An immer mehr großen Baustellen in Freiburg weisen Banner darauf hin, dass der Ort überwacht wird. Was ist der Grund – nimmt Baustellendiebstahl in der Region zu oder was sonst treibt die Bauherren um?
VON SUSANNE MAERZ
Ob Neubau der Unikinder- und -jugendklinik an der Breisacher Straße in Freiburg, Sanierung des Kollegiengebäudes II (KG II) auf dem Platz der Alten Synagoge oder des IHK-Gebäudes an der Schnewlinstraße – stets hängen dort Banner von Anbietern wie Bauwatch oder Protec Dienstleistungen am Bauzaun und weisen auf die Überwachung der Baustelle hin. Und zum Teil sieht man hinter den Toren, durch die man auf die Baustelle gelangt, Stangen mit Videokameras, die auf den Eingang gerichtet sind. Versucht eine Person auf das Gelände zu gelangen, gibt es in der Zentrale des Unternehmens Alarm – und der potenzielle Eindringling wird mit Geräuschen vertrieben.
Das Unternehmen mit Sitz in Ratingen, das sich als „Das Original“ und „Europas Nr. 1“ bezeichnet, berichtet auf seiner Website von deutschlandweit 75.928 Vertreibungen, 878 eingeleiteten Verhaftungen und 1630 verhafteten Personen im Jahr 2022. Und es ist längst nicht der einzige Anbieter von Überwachungssystemen auf Baustellen.
Im Bereich des Polizeipräsidiums Freiburg, das die Stadt sowie die Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen, Waldshut und Lörrach umfasst, bewegte sich die Zahl der Baustellendiebstähle laut Pressesprecher Özkan Cira in den Jahren 2018 bis 2021 „im niedrigen, dreistelligen Bereich“. 2020 beispielsweise waren es 229, ein Jahr später 178. „Im Jahr 2022 verzeichneten wir mit 220 Diebstahldelikten aus Rohbauten/Baustellen wieder deutlich mehr Fälle als im Vorjahr“, sagt Cira, betont aber zugleich: „Baustellendiebstahl ist kein Schwerpunktthema, sondern nur ein kleiner Teil der gesamten Kriminalität.“
Zum Vergleich: Insgesamt gab es in der Region vergangenes Jahr 19.289 erfasste Diebstähle. Allerdings ist die Aufklärungsquote beim Baustellendiebstahl eher gering, lag sie in den vergangenen Jahren doch stets zwischen 4 und bis 14 Prozent. Bei allen Diebstählen waren es im Schnitt jeweils mehr als 30 Prozent.
Höhe des Schadens kann in die Millionen gehen
Die Besonderheit beim Baustellendiebstahl ist zudem, dass die Verluste für den Einzelnen extrem schwanken. So sagt auch Polizeisprecher Cira: „Die Schadenssummen sind mal ganz klein, mal liegen sie im Millionenbereich.“ In den vergangenen Jahren entstand in der Region meist ein Gesamtschaden zwischen 450.000 und rund 700.000 Euro. Im Jahr 2022 waren es, passend zur gestiegenen Zahl der Diebstähle, etwas mehr als im Durchschnitt, und knapp 880.00 Euro. Ein Vergleich mit dem Vorjahr ist schwierig. Denn 2021 betrug der Schaden in der Region sogar rund 2,7 Millionen Euro – wegen eines besonders großen Falls: Aus einem leerstehenden Rohbau in Bad Säckingen wurden vor zwei Jahren vor allem Kupferkabel sowie weiteres Material im Wert von rund zwei Millionen Euro entwendet.
Auch wenn Vorkommnisse wie diese selten sind, wundert es nicht, dass Bauherren ihre Gebäude überwachen lassen. So sagt denn auch Gerd Richard Petermann, Leiter des Geschäftsbereichs Interne Dienste bei der IHK Südlicher Oberrhein: „Diebstahl am Bau ist ein allgemein übliches Problem, weshalb wir zur Sicherung der Baustelle die Firma Bauwatch beauftragt und dies auch nach außen kenntlich gemacht haben.“ Gab es denn schon Versuche, ins Gebäude einzudringen? Petermann sagt dazu nur: „Weitere Informationen können wir aus Sicherheitsgründen nicht geben.“
Ole Nahrwold, Leiter der Außenstelle Freiburg des Amtes Vermögen und Bau Baden-Württemberg, spricht indes offener. Sein Amt ist zuständig für die Bauarbeiten an landeseigenen Gebäuden, zu denen in Freiburg auch die Unikinder- und -jugendklinik sowie das Kollegiengebäude II zählen. Er sagt, angesprochen aufs Überwachen dieser beiden Großbaustellen: „Das ist bei Baustellen dieser Größenordnung unumgänglich und üblich.“ Es gehe nicht nur darum, Diebstähle zu vermeiden. „Gerade bei der Innenstadtbaustelle des KG II spielen auch Sicherheitsaspekte eine erhebliche Rolle“, erklärt Nahrwold. Durch das Bewachen werde etwa verhindert, dass am Wochenende oder nachts Personen die Baustelle betreten und hierdurch sich selbst oder andere gefährden.
Am KG II ist laut Nahrwold zudem ein Wachdienst im Einsatz, das Sicherheitskonzept sei mit der Polizei abgestimmt. Doch auch dieses hat seine Grenzen: Nahrwold berichtet davon, trotzdem immer mal wieder Menschen unerlaubterweise die Baustelle betreten oder dies zumindest versuchen. Und auch, dass sich Diebstähle auf Großbaustellen nicht immer gänzlich verhindern ließen. Auf der Baustelle der Unikinderklinik beispielsweise wurden Geräte und Baumaterialien gestohlen. Details nennt Nahrwold nicht, betont aber, dass die Diebstähle stets angezeigt würden.
Meist werden Werkzeuge oder Maschinen gestohlen
Dass auf Baustellen vor allem Werkzeuge, Arbeitsmaschinen und Baumaterial entwendet werden, berichtet auch Özkan Cira vom Polizeipräsidium Freiburg. Bagger oder andere Fahrzeuge würden – schon allein wegen ihrer Größe – sehr selten gestohlen. „Kupferdiebstähle kommen vor, es kann aber keine besondere Häufung erkannt werden“, sagt er.
Wie schätzen Bauunternehmen die Lage ein? „Wir stellen keine ungewöhnliche Entwicklung fest“, sagt Gregor Gierden aus der Geschäftsstelle Freiburg des Verbands Bauwirtschaft Baden-Württemberg. „Baustellendiebstahl kommt immer mal wieder vor, aber die Mehrzahl der Firmen ist nicht betroffen.“ Gleichzeitig berichtet er davon, dass die Bauunternehmen sensibilisiert seien und Sicherungsmaßnahmen ergreifen würden. So nehmen sie kleinere Geräte und Werkzeug abends mit und bringen sie am nächsten Morgen wieder. Oder sie parken einen Bagger nach Feierabend so vor einem Container, dass er nicht geöffnet werden kann. Vor allem große Baustellen würden auch überwacht.
Zu Vorkehrungen wie diesen rät auch Özkan Cira von der Polizei. Neben Kameras nennt er eine nächtliche Beleuchtung als gute Abschreckung. Und er rät dazu, Werkzeug abends wegzuschließen oder wegzuräumen. Nicht nur, damit es nicht geklaut wird, sondern auch, damit es nicht zum Aufhebeln beispielsweise von Containern verwendet werden kann. Und er empfiehlt Unternehmen, immer den Überblick zu behalten, was auf welcher Baustelle verwendet wird. Denn, so sagt er: „Teure, hochwertige Maschinen und Werkzeuge haben in der Regel Individualnummern. Sie sollten im Bedarfsfall schnell recherchierbar sein.“
Angesichts der allgemeinen Preissteigerungen werden diese immer teurer. So wie auch Baumaterialien aller Art. Treiben Inflation und gestiegene Rohstoffpreise denn auch den Diebstahl auf Baustellen in die Höhe? Polizeisprecher Cira will nicht mutmaßen. Aber er sagt: „Der Tatanreiz steigt auf jeden Fall.“