Wie findet und bindet man Mitarbeitende? Diese Frage stellt sich jedes Unternehmen – und jüngst auch der Marketing-Talk in Freiburg. Dort gab es Antworten von Branchenvertretern aus dem Baugewerbe, Gastronomie und Handwerk.
VON CHRISTINE WEIS
Wurstsalat hatte Dorothea Dosenbach zur Begrüßung am Frankfurter Flughafen im September letzten Jahres den neuen Azubis aus Indien mitgebracht. „Das kam erstmal nicht gut an“, sagte die Metzgermeisterin aus Bad Bellingen beim Freiburger Marketing-Talk zum Thema „Fight for Talents. Neue Rezepte fürs Recruiting“ Ende März in den Räumen des M.A.K.-Studios im Freiburger Friedrichsbau. „Essigaroma kennt man in Indien nicht.“ Mittlerweile wisse sie einiges über die indische Esskultur – und die Fleischerlehrlinge kennen badischen Wurstsalat samt Weckle.
Auszubildende im Ausland zu akquirieren, ist eine Möglichkeit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, so sieht es die Handwerkskammer Freiburg. Zusammen mit der Fleischerinnung Lörrach hat die Kammer das Projekt „Aus Indien nach Südbaden – Auszubildende fürs Handwerk“ (AINS-AH) initiiert. Vor Ort in Asien kümmert sich die Personalvermittlung Magic Billion um das Recruiting. Der Agenturname irritierte Dorothea Dosenbach anfänglich, doch es sei ein seriöses Unternehmen. Die Azubis müssen in ihrem Heimatland erstmal in Vorleistung gehen. Der Deutschsprachkurs für das B1-Sprachzertifikat, dies ist Voraussetzung, kostet rund 5000 Euro, berichtete Dosenbach. Inzwischen hätten sich die drei Männer gut eingearbeitet. Für sie sei das ganze Procedere wie eine Art Schwangerschaft gewesen. Von der Wohnungssuche bis zur Haushaltsausstattung hat sie alles für die neuen Mitarbeiter organisiert.
„Was wir seit 30 Jahren wissen, tritt jetzt ein“, sagte Andreas Seltmann und brachte damit einen Aspekt des Fachkräftedilemmas in seinem Impulsvortrag auf den Punkt: Das Thema wurde verschlafen. Der Experte für Employer Branding legte zur Verdeutlichung einige Zahlen vor. Demnach werden in den kommenden 15 Jahren rund 12 Millionen Erwerbstätige in Rente gehen.
Seltmann hatte aber auch einige Rezepte fürs Recruiting mitgebracht: Zuwanderung, vermehrte Möglichkeiten für Frauen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt und Qualifizierung von ungelernten Arbeitskräften. In seinen Augen sei es zudem notwendig, dass Unternehmen alle Altersgruppen im Blick haben. Die Fokussierung auf junge Menschen verkenne die Vorteile etwa der über 55-Jährigen. Diese seien nicht nur erfahren, sondern auch stressresilient, sprachgewandt, gesundheitsbewusst und nicht mehr auf Karrierekurs.
Marius Tröndle hat keinen Personalmangel. Der 30-Jährige leitet das Hotel und Restaurant Mühle in Schluchsee mit 15 Mitarbeitenden. Im Spätsommer eröffnet er im Ortsteil Aha ein weiteres Hotel, den Auerhahn, dort werden rund 70 Menschen arbeiten. 50 Mitarbeitende hätten bereits zugesagt, ohne dass er eine einzige Anzeige buchte. „Wir machen die Gastro am Schluchsee sexy“, sagte der Koch und Gastronom in der von netzwerk südbaden Chefredakteurin Kathrin Ermert moderierten Diskussionsrunde. Es ginge bei der Personalgewinnung nicht um die üblichen Benefits, sondern um Emotionen wie Wertschätzung. „Bei uns herrscht eine gute Atmosphäre des Miteinanders, wir haben alle Spaß an der Sternegastro“, so Tröndle. Er sagte aber auch ganz deutlich, dass die Zeiten mit 16-Stunden-Tagen in einer 7-Tage-Woche vorbei seien. An zwei Tagen bleibt die Mühle zu. Die positiven Gefühlswelten des Mühleteams verbreiten sich viral über Social-Media-Kanäle. Authentische Storys aus der Spitzenküche machen demnach wohl Lust aufs Bewerben.
Um Empathie im Berufsleben geht es auch Tim Seltmann. Er arbeitet als Gebietsverkaufsleiter bei der Kramer GmbH in Umkirch. Der 23-Jährige gehört zur der von Personalern umgarnten Generation Z. Das sei für ihn ein abstrakter Begriff. „Ich bin einfach ich selbst und fühle mich nicht als Teil der Generation Z“, sagte Seltmann. Seinen Arbeitgeber bezeichnete er als „Kramer-Familie“. Damit machte er deutlich, dass Arbeit mehr als nur ein Job zum Geldverdienen sei. Man treffe sich unter Kollegen auch nach Feierabend, erzählte er, der bereits seine Ausbildung zum Industriekaufmann bei dem Ladenbauer machte.
„Passive Stellenausschreibungen zeigen keine Wirkung. Wir gehen aktiv in Schulen und an Hochschulen“, sagte Stefanie Brausemann vom Kenzinger Bauunternehmen Freyler. Man habe die Zeichen der Zeit erkannt und eigens eine Abteilung Recruiting geschaffen. Diese leitet Brausemann seit einem Jahr. Das Spektrum an Berufen sei an allen zehn bundesweiten Standorten von Freyler enorm breit. Dabei spielen technische Fächer die größte Rolle. „Gerade Schülern zeigen wir, was der Beruf etwa eines Metallbauers oder Bauzeichners alles beinhaltet.“ Viele hätten keine Vorstellung von den abwechslungsreichen Aufgaben und seien dann oft positiv überrascht. Mit einem zielgruppenspezifischen Campusmarketing spreche man Studierende an.
Ins Gespräch kamen bei dem vom Marketing-Club Freiburg (Macs) und netzwerk südbaden organisierten Event auch die rund 130 Gäste. Bei Kaltgetränken und Snacks wurde bis weit in den Abend hinein diskutiert. Wurstsalat war übrigens nicht auf dem Buffet.