Auerhahn und Windrad sind die in Südbaden wohl bekanntesten Beispiele für das Spannungsverhältnis zwischen Bauvorhaben und Tierschutz. Beim Regierungspräsidium Freiburg ist es aber die Fledermaus, die in solchen Fällen die meisten Herausforderungen birgt, wie die Biologin Vera Leinert aus dem Naturschutzreferat erzählt.
INTERVIEW: DANIEL RUDA
Öffentliche Bauvorhaben versus Tier- und Naturschutz: Sind das zwei Belange, die schwierig zusammenzubringen sind?
In unserem Referat kennen wir es nicht anders, denn wir kommen ja immer ins Spiel, wenn dies der Fall ist. Natürlich gibt es da sehr oft große Herausforderungen, denn der Artenschutz muss immer berücksichtigt werden. Egal ob es um den Bau von Windrädern, den Ausbau der Rheintalbahn, die Elektrifizierung der Hochrheinbahn oder den geplanten Abriss einer alten Scheune geht. Dass die Fledermäuse so große Beachtung finden, liegt unter anderem daran, dass sie ein besonders schützenswert sind und ihren Lebensraum sowie ihre Flugrouten sowohl in der freien Natur als auch in Siedlungsgebieten haben. Entscheidend ist es, rechtzeitig Fledermausexperten hinzuzuziehen und das Gespräch zu suchen, dann finden sich in der Regel für Alle zufriedenstellende Lösungen.
Eine große Lobby hat dieses Tier nicht unbedingt, viele Menschen finden Fledermäuse eher unheimlich. Was fasziniert Sie an diesem kleinen Geschöpf?
Die Fledermaus wird unterschätzt. Das sind kleine Tiere, die sehr stark und komplex sozial interagieren. Übers Jahr nutzen sie verschiedene Quartiere, sie machen Winterschlaf und passen sich den Umgebungen an. Sie leben lange, haben aber nur eine geringe Reproduktionsrate. Unser Wissensstand ist einfach immer noch nicht sehr gut, weil sie scheu und nachtaktiv sind. Sie leben heimlich, wie wir das nennen. Das ist eine faszinierendes Artengruppe. Es gibt allein in Baden-Württemberg 21 verschiedene Arten, von der Wimperfledermaus bis zum sogenannten Grauen Langohr.
Wie sind Sie zur Fledermausexpertin geworden?
Das kam vor allem durch mein Biologie-Studium. Da habe ich zum Ende hin einen Schwerpunkt auf das Thema Verhaltensforschung gelegt und dabei besonders die Fledermaus ins Visier genommen. Meine Diplomarbeit habe ich dann auch über Fledermäuse geschrieben. Und in meiner Arbeit im Referat Naturschutz und Landschaftspflege habe ich jetzt auch sehr viel mit dieser Art zu tun, da es fast bei jedem größeren Bau- oder Sanierungsvorhaben eine Rolle spielt und ich auch zwei Artenschutzprojekte zur Fledermaus leite. Meine Kollegen kennen sich dafür mit anderen Tierarten besser aus.
Musste wegen Fledermäusen schon einmal ein Projekt gestoppt werden?
Eine Gemeinde im Landkreis Lörrach wollte ein altes leerstehendes Gebäude abreißen. In dem Werkhof hat sich im Dachboden aber eine Kolonie einer Fledermaus-Gattung niedergelassen, die in ganz Baden-Württemberg selten ist. Das Gebäude durfte deswegen nicht abgerissen werden. Im Vergleich ist das natürlich ein kleines Vorhaben, das nicht umgesetzt werden konnte. Bei Windkraftprojekten im Wald kam es schon vor, dass man Standorte verschieben musste. Bei einem Großprojekt wie dem Rheintalbahnausbau ist die Fledermaus auch ein Riesenthema, wenn an manchen Stellen zum Beispiel noch die Autobahn in die Quere kommt und es um sogenannte Zerschneidungswirkung bei Habitaten geht. Da stellt sich zum Beispiel die Frage: Können die Tiere noch ihre Quartiere nutzen, die auf der anderen Seite der Strecke liegen? Da müssen dann zusätzliche Querungsmöglichkeiten und Ausgleichsflächen geschaffen werden.
Ihr Anliegen ist es, die Fledermäuse zu schützen. Vor drei Jahren gab es einen Vorfall an der Uni Freiburg, bei dem rund 700 Tiere gestorben sind. Was ist da passiert und welche Folgen hatte das für ihre Arbeit?
Da waren Zwergfledermäuse in einen Lüftungsschacht eines Uni-Gebäudes eingeflogen und aufgrund des Sogs nicht mehr von allein rausgekommen. Diese sehr kleinen Tiere, die in eine Streichholzschachtel passen, wenn sie ihre Flügel nicht ausgebreitet haben, waren auf der Suche nach einem Quartier, und weil immer mehr Tiere die Rufe gehört haben und nachgekommen sind, hat sich das zu einer Todesfalle entwickelt. Insgesamt waren da rund 2300 Fledermäuse gefangen, und rund 700 haben es nicht überlebt. Wir haben die Überlebenden jeden Tag abgesammelt, um sie abends wieder fliegen zu lassen.
Das Gitter an dem Schacht musste nachher natürlich anders gestaltet werden. Nicht zuletzt deswegen versuchen wir auch Öffentlichkeitsarbeit dafür zu leisten, dass tierfreundlicher gebaut wird, weil viele Fledermausarten ihre Quartiere im Siedlungsbereich haben. Das betrifft aber auch andere Themen wie zum Beispiel auch die sogenannte Lichtverschmutzung. Nicht zwingend notwendige Beleuchtung vieler Objekte beeinträchtigt neben Fledermäusen auch viele andere Tiergruppen.