburtstag gefeiert. In dem Alter müssen Inhaber von BMW-Autohäusern dem Hersteller eine Nachfolgeregelung bekanntgeben. Für diese Entscheidung hat sich Hansjörg Märtin zusammen mit seiner Familie vergangenen Herbst eine Auszeit genommen. Danach war klar: Ein Autohaus zu führen, kommt nicht in den Lebensplänen seiner beiden Töchter vor.
Was ist mit Ihnen – hätten Sie es übernehmen können?
Das Angebot gab es. Ich bin ja auch schon seit 22 Jahren im Unternehmen, und Hansjörg Märtin ist eine Art Ziehvater für mich. Ich habe ernsthaft darüber nachgedacht, wollte diesen Schritt in letzter Konsequenz aber nicht gehen. Der Verkauf war eine gemeinsame Entscheidung. Die Branche befindet sich in einem extremen Wandel, der auch bei BMW voranschreitet und in dem ein kleines Autohaus schlechter aufgestellt ist als große Handelsgruppen.
„Für kleinere Einheiten ist es schwieriger, die notwendigen Investitionen zu stemmen.“
Tobias Gutgsell, Geschäftsführer Autohaus Märtin
Ist Märtin mit 180 Mitarbeitenden an drei Standorten denn ein kleines Autohaus?
Vor zehn Jahren hätte ich nein gesagt. Heute sage ich ja – angesichts der Vielfalt an Herausforderungen, vor denen wir stehen: Digitalisierung, Fachkräftemangel, neue Vertriebsstrukturen, in denen die Hersteller eine größere Rolle spielen wollen, Stichwort: Agenturmodell. Wir können zwar als eines der wenigen Häuser heute schon Autos online verkaufen, zumal Hansjörg Märtin das Unternehmen so zukunftsfähig aufgestellt hat, dass es jemand anderes gut fortführen kann. Aber dennoch ist es für kleinere Einheiten wie uns schwieriger, die notwendigen Investitionen zu stemmen. Die logische Konsequenz war, einen Partner zu suchen, der das Unternehmen in die Zukunft führen kann.
Das heißt, Märtin hat Alphartis gefunden, nicht umgekehrt?
Es war gegenseitig. Wir wussten, dass seitens Alphartis Interesse besteht. Und die Hersteller hatten auch ein Wort mitzureden. Wir wollten keinen Investor, sondern einen Partner, der mit uns in die Zukunft geht, der auch die Mobilität im Blut hat und möglichst nicht am anderen Ende der Republik sitzt. Den glauben wir mit Alphartis gefunden zu haben. Da sehen wir Riesenchancen und auch Synergieeffekte. Mit der Größe der Gruppe haben wir jetzt ein ganz anderes Gewicht, auch den Herstellern gegenüber.
Wie haben die Mitarbeitenden die Nachricht des Verkaufs aufgenommen?
Für viele war es schon erstmal ein Schock, auch wenn klar war, dass dieser Schritt irgendwann kommt. Trotz der Chancen, die der Prozess bietet, bringen Veränderungen immer auch Sorgen mit sich. Wir haben deshalb großen Wert auf die interne Kommunikation gelegt und uns den Rat von anderen Händlern, die diesen Prozess schon hinter sich haben, eingeholt. Außerdem haben wir schnell Verbindungen von Mensch zu Mensch hergestellt, haben dem Unbekannten ein Gesicht gegeben, indem die Alphartis-Mitarbeiter, mit denen wir zu tun haben, sich vorgestellt haben.
Hat Märtin etwas falsch gemacht? Hat die Automobilbranche den Klimawandel verschlafen?
Aus meiner Sicht hat BMW nichts falsch gemacht. Und wir als Autohaus Märtin kümmern uns schon lange um verschiedene Formen der Mobilität. Zum Beispiel haben wir fünf Jahre lang ein Kompetenzzentrum für behinderten- und altersgerechte Fahrzeuge betrieben. Und wir haben früh auf Carsharing und E-Mobilität gesetzt. BMW hatte 2013 als erster Hersteller serienmäßig ein E-Auto auf dem Markt – lange vor Tesla. Die Verbraucher haben damals aber nicht angenommen, und ein Unternehmen muss gewinnorientiert arbeiten.
Welches Auto fahren Sie selbst?
Überwiegend einen elektrischen Mini. Damit ist die Heimfahrt nach Pfaffenweiler reine Entspannung. Für längere Strecken nehme ich auch mal den Zug, damit ich die Zeit effektiv nutzen kann. Wenn das autonome Fahren kommt, geht das mit dem eigenen Fahrzeug.
Sie sind seit gut zwanzig Jahren bei Märtin und haben wahrscheinlich ebenso viele Jahre vor sich. Wo sehen Sie die Automobilbranche dann?
Das kann man nicht sagen. Wir werden in den nächsten zehn Jahren wahrscheinlich größere Veränderungen erleben als in den zurückliegenden hundert. Wer hätte vor Kurzem gedacht, dass E-Autos sich doch so schnell durchsetzen? Ich bin überzeugt: Mobilität wird die Menschen auch in zwanzig Jahren bewegen, weiß aber nicht, in welcher Form. Das finde ich besonders spannend.
Welchen Anteil am Umsatz macht Märtin bisher mit E-Fahrzeugen und anderen Formen der Mobilität wie Carsharing?
Vierzig Prozent der Neuwagen, die wir verkaufen, sind elektrifiziert, Tendenz steigend. Damit liegen wir deutlich über den Zahlen des BMW-Konzerns und anderer Hersteller. Zudem engagieren wir uns auch in der geteilten Mobilität. Gerade läuft das Pilotprojekt Auto-Abo. Es liegt mit einer Mindestdauer von drei Monaten zwischen Mietwagen und Leasing. Wie beim Carsharing ist es aber auch hier nicht einfach, Erträge zu machen. Ich glaube, dass es den kompletten Wechsel vom Besitzen zum Nutzen, wie wir ihn bei den Streaming-Diensten in der Musik gesehen haben, beim Auto nicht geben wird. Wie die Mobilität sich verändert, wird der Markt entscheiden.