In der regionalen Gastronomie gibt es zahlreiche Namen aus der Tierwelt. Warum eigentlich? Anruf bei einem Experten.
VON DANIEL RUDA
Historische Namenskunde mit Konrad Kunze. Der emeritierte Germanistik-Professor und Sprachhistoriker ist spontan bereit über das zu reden, womit er sich neben anderen Dingen wie etwa Literatur des Mittelalters so viele Jahrzehnte als Professor an der Uni Freiburg beschäftigt hat – und das bis heute immer noch tut. Ende Januar kam erst eine Fortsetzung des bis dato sieben Bände umfassenden Familiennamenatlas‘ heraus, an dem der 83-Jährige seit vielen Jahren fortlaufend gemeinsam mit der Wissenschaftskollegin Damaris Nübling schreibt. Zudem hat er sich als Namensforscher auch mit der Namensgebung von Gasthäusern in ganz Deutschland befasst.
Aus dem Stegreif heraus entwickelt sich ein lockerer und unterhaltsamer Vortrag mit genügend Raum für Nachfragen. Über seine eigene Person will Konrad Kunze dabei nicht viel sprechen, die wichtigen Eckdaten könne man ja im Internet etwa bei Wikipedia nachlesen und auch ein Foto von ihm brauche es doch nicht. „Es geht ja nicht um meine Visage, sondern um die Sache.“
Die Sache ist die: Die regionale Gastronomie ist voll von Häusern mit tierischen Namen. Gefühlt in jedem südbadischen Dorf gibt es einen Ochsen oder einen Adler. Die Liste lässt sich weiterführen, als ginge es nicht mehr um Lingustik sondern um Zoologie: Es gibt den Adler, den Hirschen, den Bären, den Schwanen und so weiter.
Die tierischen Namen stammen aus dem Mittelalter
„Früher hatten alle Häuser Namen“, sagt Konrad Kunze und meint damit mittelalterliche Zeiten. Im 12. Jahrhundert begann es wohl, im 16. Jahrhundert sei es gar Gesetz geworden. Wenn man heute aufmerksam durch Freiburg läuft, kann man noch einige Häuser entdecken, an denen deren historische Namen stehen. „Damals haben viele Hausbesitzer im Südwesten den Namen von heraldischen Tieren für ihr Haus gewählt“, erklärt der Sprachhistoriker weiter. Tiere also, die in Wappen vorkamen und für Stolz und Kraft standen. „Von einem Gasthaus zur Ameise habe ich deswegen noch nie etwas gehört“, sagt Kunze.
Etwa im 18. Jahrhundert lösten dann Hausnummern die Namen ab, „die Nummer ist der Tod des Namens“, es sei aber eben auch ein viel einfacheres System gewesen, sagt Kunze.
Einzig an zwei Arten von Häusern seien die Namen hängengeblieben, weil sie eine identitätsstiftende Bedeutung hatten: Gasthäusern und Apotheken. So wollte es das regionale Brauchtum und der Sprachgebrauch damals, und so blieb es bis heute. Neben den Tiernamen gab es dabei weitere heraldische Elemente als Namensgeber: sei es die Sonne, die Blume oder zum Beispiel das Kreuz.
Weil es mehr Häuser als Wappentiere gab, wurde aus dem Bären dann zum Beispiel einmal der Rote Bären. So heißt etwa auch die Adresse in der Freiburger Innenstadt, nach eigenen Angaben das älteste Gasthaus Deutschlands, dessen gastronomische Historie sich bis ins Jahr 1120 zurückverfolgen lässt.
Geografische Sprachgrenze zwischen Süden und Norden auch in Sachen Namensgebung
Das Kuriose, erklärt Sprachhistoriker Kunze, sei es, dass sich eine klare geografische Linie ziehen lässt, was Gasthäuser mit Tiernamen angehe. „Es gibt sie nur im Südwesten entlang des Rheins sowie im Elsass und der Schweiz.“ Die klare Kante, an der es zum Beispiel überhaupt keinen Ochsen oder ähnliches gibt, sei der Lech, ein Fluss, der durch Augsburg fließt und in die Donau mündet. „Der Lech trennt den alemannisch-schwäbischen Sprachraum vom bayerischen. Im Norden der Republik wiederum gibt es im Grunde gar keine Gasthäuser mit tierischem Namen, sondern vor allem Wortbildungen mit -schenke oder -krug.
Am Tag nach dem Gespräch trifft in der Redaktion ein Umschlag von Konrad Kunze ein. Darin sind kopierte Karten zur Verbreitung der Gasthausnamen in Deutschland, die der Professor einmal angefertigt hat: Löwen und Ochsen etwa – oder die abgewandelten Formen Zum Löwen oder Zum Ochsen. Der Ochsen etwa übersät mit Punkten ganz Baden-Württemberg, während in Restdeutschland nur vereinzelt kleine Pünktchen auftauchen, ähnlich sieht es beim Löwen aus, auch der Hirschen hat ein starkes südliches Übergewicht.
Bis heute sind Tiernamen bei der Namensfindung in der Gastronomie beliebt, wenn auch mit etwas zeitgeistigerem Anstrich. Allein in der Freiburger Innenstadt etwa finden sich ein Schwarzer Kater, ein Blauer Fuchs oder der Bruder Wolf. Simon Gerriets leitet letztere Adresse, die vor rund sechs Jahren eröffnete. Der 33-Jährige wollte im Inneren der kleinen Gaststätte, die im Untergeschoss auch eine Bar samt Tanzfläche hat, viel mit Holz und Pflanzen arbeiten, und das wollte er auch im Namen aufgreifen. „So bin ich auf den Wolf gekommen, und da meine fünf Brüder in unterschiedlichen Rollen passiv und aktiv auch im Laden aktiv waren oder sind, hat sich der Zusatz Bruder angeboten. Zudem heißt unser Opa mit Vornamen Wolf.“
Auch Konrad Kunze erzählte noch eine Anekdote. Als er einmal in Bremen in einer Gaststätte war, die einen traditionellen süddeutschen heraldischen Namen trug, fragte er die Chefin, wie es zu dem Namen kam, der sei ja im Norden nicht üblich. Ihre Antwort: „Ich komme aus Mahlberg in der Ortenau.“
1 Kommentar
Suche gerade die Häufung der Zahl DREI bei Gaststätten um 1800 in SCHONGAU / am LECH..
Hier gab es Gaststätten zu den 3 Hasen, 3 Fischen 3 Kronen und 3 Rosen Meine Frage- woher die Häufung der Zahl 3? Gibt es vergleichbares ?
Besten Dank für Ihre Rückäussereng!