Gleich und gleich gesellt sich gern. Ein Thomas stellt lieber einen weiteren Thomas als eine Fatma ein. Dabei zahlt sich Vielfalt in Belegschaften und Chefetagen aus. Der angespannte Arbeitsmarkt kann Bewegung in alte Verhaltensmuster bringen.
VON KATHRIN ERMERT
Wer 20 Arbeitsplätze oder mehr bietet, muss mindestens fünf Prozent davon an Menschen mit einer schweren Behinderung vergeben. Tut er das nicht, sind Ausgleichszahlungen fällig, zwischen 140 und 360 Euro monatlich pro nicht besetzter Stelle. Das Geld fließt beispielsweise in Werkstätten für behinderte Menschen oder als Lohnkostenzuschuss an jene Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderung einstellen. So eine Beschäftigungspflicht beziehungsweise Ausgleichsabgabe sollte es eigentlich auch für andere benachteiligte Teile der Gesellschaft geben – Menschen mit Migrationshintergrund beispielsweise, Frauen, Ältere, Ostdeutsche, Langzeitarbeitslose, soziale Randgruppen – die Liste lässt sich beliebig erweitern. Denn soziale und vor allem wirtschaftliche Teilhabe ist für viele Menschen schwierig.
Indirekt zahlen homogen aufgestellte Unternehmen allerdings auch ohne gesetzliche Vorgabe für ihre mangelnde Vielfalt. Zu dem Ergebnis kam gerade eine Studie der Beratungsfirmen Egon Zehnder und McKinsey. Demnach entgehen deutschen Unternehmen jährlich 100 Milliarden Euro, weil sie Menschen mit ausländischen Wurzeln nicht adäquat beschäftigen. Für die Studie wurden mehr als 2000 Personen in Deutschland befragt, von denen 75 Prozent einen kulturell diversen Hintergrund haben. Sie berichteten, dass sie mehr Bewerbungen schreiben müssen, weniger Gehalt bekommen und seltener befördert werden als deutschstämmige Kollegen. Sie sind folglich oft überqualifiziert für ihren Job und könnten produktiver sein. Viele Konzerne hätten sich kulturelle Diversität auf die Fahnen geschrieben, so die Autoren der Studie. Doch Anspruch und Realität klafften weit auseinander.
Je höher die Position in Unternehmen, desto homogener ist die Belegschaft. Das hat vor einigen Jahren schon eine Studie der Albright-Stiftung gezeigt und dafür den Begriff „Thomas-Kreislauf“ geprägt. So bezeichnet sie die Tatsache, dass in den Vorständen der börsennotierten Unternehmen vorwiegend Männer arbeiten, die hinsichtlich Alter, Herkunft und Ausbildung nahezu identisch sind. „Der deutsche CEO umgibt sich am liebsten mit Spiegelbildern seiner selbst“, heißt es in der Studie. In den Dax-Vorständen gab es demnach 2017 mehr Personen, die Thomas oder Michael hießen, als Frauen. Stellen in den Chefetagen würden vor allem aufgrund der Persönlichkeit besetzt, erklären die Autoren. Auf diese Weise reproduzierten sich gleich gerichtete Führungsmannschaften, die sich ohne viele Worte verstehen. Deren Blickfeld sei jedoch begrenzt, es fehlten korrigierende Elemente. Ein Grund, warum der Gesetzgeber zumindest großen Unternehmen mittlerweile Frauenquoten für Aufsichtsräte und Vorstände vorschreibt.
Eigentlich ist es erstaunlich, dass es überhaupt Vorschriften braucht. Denn der wirtschaftliche Erfolg von Diversität sollte Anreiz genug sein. „Divers zusammengesetzte Teams entwickeln kreativere Ideen und Lösungen“, nennt die Initiative Charta der Vielfalt als Nutzen von Diversity Management. Diversität bringe unterschiedliche Sichtweisen ein, die oft schneller zu Ergebnissen und innovativen Produkten führen. Vielfältige Belegschaften könnten sich besser auf unterschiedliche Zielgruppen und ausländische Märkte einstellen sowie ihren Kunden ein passendes Gegenüber bieten. Zudem steigerten Arbeitgeber, die auf Vielfalt setzen, ihre Attraktivität gegenüber Bewerbern. Und sie reduzierten die Kosten aufgrund von Kündigungen und Neueinstellungen, weil die Fluktuation geringer sei, wenn die Beschäftigten sich wertgeschätzt fühlen.
Jene Branchen, die schon länger von demografischem Wandel und Arbeitskräftemangel betroffen sind, haben das verstanden. Oft sind es kleine, familiär geprägte Betriebe, die Vielfalt leben und Vorbild für die großen sein können. Wie die Metzgereien von Jogi Lederer und Dorothea Dosenbach sowie anderer Kollegen im Landkreis Lörrach, die Azubis in Indien rekrutieren. Kürzlich ist der zweite Jahrgang angekommen.
Das Ziel in Sachen Diversität – das haben wir in vielen Gesprächen für diesen Schwerpunkt festgestellt – sollte sein, dass sie gar kein Thema mehr ist. Vielfalt sollte einfach normal sein.