Nach fast zwei Jahrzehnten verlässt der Initiator Günter Monjau im Oktober seinen Freiburger Mittelstandskongress. Ein Gespräch über Abschied, Anfang und Anekdoten.
INTERVIEW: KATHRIN ERMERT
Ihr Baby ist erwachsen geworden: Der 18. Freiburger Mittelstandskongress am 18. Oktober ist die letzte Ausgabe, an der Sie mitwirken. Wie schwer fällt ihnen das Loslassen?
In der Selbstständigkeit ist der Übergang vom aktiven Berufsleben zum Rentendasein fließend, und es geht von Tag zu Tag besser. Die Organisation des Mittelstandskongresses habe ich schon 2022 abgegeben. Es war viel Arbeit, da ich früher alles allein gemacht und deshalb mit viel Vorlauf gearbeitet habe. Das Programm 2023 trägt noch meine Handschrift.
Sie sind Unternehmensberater, nicht Mittelständler. Woher rührt Ihr Engagement für den Mittelstand?
Er ist das Rückgrat der Wirtschaft. Ich habe ihn viele Jahre beraten, und ich habe in der Zeit vor meiner Selbstständigkeit alles erlebt, weil ich in unterschiedlichen Betrieben gearbeitet habe: bei Familienunternehmen, in Firmengruppen, größeren Konzernen.
Wie kam es dazu, dass Sie einen Mittelstandskongress veranstalten?
Als Mitglied des Bundesverbandes deutscher Unternehmensberater habe ich im Jahr 2005 ein Projekt zum Thema Risikomanagement im Mittelstand organisiert, bestehend aus einer Onlinebefragung in Baden-Württemberg, der Veröffentlichung der Studienergebnisse und einer abschließenden Veranstaltung im Freiburger Konzerthaus. Die fand großen Zuspruch und wurde somit zum ersten Freiburger Mittelstandskongress. 2010 habe ich dann die gleichnamige GmbH gegründet.
Was hat sich seit der Premiere verändert?
Die Themen! Unser erstes Thema war sehr spezifisch für die Zielgruppe der Controller und Risikomanager in den Unternehmen. In der Folge haben wir das erweitert in Richtung Marketing- und Vertriebs- sowie Personalthemen. Wir haben versucht, Themen zu finden, die den Mittelstand betreffen. Vielleicht nicht aktuell, sondern in ein, zwei Jahren. Wir wollen ein wenig der Zeit voraus sein. Damit wurde der Zuspruch größer. Die Gäste kommen, weil sie Anregungen suchen, um Dinge reflektieren zu können und interessante Persönlichkeiten zu hören. Da bieten wir einiges mit der Eröffnungsrede, den zwei mal zwei parallelen Vorträgen, dem Podiumsgespräch und dem Abschlussvortrag, der sich mit einem Thema nahe der Wirtschaft befasst oder manchmal auch etwas weiter davon entfernt. Wie in diesem Jahr der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel im Hinblick auf die Europawahl 2024 über Europas Rolle in der Welt (Anm. d. Red.: Sigmar Gabriel hat nach dem Interview abgesagt, stattdessen hält Joschka Fischer die Abschlussrede – auch er ist ehemaliger Außenminister).
Wie haben sich die Zahlen entwickelt?
Mittlerweile kommen bis zu 600 Teilnehmer. Von 2005 bis 2022 hatten wir insgesamt 107 Vortragende, 75 Gäste bei 17 Podiumsgesprächen und 476 Aussteller unternehmensnaher Dienstleitungen. Finanziert wird der Kongress vor allem über Sponsoren und Eintrittsgelder. Die Vortragshonorare sind enorm gestiegen. Die Top-Speaker verlangen mittlerweile 15.000 bis 20.000 Euro.
Wie haben sie die Veranstaltung in den ersten Jahren bekannt gemacht, wen haben Sie eingeladen?
Anfangs hat uns ein großer Freiburger Adressverlag, der auch Aussteller war, Kontakte zur Verfügung gestellt. Dann setzte die Mundpropaganda ein. Unsere letzte Umfrage im Jahr 2021 zeigte, dass rund neunzig Prozent der Teilnehmer den Kongress weiterempfehlen würden, weil sie die Aktualität der Themen, die Themenvielfalt und den Informationswert hoch bis sehr hoch einstufen. Die Zielgruppen sind Entscheidungsträger mittelständischer Unternehmen, also Inhaber, Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte der zweiten Ebene
Wer oder was waren Ihre Höhepunkte in all den Jahren?
2008 war der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement zu Gast. Er hat eine Stunde ohne Skript über die Lehman-Pleite geredet statt über sein eigentlich geplantes Thema Recruiting. Auch Wolfgang Ischinger vergangenes Jahr steht ganz oben auf meiner Top-Ten der Gäste. Und viele andere: die amerikanische Journalistin Melinda Crane, der ZDF-Moderator Peter Hahne, die Autorin Verena Pausder, der Philosoph Richard David Precht, Ernst-Ulrich von Weizsäcker vom Club of Rome oder der UN-Umweltdirektor Klaus Töpfer. Den größten Applaus, den ich je im Runden Saal erlebt habe, bekamen aber keine Promis, sondern zwei 16-jährige Gymnasiastinnen aus Neuenburg, die 2019 das Podiumsgespräch führten unter anderem mit dem Gründer des Leipziger Think Tanks 2b AHEAD, Sven Gábor Jánszky. Es ging um seine Langzeitstudie „Die Zukunft deiner Kinder“, in der auch zehn im Jahr 2015 geborene Kinder über hundert Jahre begleitet werden. Eines dieser Kinder lebt in Freiburg und der Vater war ebenfalls Podiumsgast.
Wie sind Sie in der Region und darüber hinaus vernetzt, um die Hochkaräter zu erreichen?
Die Adressen habe ich übers Internet recherchiert, manchmal mit Hilfe der Speaker-Agenturen. Mit der Zeit half die Referenzliste, die wir aufgebaut haben – aber auch hier die Mundpropaganda und insbesondere die persönliche Betreuung vor und am Kongresstag. Die reicht von der Organisation der An- und Abreise, den Hotelbuchungen bis zur Besichtigung des Münsters, der Münsterbauhütte oder Spaziergängen durch die Freiburger Altstadt.
Wo sehen Sie 2023 die Themen des Mittelstands?
In der Headline unseres diesjährigen Kongresses: Mission Zukunft 3D. Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung. Eröffnet wird der Kongress mit dem Thema „Vom Wandel der Technik und der Zukunft des Menschen“ von Professor Armin Grunwald, einem Mitglied des Deutschen Ethikrates. Die Parallelvorträge beschäftigen sich mit Dekarbonisierung, New Work, Green Marketing und Recruiting-Trends, das Podiumsgespräch mit Herausforderungen und Chancen für die Fachkräftesicherung. Es wird wieder vom TV-Journalisten Markus Brock moderiert. Den Abschluss gestaltet Sigmar Gabriel. Um Kontakte zu knüpfen, Gespräche zu führen und die Ausstellung unternehmensnaher Dienstleistungen zu besuchen, gibt es zwischen den Vorträgen ausreichend lange Pausen.
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