Im Herbst und Winter fehlt es uns, im Sommer ist es häufig zu hell: das Licht. Warum wir Tageslicht brauchen, was man in der dunklen Jahreszeit tun kann und wie Unternehmen das Licht von draußen nach drinnen holen.
VON SUSANNE MAERZ
Ohne das Licht der Sonne gäbe es auf der Welt kein Leben. Die Pflanzen benötigen es, die Tiere und ebenso wir Menschen. Nicht zuletzt für die Produktion des für den menschlichen Körper so wichtigen Vitamin D. Wenn das Sonnenlicht von der Erdatmosphäre gefiltert auf die Erde trifft, spricht man von Tageslicht. Auch wenn der Himmel wolkenverhangen, die Sonne also nicht zu sehen ist, ist es vorhanden. Ob es regnet, schneit, im Sommer wie im Winter. Aber natürlich nur von Sonnenaufgang bis -untergang und je nach Tages- und Jahreszeit beziehungsweise Sonnenstand in anderer Intensität.
Tageslicht steuert die innere Uhr
Tageslicht ist ein wichtiger Zeitgeber für den menschlichen Biorhythmus, die innere Uhr. Diese trägt unter anderem dazu bei, dass wir tagsüber wach sind und nachts schlafen. Und das funktioniert folgendermaßen: „Der Impuls des Lichts, wird, wenn er auf die Netzhaut es Auges trifft, ans Steuerungszentrum für unsere innere Uhr weitergleitet“, sagt Johanna Ell, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schlaflabor der Universitätsklinik Freiburg. Das Steuerungszentrum besteht aus einem Nervenzellknoten im Gehirn, dem Suprachiasmatischen Nucleus (SCN). „Er schickt Impulse an verschiedene Bereiche in unserem Körper, die Einfluss auf unterschiedlichste Prozesse nehmen, wie zum Beispiel auf den Schlaf-Wach-Rhythmus, unsere Konzentration, Körpertemperatur, Hormonausschüttungen oder unsere Stimmung“, erklärt Ell. „All diese Faktoren verlaufen nach einer inneren circadianen Rhythmik, also einer Periodenlänge von etwas mehr als 24 Stunden.“ Das Tageslicht könne helfen, diesen Rhythmus mit der Umwelt zu synchronisieren.
Bei diesem Prozess spielen unter anderem zwei Botenstoffe von Nervenzellen, sogenannte Neurotransmitter, eine wichtige Rolle: Melatonin und Serotonin. „Melatonin sorgt dafür, dass wir müde werden und schlafen“, sagt Ell. „Da Licht die Melantoninausschüttung unterdrückt, sind wir tagsüber wacher. Und wenn das Licht abnimmt, also Melatonin vermehrt ausgeschüttet wird, werden wir müde und können eher einschlafen.“ Außerdem, so erklärt die Psychologin, stimuliert Tageslicht die Produktion von Serotonin, das wiederum unsere Stimmung und unser Wohlbefinden positiv beeinflusst.
Im Winter, wenn die Tage kürzer sind und weniger Serotonin ausgeschüttet wird, haben einige Menschen eine gedrückte Stimmung oder weniger Energie. Bei manchen sind diese Symptome so stark ausgeprägt, dass sie an einer saisonal bedingten Depression leiden, wie der Winterblues im Fachjargon heißt. Was kann man dagegen tun? Johanna Ell empfiehlt möglichst viel Tageslicht: zum Beispiel morgens einen kleinen Spaziergang zu machen oder sich im Berufsalltag seinen Arbeitsplatz so einzurichten, dass man nah am Fenster sitzt, oder in den Pausen rauszugehen. Und sie betont, wie wichtig ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus sei.
Tageslichtlampen als Helfer bei Depressionen
Für alle, denen dies nicht ausreichend gelingt, gibt es Tageslichtlampen. Diese haben die Beleuchtungsstärke von 10.000 Lux und eine Frequenz von 400 bis 480 Nanometern. Das für den Menschen sichtbare elektromagnetische Spektrum des Lichts reicht von 400 bis 700 Nanometern, von ultraviolett, das als kalt, bis infrarot, das als warm empfunden wird. Lux ist eine physikalische Maßeinheit und steht für die Stärke einer gleichmäßigen Beleuchtung auf einer ein Quadratmeter großen Fläche. An Arbeitsplätzen ist eine Mindestbeleuchtungsstärke von 500 Lux vorgeschrieben. Das Tageslicht hat an einem trüben Wintertag etwa 3000 Lux, und an einem hellen Sommertag im Schatten etwa 10.000 Lux. So viel wie eine Tageslichtlampe.
Wer sie einsetzt, sollte sich in den ersten zwei Stunden nach dem Aufstehen 20 bis 40 Minuten davorsetzen und direkt ins Licht schauen, ohne dabei eine Brille oder Kontaktlinsen zu tragen. Johanna Ell empfiehlt zudem, sich vor dem Kauf von einem Augenarzt beraten zu lassen – um Augenerkrankungen auszuschließen, bei denen Tageslichtlampen nicht geeignet sind. Und sie gibt zu bedenken: „Tageslichtlampen können das Tageslicht nicht vollständig ersetzen. Aber Lichttherapie wird bei der saisonal bedingten Depression in Ergänzung zu Psychotherapie und medikamentöser Behandlung empfohlen, um die Stimmung aufzuhellen.“
Human Centric Light für den Arbeitsplatz
Für das menschliche Auge ist das Tageslicht im Prinzip weiß, auch wenn sich die Weißtöne im Tagesverlauf unterscheiden. „Morgens und abends ist das Weiß wärmer, mittags gibt es ein Kaltweiß“, erläutert Gerhard Geibel, Lichttechniker und Geschäftsführer der auf Lichtdesign spezialisierten Planlight GmbH aus Endingen am Kaiserstuhl. Das klassische Kunstlicht aus der Glühbirne indes hat immer dieselbe Weißfarbe und Intensität.
Das ist beim Konzept des Human Centric Lightning (HCL) anders, das seit etwa zehn Jahren die Lichtplanung revolutioniert. Das Licht in einem Büro oder einer Montagehalle wird dabei dem Verlauf des Tageslichts angepasst – und zwar genau so, wie es je nach Tageszeit gerade passend ist. Immer mehr Hersteller entwickeln Lampen, Leuchten und Beleuchtungssysteme, die den Verlauf des Tageslichts imitieren. Dazu zählt der Leuchtenhersteller Waldmann aus Villingen-Schwenningen genauso wie die Schopfheimer Durlum GmbH, die Tageslichtsysteme für Gebäude verschiedener Art entwickelt und produziert.
Planlight-Chef Geibel achtet besonders auf die Auswahl der Weißfarbe und setzt vermehrt Tageslichtsysteme ein, wie er betont. Geibel zeigt Fotos von Büros von Losan Pharma aus Neuenburg, die einmal gelblich wirken und dann wieder beinahe strahlend weiß. So wie das Licht zur jeweiligen Tageszeit draußen. Geibel berichtet von einer Studie des Leuchtenherstellers Trilux in verschiedenen Supermärkten mit und ohne Human Centric Lightning. Diese habe ergeben, dass HCL die Arbeitsunfähigkeitstage von Mitarbeitenden um bis zu 35 Prozent reduzieren, die Schlafqualität dagegen um rund 25 Prozent steigern würde.
Wenn der Feierabend naht, wird das Licht wärmer und signalisiert so dem Körper, dass er runterfahren kann. Wie das genau funktioniert, ist komplex – und das Zusammenspiel der direkten und indirekten Beleuchtung ist dabei wichtig, erklärt Geibel. Also der Lampe, die direkt auf den einzelnen Arbeitsplatz strahlt und der Leuchten, die den Raum insgesamt beleuchten. Dabei können verschiedene Techniken eingesetzt werden. HCL-Konzepte sind etwas teurer als herkömmliche Leuchten, auch wenn sie jüngst günstiger geworden sind als sie es zu Beginn waren. „Aber die positiven Wirkungen wie der Mehrwert für die Mitarbeitergesundheit sind immens und die Kosten amortisieren sich sehr schnell“, sagt der Lichtplaner Geibel.
HCL hat auch Vorteile für die Kunden, beispielsweise in Modegeschäften: Denn diese sehen im Geschäft die Kleidung so, wie sie es auch draußen tun würden. Sie müssen also nicht mehr, wie es sonst häufig der Fall ist, mit dem Kleid oder Anzug der Wahl ins Freie gehen, um zu gucken, wie es wirklich aussieht.