Hohe Dieselpreise, zu wenige Fahrerinnen und Fahrer – die Busunternehmen stehen auch nach der Pandemie vor Herausforderungen. Wie geht es ihnen? Branchenvertreter aus der Region geben Einblicke.
VON SUSANNE MAERZ
„Wir sagen: Jetzt erst recht“, berichtet Alica Sedelmeier, die gemeinsam mit ihrer Cousine Christina in der nächsten Zeit in die Geschäftsführung von Rast Reisen in Hartheim einsteigen wird. Das Familienunternehmen, das die Brüder Eberhard, Klaus und Alfred Sedelmeier in dritter Generation führen, setzt zurzeit um, was schon vor der Pandemie geplant, dann aber aufgeschoben worden war: Es erweitert das Firmengebäude. In Modulbauweise entsteht ein einstöckiger Anbau mit einer Fläche von rund 110 Quadratmetern mit E-Ladesäule und Photovoltaikanlage. Die Familie investiert rund 1,2 Millionen Euro.
„Wir sind seit Jahren gewachsen und brauchen schon länger mehr Platz für Büros“, sagt Alica Sedelmeier. Im Neubau sollen Beschäftigte aus den Bereichen Finanzen und Marketing unterkommen. Und es soll auch Raum für Neueinstellungen geben. „Wir benötigen dringend weitere Mitarbeitende für die Bereiche Finanzen und Reisen“, sagt Christina Sedelmeier. Früher hätte jeder alles gemacht, aber das sei inzwischen nicht mehr möglich. Denn Rast Reisen wächst seit Jahren – abgesehen von der Coronazeit. Dieses Jahr wird der Umsatz voraussichtlich zehn Prozent über 2019 liegen und damit höher sein als vor der Pandemie.
„Die ganze Reisebranche hat wieder an Fahrt aufgenommen“, sagt Klaus Sedelmeier, zugleich Vorsitzender des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO). Privatpersonen genauso wie Vereine oder Schulklassen würden wieder reisen. Auch mit dem Bus. Davon profitierten nun die Unternehmen, die die Pandemie überstanden hätten. Andere hätten angesichts der Pandemie altersbedingt und mangels Nachfolger oder der immer größer werdenden Bürokratie früher als geplant das Unternehmen aufgegeben oder einzelne Geschäftsbereiche runtergefahren. „Viele setzen nur noch auf ÖPNV“, sagt Sedelmeier.
Die beiden Standbeine öffentlicher Personennahverkehr im Auftrag kommunaler Busunternehmen auf der einen Seite und selbstorganisierte ein- oder mehrtägige Busreisen auf der anderen Seite sind typisch für viele mittelständige Unternehmen der Branche. In der Pandemie hat dieses zweigleisig Fahren vielen von ihnen geholfen. Denn während sie den Reiseverkehr von einem Tag auf den anderen komplett herunterfahren mussten, lief der Nahverkehr – wenn auch reduziert und mit Hygienevorkehrungen – weiter.
Auf diese Weise konnte auch Rast Reisen einen großen Teil der Fahrerinnen und Fahrer halten. Das Unternehmen erwirtschaftet rund 60 Prozent seines Umsatzes mit dem ÖPNV. 40 Prozent entfallen auf das Reisegeschäft: auf Ein- und Mehrtagesreisen in der Region sowie ins europäische Ausland und Kurreisen, das Vermieten von Bussen samt Fahrern an Gruppen, die eigenen Flusskreuzfahrten und das Reisebüro in Bad Krozingen.
Klaus Sedelmeier berichtet von „zwei harten Coronajahren“ und einem erneuten Einbruch nach Beginn des Ukraine-Kriegs. Diese Zeit habe das Unternehmen dank der staatlichen Hilfen und dem stets soliden Wirtschaften in den 95 Jahren seines Bestehens gut überstanden. Rast Reisen zählt mit seinen 50 Mitarbeitenden und 25 Bussen – davon fahren 15 im Nah- und 10 im Reiseverkehr – zu den großen familiengeführten Mittelständlern der Region.
Der Chef fährt
Ein kleines familiengeführtes Familienunternehmen ist der Glottertäler – Omnibus Rieder. Clemens und Susanne Rieder, die das 60 Jahre alte Busunternehmen in zweiter Generation leiten, zählen fünf Busse zu ihrem Fuhrpark. Jeweils zwei fahren im Nah- beziehungsweise Reiseverkehr, der fünfte ist flexibel einsetzbar. Zur insgesamt elf-köpfigen Belegschaft gehören drei festangestellte Busfahrer sowie fünf Minijobber. Darunter ist auch Rieders Sohn Felix, der neben seinem Beruf als Feuerwehrmann in der Werkstatt und als Fahrer im Familienbetrieb mithilft.
Auch Clemens Rieder selbst sitzt regelmäßig hinterm Steuer – und Susanne Rieder kümmert sich auf den meisten der mehr als 30 Mehrtagesfahrten im Jahr um den Service. Sie serviert Getränke und ist Ansprechpartnerin vor Ort. Im Glottertäler Büro organisiert sie zusammen mit ihrem Sohn Jens die Reisen – und achtet beispielsweise darauf, dass Alleinreisende ein ordentliches Einzelzimmer bekommen. All dies seien Dinge, die die meist langjährigen Kunden zu schätzen wissen, berichtet sie.
Auch neue Kunden sind seit der Pandemie hinzugekommen, vor allem im höherpreisigen Segment. „Sie schätzen die Bequemlichkeit, den persönlichen Service und dass sie sich um nichts kümmern müssen“, sagt Susanne Rieder. Dafür seien sie auch bereit, etwas mehr zu bezahlen.
Auch bei Rast Reisen ist das höherpreisige Segment seit der Pandemie mehr als zuvor nachgefragt, allen voran der Luxusbus mit Panoramadach, mehr Platz und größeren Sitzen. Zum einen, weil sich die Menschen vermehrt etwas Besonderes gönnen – zum anderen, weil sie seit der Pandemie mehr auf Hygiene und Abstand achten, wie Sedelmeiers berichteten.
Während die Kunden wieder mehr reisen, sind für die Anbieter neue Herausforderungen hinzugekommen: Die seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hohen Dieselpreise belasten Rast Reisen genauso wie den Glottertäler. Clemens Rieder schildert zudem die stark gestiegenen Hotelkosten. Ihm sei nichts anderes übriggeblieben, als die Kosten für 2024 zu erhöhen. „Wir hoffen, dass die Kunden dies annehmen“, sagt er. Zwei Drittel des Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen mit den eigenen Reisen und Fahrten für Vereine oder Schulklassen, ein Drittel entfällt auf den Nahverkehr.
Herausforderung E-Bus-Pflicht
Im Nahverkehr sieht sich Clemens Rieder vor Herausforderungen ganz anderer Dimension: So plant Landesverkehrsminister Winfried Hermann, ab 2028 neue Linienbusse nur noch mit Elektroantrieb zuzulassen. „Das können wir ohne Hilfen nicht stemmen“, sagt Susanne Rieder. Ein Elektrobus koste derzeit fast doppelt so viel wie ein Dieselbus. Zudem benötige man mehr Busse als bisher, da man Ladezeit einrechnen müsse und die Busse nicht mehr wie bisher den ganzen Tag auf einer Linie unterwegs sein könnten. Nicht zu vergessen die Ladeinfrastruktur. All diese Punkte hat auch der Verband WBO angemerkt und hofft, dass die Pläne nachgebessert werden.
Praktisch allen Betrieben der Branche macht der Mangel an Fachkräften zu schaffen. In ganz Baden-Württemberg werden derzeit 2500 Busfahrerinnen und -fahrer gesucht, weiß Klaus Sedelmeier. Denn nach und nach geht die Generation derer, die noch während ihres Wehrdienstes bei der Bundeswehr den Bus- oder zumindest den Lkw-Führerschein gemacht hatten, in Rente. „Busfahrerinnen und Busfahrer für den Nahverkehr zu gewinnen, geht noch einigermaßen gut“, sagt er. Da würden die Frauen und Männer immer für einen Monat im Voraus disponiert, könnten also gut planen und seien auch nie über Nacht fort von der Familie. Etwas, was den Menschen immer wichtiger werde. „Fahrerinnen und Fahrer für den Reiseverkehr zu finden, ist daher sehr schwer.“
Auch Rast Reisen ist auf der Suche nach Verstärkung. „Wir könnten zwei weitere Fahrerinnen oder Fahrer gebrauchen“, erklärt Klaus Sedelmeier. Sein Unternehmen würde bei Tagestouren immer wieder auf Fachkräfte zurückgreifen, die bereits in Rente sind. Bei Mehrtagesfahrten sei dies nicht möglich. Daher habe man schon Vereinen oder Schulklassen, die einen Bus samt Fahrer für ein paar Tage mieten wollten, absagen müssen.
Susanne Rieder kennt ebenfalls die Schwierigkeiten, Personal zu finden. Sie berichtet davon, dass unter den Bewerbern vor allem Busfahrer mit fehlenden Sprachkenntnissen seien. Die seien aber unerlässlich.
Hürde teurer Führerschein
Das größte Problem: Wer heute als Busfahrer arbeiten möchte, muss erstmal zwischen 10.000 und 12.000 Euro in den Führerschein investieren. Zum Teil würden Betriebe sich an den Kosten beteiligen, berichtet Klaus Sedelmeier. Dies sei aber nicht allen möglich und lohne sich auch nur, wenn die Mitarbeitenden dann nicht zur Konkurrenz abwanderten. Er kritisiert die hohen Anforderungen wie auch die große Zahl der verpflichtenden Fahrstunden, die es in diesem Maße nur in Deutschland gebe. Beispielsweise in Österreich müsse man für den Busführerschein nur rund 3000 Euro investieren. Daher appelliert Sedelmeier an die Bundesregierung, die Anforderungen zu senken. „Es gibt dringenden Handlungsbedarf“, sagt er. Der Verband WBO ist auch aktiv anderweitig aktiv und wirbt mit jährlichen Aktionstagen für den Beruf des Busfahrers.
Gleichzeitig ist auch von den Unternehmen Kreativität gefragt. Rast Reisen ist dieses Jahr dem bundesweiten Netzwerk „Bus dich weg“ beigetreten, einer Kooperation familiengeführter Busunternehmen, die gemeinsam Reisen anbieten. In der Region sind auch Weber Bustouristik aus Achern und Petrolli Reisen aus Niedereschach dabei. „So können wir unseren Kundinnen und Kunden nicht nur eine einhundertprozentige Durchführungsgarantie der Reisen anbieten, sondern auch aktiv dem akuten Mangel an Reisebusfahrerinnen und -fahrern entgegenwirken“, sagt Alica Sedelmeier.