TEXT: JULIA DONÁTH-KNEER
Wer sind die Köpfe hinter den Events? Wir haben sieben erfolgreiche Veranstaltungs-, Gastronomie- und Agenturprofis gefragt, wie sie da gelandet sind, wo sie sind, und was es bedeutet, sein Geld mit Feiern zu verdienen.
Willi Schöllmann, Schoellmanns Bar & Küche, Offenburg
Willi Schöllmann ist ein Selfmademann, ein Autodidakt, der seit seiner Jugend nichts anderes als Gastronomie macht. Als 15-Jähriger begann er als Spüler im Offenburger Café Kakadu, mit 18 Jahren hat er es übernommen – 200 Mark Startkapital in der Tasche. „Seither bin ich der Branche verfallen“, erzählt der 50-Jährige. „Das Zusammensein mit Menschen aus allen Schichten, aller Altersklassen, das Gesellige, all das macht mir Spaß.“
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, das ist für Gastronomen und Gäste Paradedisziplin. Man könnte sagen, dass Schöllmann sie perfektioniert hat: 1997 übernahm er die kultige Red Lounge Bar, 2003 die Zauberflöte mit Bar und Restaurant, 2006 gründete er das Schoellmanns Bar & Küche. 2014 kam das ganze Haus Zauberflöte hinzu mitsamt Hotel, kurz darauf die Eventlocation St. Ursula-Hütte oberhalb von Offenburg. 2020 eröffnete er das Hotel Union, und seit 2023 betreibt er gemeinsam mit Martin Kammerer die Kantine in Stefan Strumbels Kesselhaus. Außerdem ist er Hauptcaterer der Offenburger Reithalle. Allein das ist ein Mammutprojekt. Bestuhlt fasst die Halle in dem historischen Backsteinbau 480 Besucher, unbestuhlt finden annähernd 1000 Menschen Platz. Insgesamt beschäftigt Willi Schöllmann rund 100 Mitarbeitende.
Bei all dem Wirken steht immer die Liebe für herausragende Drinks im Mittelpunkt. Willi Schöllmann hat in den Neunzigerjahren die Barkultur in die Ortenau gebracht, zu einer Zeit, als ein Gin Tonic das höchste der Gefühle gewesen ist. Kern seines Schaffens: Er kreiert Drinks aus regionalen Produkten – Williams Sour statt Whisky Sour zum Beispiel – und gilt damit als Pionier beim Mixen mit Obstbrand. Er hat ein Buch dazu veröffentlicht und veranstaltet jährlich den Black Forest Bar Cup, eine Cocktailmeisterschaft, bei der Barkeeper aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich teilnehmen. Er habe damit ein „Imperium kulinarischer Qualität“ für all diejenigen geschaffen, die sich für „hervorragende Drinks jenseits des Mainstreams interessieren“, schreibt das Fachmagazin Mixology.
Ob seine Ideen im beschaulichen Offenburg funktionieren, wusste der Gastronom am Anfang nicht. „Wir haben einfach immer weiter gemacht, auf hochwertige Produkte gesetzt und richtig gute Drinks gemacht. Mit der Zeit haben wir uns das Vertrauen erarbeitet, dass die Gäste wissen: Was wir tun, schmeckt“, erklärt er.
Mittlerweile ist er selbst zum Produzenten geworden, verkauft einen Aperitif auf Schwarzwälder Roggenbrandbasis und selbsthergestellte Biolimonade. Außerdem setzt er mit befreundeten Winzern eigene Wein- und Sektsorten um, die es ausschließlich in seinen Läden zu kaufen gibt. „In der Gastronomie arbeitest du oft an den Grenzen der Wirtschaftlichkeit. Da muss man dranbleiben“, sagt der 50-Jährige.
Im Laufe seiner 30-jährigen Karriere hat er nicht nur Gäste inspiriert, sondern auch eine Menge Menschen ausgebildet, die heute teilweise zu den Besten ihres Fachs gehören. „Es ist kein Wunder, dass ich so viele ausgebildet habe. Etablierte Bartender aus den Metropolen kommen halt nicht hier her“, mutmaßt der Gastronom. Dass es ihn selbst nie in die Ferne zog, hat auch familiäre Gründe. Er ist mit 18 Jahren zum ersten Mal Vater geworden, hat insgesamt vier Kinder. „Ich bin oft in Großstädten, aber ich komme immer gerne heim. Und ich würde gerne Menschen aus ganz Deutschland oder sogar aus dem Ausland zeigen, was für Möglichkeiten und Vorzüge diese Region bieten kann.“
Tim Pippig, Julia, Jasmin und Niklas Blum, Heuboden, Umkirch
Selbst für die, die sich in der Region wirklich gut auskennen, hält so manche Location eine Überraschung parat. So etwa der Heuboden in Umkirch. Dass man hier am Wochenende bis spät in die Nacht feiern kann, dass auch die älteren Semester zum Tanzen herkommen und dass es ein hauseigenes Restaurant gibt, das wissen wahrscheinlich die meisten – zumindest vom Hörensagen. Aber was alles wirklich zum Heuboden gehört, ist noch viel mehr.
Fangen wir beim Hotel an. Tim Pippig, Betriebsleiter des Heuboden Dancing Clubs, sitzt beim Interview im Hotel Landhaus Blum, direkt gegenüber dem Heuboden. Das zehn Jahre alte Viersternehaus ist ein klassisches Businesshotel mit insgesamt fünf Tagungsräumen. 2019 eröffnete die Betreiberfamilie Blum ein zweites Hotel: das Heuloft hinter dem Heuboden-Areal. Es ist moderner geplant als das mediterran-elegante Landhaus Blum. Hier kommen zum Beispiel Profifußballmannschaften aus dem Frauen- und dem Männerbereich unter, wenn sie gegen den SC Freiburg spielen. Die Zimmer sind größer, es gibt Suiten mit Saunen. Insgesamt sind es nun 200 Betten.
„Die wenigsten wissen, wie viel um den Heuboden herum passiert“, sagt Tim Pippig. Der 30-Jährige ist der Lebensgefährte von Julia Blum, die gemeinsam mit ihren Geschwistern Jasmin und Niklas Blum vor zwei Jahren die Unternehmensführung von ihrem Vater Gerd Blum übernommen hat. Gerd Blum war es, der den Heuboden 1978 gegründet und seither zu einem Erlebnislabyrinth ausgebaut hat. Heute gibt es neben dem Musikstadl mit Partymusik und zwei Tanzbereichen, die Club Disco über zwei Etagen sowie die Tanz Tenne für Standardtanz. Bis zu 1500 Gäste finden Platz. Das Restaurant Landhaus Blum mit 120 Sitzplätzen im Innen- und 75 weiteren Sitzplätzen im Außenbereich befindet sich im selben Gebäude. Dazu kommen die beiden Hotels und die Tagungsräume, die auch einzeln gemietet werden können. 45 Festangestellte beschäftigt das Unternehmen, dazu 180 Minijobber. Allein in der Disco sind am Wochenende zusammengerechnet 50 Kräfte im Einsatz.
Nun führt die nächste Generation dieses Umkircher Imperium. Niklas Blum hat die gehobene bürgerliche Küche im Schwarzen Adler in Oberbergen gelernt, war auf Sylt bei Jörg Müller und im Gasthaus Sonne in Wildtal, bevor der 29-Jährige als Küchenchef ins Heuboden-Restaurant zurückkam. Die Zwillingsschwestern Julia und Jasmin Blum haben beide BWL studiert. Während sich Julia um Personal und Hotel kümmert, liegen Marketing und Clubbetrieb in Jasmins Verantwortung.
Heute leiten die drei Geschwister gemeinsam das Familienunternehmen. Und auch wenn die junge Generation jetzt ran darf, führen sie vieles weiter, was Papa Gerd Blum über die Jahre aufgebaut hat. Hotel- und Restaurantgäste bekommen freien Eintritt in die Disco – ein Konzept, das funktioniert. Verschiedene Musik auf mehreren Tanzflächen, neun Theken, moderate Preise. „Zu uns kommen Eltern mit ihren Kindern. Die einen gehen in die Tanz Tenne zum Discofox, die anderen zur Club Disco“, erklärt Pippig. „Wir setzen auf die Breite im Publikum und wollen sie unbedingt erhalten.“
Bela Gurath, Sea You, Freiburg
Dass Bela Gurath in Freiburg gelandet ist, ist reiner Zufall. Der gebürtige Berliner will fürs Studium eigentlich nach München, der Uniplatz wird ihm aber in Freiburg zugewiesen. Bela Gurath kommt trotzdem – und bleibt. Noch während seines VWL-Studiums eröffnet er zwei Modeboutiquen in der Stadt und beginnt Partys zu organisieren, um seine Klamotten zu präsentieren. Die Veranstaltungsreihe wird zum Renner. Gemeinsam mit seinem Kommilitonen Frank Böttinger gründet er die Firma Endless Event. Das Konzept: DJs, Mode, ungewöhnliche Location. Später wird er das Festival Sea of Love an den Tunisee bringen – und mit ihm DJs wie David Guetta oder Sven Väth.
Heute, viele Jahre später, gehört der mittlerweile 55-Jährige zu den erfolgreichsten Veranstaltern in der Region. Zum Interview treffen wir uns im Sea-You-Büro am Freiburger Stadtrand. An den Wänden hängen großformatige Fotos vergangener Festivals, alte und neue Poster. 2023 kamen pro Tag rund 23.000 Leute zur Sea You. Insgesamt verkaufte er über 60.000 Tickets. Die ganze Produktion kostet etwa 7,2 Millionen Euro. „Wir werden nie Europas größtes Festival sein, das wollen wir auch gar nicht“, sagt Gurath. „Aber wir wollen eins der schönsten sein – und das gelingt uns gut.“ Jeder Mülleimer auf dem Gelände ist dekoriert, an der Ausstattung von Bühnen, Zelten, Theken, Loungebereichen arbeitet sein Team monatelang.
Bela Gurath denkt groß. Nach Vorbildern gefragt, nennt er das Tomorrowland in Belgien, das Burning Man Festival in Nevada, USA. Seit 2023 gehört er zu den Machern der Münsterplatzkonzerte, brachte im vergangenen Sommer den DJ-Giganten Carl Cox mitten in die Stadt. Die Münsterplatzkonzerte, an denen auch Marc Oßwald mit Vaddi Concerts sowie die Albert Konzerte und das Freiburger Barockorchester beteiligt sind, werden auch in den kommenden Jahren stattfinden.
Neben den beiden Projekten veranstaltet Gurath auch das Schlossbergfest. „Ein Liebhaberprojekt, das vielen Besuchern und mir ans Herz gewachsen ist.“ Auch wenn er im vergangenen Jahr extremes Wetterpech hatte. „Kann ja keiner damit rechnen, dass es an acht von neun Tagen im Freiburger August regnet. Aber dieses Risiko hast du bei Open-Air immer.“
Drei Großevents im Jahr, daran arbeiten acht Menschen mit Bela Gurath. In den Wintermonaten gilt für alle Angestellten eine Vier-Tage-Woche, um die Mehrarbeit während der heißen Veranstaltungsphasen aufzufangen. Die Planung für die Sea You laufen schon im Februar auf Hochtouren, 2024 wird Zehnjähriges gefeiert. „Wir haben sehr viele Wiederkehrer. Die verlassen sich darauf, dass sie jedes Mal Neues erleben“, erklärt Gurath. Natürlich helfe ihm die Erfahrung als Partymacher, manches schaut er sich auf internationalen Topevents ab. „Es sind die vielen kleinen Dinge, die am Ende ein großes Erlebnis schaffen.“ Das Line-up für 2024 steht zu großen Teilen bereits, der Ticketverkauf läuft. Worauf er im Jubiläumsjahr setzt, erzählt er nicht. „Ich verrate keine Details, damit auch wirklich alle überrascht werden.“
Mike Wutta und Thomas Wenger, Trend Factory, Rottweil
„Keiner, der den Mut besessen hat, hierher zu kommen, hat es bereut“, sagt Mike Wutta im Zoom-Call. Er ist ein vielbeschäftigter Mann, das Interview findet lange nach Feierabend statt – aber bei Menschen, die im Eventbereich arbeiten, ticken die Uhren halt anders. Wutta hat gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Thomas Wenger 1996 die Trend Factory gegründet, veranstaltet Events und Feste, nicht nur in der Region. „An Berlin führt kein Weg vorbei“, sagt der 53-Jährige.
Die Trend Factory übernimmt das ganze Paket für Businessveranstaltungen: Organisation, Teilnehmermanagement, Technik, Gewerke. Rund 24 Millionen Umsatz bringt das im Jahr, immerhin 30 Prozent davon machen sie in Rottweil. Hier haben Mike Wutta und Thomas Wenger 1999 das Kraftwerk gekauft und die Industrieruine zur eigenen Marke aufgebaut. Heute zählt das Kraftwerk zu den gefragtesten Locations in ganz Deutschland, hat diverse Auszeichnungen erhalten. Es sei die beispiellose Faszination des Ortes, der die Leute immer wieder begeistert, meint Wutta. „Jedes Projekt hier fühlt sich gut an. Der Wow-Effekt ist unvergleichbar.“
Die Schwarz Gruppe, zu der der Lidl-Konzern gehört, zählt zum Beispiel zu den Kunden. Ihre Mitarbeitenden reisen aus ganz Europa nach Rottweil. Der Kundenstamm der Trend Factory liest sich ohnehin wie ein Auszug aus dem DAX: Allianz, SAP, Deutsche Bahn, EnBW. „Es hat sich viel getan in Rottweil“, sagt Wutta. Die Anbindung an Zug (Stuttgart) und Flug (Zürich) sei ebenso wie die Hotelinfrastruktur mittlerweile sehr gut. „Wir können im Umkreis von 25 Kilometern 2000 Betten belegen, das ist in Berlin auch nicht besser.“
Gegründet haben die beiden Freunde die Trend Factory, als sie Mitte 20 waren. „Es war eine Art jugendlicher Unbekümmertheit. Wir wollten Partys machen“, erinnert sich Mike Wutta. „Wir haben uns mit dem Markt gemeinsam entwickelt, und er hat uns mitgezogen.“ Heute hat die Trend Factory 50 Festangestellte plus einen Pool an Aushilfen. Den Enthusiasmus für gute Partys haben sich die beiden Gründer über all die Jahre erhalten. „Wir brennen für unsere Projekte, egal, wo sie stattfinden“, sagt Wutta. „Aber wir bleiben in Rottweil verwurzelt. Für uns hätte ein zweites Büro keinen Mehrwert.“
In ihren 30 Jahren am Markt habe sich vieles verändert, vor allem bei den Auftraggebern. „Den Firmen sind ihre Marken wichtiger geworden. Es wird nicht nur gefeiert, sondern es geht um eine Botschaft, die gesendet werden soll“, fasst er zusammen. „In den Nullerjahren wurden aus normalen Konferenzen plötzlich Business-Festivals. Heute ist es volatiler, unvorhersehbarer, agiler. Das hat auch Corona verursacht.“
Im vergangenen Jahr habe es eine Renaissance der Face-to-Face-Begegnungen gegeben, die mit voller Wucht zurückkamen. Alle wollten vor Ort sein, sich sehen, zusammenkommen. „Dieser Gedanke wird jetzt sogar noch größer“, sagt Mike Wutta. „Das liegt auch daran, dass durch neue Arbeitsstrukturen wie Homeoffice und Remote-Work viel Unternehmenskultur verloren zu gehen droht.“ Den Unternehmen gehe es darum, Mitarbeitende zu motivieren, ihre Netzwerke aufzubauen, zu erhalten und neu zu entdecken. „Immer mehr Firmen merken, dass dafür der Live-Event essenziell ist.“ Für Eventveranstalter ein Segen. Daher blicken Wutta und Wenger positiv ins Jahr. „2023 war hintenraus schon sehr stark. Und 2024 scheint sogar so gut zu werden wie früher.“
Marc Oßwald, Vaddi Concerts, Freiburg
Wer etwas über Veranstaltungen in Freiburg wissen will, sollte Marc Oßwald fragen. Der Inhaber der Vaddi Concerts GmbH ist ein Musikurgestein. Der gebürtige Tübinger hat in seiner Heimatstadt schon als Schüler angefangen, Konzerte zu organisieren. „Meine Freunde waren in coolen Bands, ich konnte nur Waldhorn spielen – nicht sonderlich Rock’n’Roll-tauglich“, erzählt der 59-Jährige beim Gespräch in seinem Freiburger Büro in der Kaiser-Joseph-Straße. „Also wurde ich der Manager, besorgte Gigs und kümmerte mich um die Auftritte.“ Dabei stellte er sich so gut an, dass er die Band seines Freundes bis nach Hamburg brachte.
Nach dem Abitur studierte Marc Oßwald BWL in Tübingen, kümmerte sich nebenher weiterhin ums Bandmanagement und veranstaltete Konzerte in einem Club, der seinem WG-Kollegen gehörte. „Innerhalb eines Jahres haben wir aus einem abgewirtschafteten Schuppen einen legendären Ort gemacht.“ Dort traf er schließlich auf Dieter Thomas Kuhn & Band, die er ab 1993 drei Jahrzehnte lang als Manager und Tourveranstalter begleiten sollte.
2001 holte ihn Koko Entertainment als Geschäftsführer nach Freiburg, von 2007 bis 2020 leitete er außerdem das ZMF. Nach dem Ende von Koko gründete Marc Oßwald 2017 die Vaddi Concerts GmbH, zweiter Geschäftsführer ist Ferdinand Kraemer. Vaddi macht die ganz großen Events: Scooter in der Sick-Arena, die Stadiontour von Pink. Seit letztem Jahr die Münsterplatzkonzerte gemeinsam mit Kollegen der Sea You, Albert Konzerte und dem Freiburger Barockorchester. Und obwohl Vaddi Concerts einen regionalen Fokus hat, veranstaltet das Unternehmen Konzerte auch außerhalb der Region – von Stuttgart bis Berlin in den größten Arenen. „Das ist etwas, was hier fehlt“, bemängelt Oßwald. „In Freiburg haben wir keine reine Veranstaltungshalle wie sie es zum Beispiel in Stuttgart mit der Schleyer-Halle, oder in Frankfurt mit der Festhalle, in Mannheim mit der SAP-Arena gibt. Hier können wir die Messe nur nutzen, wenn sie frei ist.“
Insgesamt kommt Vaddi Concerts auf rund 300 Veranstaltungen im Jahr, viele davon sind kleine Konzerte in Läden wie dem Räng Teng Teng, dem Artik, Räume, die mit 100 Leuten brechend voll sind, dazu Jazzhaus, E-Werk, Crash. Immer noch sind die Club-Gigs Herzensprojekte. „Freiburg hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Wir sind weit vorne mit den Besucherzahlen bei den Clubshows“, sagt Marc Oßwald. „Damit verdienen wir kein Geld, aber es macht Spaß und es gehört dazu, neue Bands aufzubauen.“ Er weiß, welcher Laden mit welchen Musikern funktioniert – „die Glaubwürdigkeit des Clubs hilft uns enorm. Wenn das der falsche ist, erreichst du deine Zielgruppe nicht.“
Dafür spart er an Werbung: Bei den Clubkonzerten verzichtet er fast komplett auf klassische Marketingmaßnahmen. „Die Zeiten von Plakatkampagnen sind vorbei“, erklärt Oßwald. „Früher gab es regelrechte Kriege, wer wann wo plakatieren darf. Heute läuft alles über Social Media.“ Von 2024 erwartet er viel: „Ich hoffe, es findet sich eine gute Balance. Die Leute wollen raus, wollen auf Konzerte, aber das verfügbare Einkommen ist begrenzt.“ Daher bereiten ihm die exorbitanten Ticketpreise für Superstars wie Coldplay oder Taylor Swift Kopfschmerzen. Denn: „Die Leute zahlen das, sie gehen trotzdem hin – und brauchen an einem Abend ihr ganzes Budget für Freizeitvergnügen auf.“ Vielleicht liegen ihm daher die kleinen Konzerte in den coolen Clubs so sehr am Herzen. Viel mehr als 20 Euro kosten die nicht.
Petra Reischmann, Mehrpunkt, Freiburg
Die besten Partys finden in der Küche statt. „Das mag ein abgedroschener Spruch sein“, sagt Petra Reischmann. „Aber er stimmt.“ Die 40-Jährige ist Inhaberin der Agentur Mehrpunkt und betreibt gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Nicolas Häbel neben der Eventagentur die „Lokation“ in der Freiburger Lokhalle. Dieses familiäre Zusammenstehen in der Küche, ungezwungene Gespräche, Wohlfühlatmosphäre, das will Petra Reischmann auch Firmen ermöglichen. Die Lokation ist ein Veranstaltungsort, wie es ihn wohl so kein zweites Mal in Freiburg gibt: ein Raum mit riesiger Küche, hohen Wänden, Holzdielen und einem Selbstbedienungskühlschrank – „damit man sich wirklich wie zuhause fühlt, nur in etwas größerem Rahmen“, sagt Petra Reischmann, die ursprünglich Tourismuskauffrau gelernt hat. Nach einem BWL-Abendstudium hat sie mit Nicolas Häbel im Jahr 2011 die Agentur gegründet, die wächst seither stetig weiter. Mittlerweile hat Mehrpunkt 17 festangestellte Mitarbeitende, dazu kommt ein großer Pool an freien Kräften.
„Die ursprüngliche Idee der Einrichtung basiert auf Kooperationskonzepten mit regionalen Herstellern“, erklärt Reischmann. Die große Küche kommt von Ikea und die Stühle vom Endinger Möbelhersteller Girsberger. In der Lokation finden nicht nur private Partys und Firmenevents statt, es gibt auch Pressekonferenzen, Tagungen und Workshops, außerdem einen zweiten Raum für kleinere Gruppen – beide mit Tagungstechnik ausgestattet.
Um die 200 Veranstaltungen jährlich finden hier statt, doch die Lokation ist nur ein kleiner Teil des Geschäfts von Mehrpunkt. Der Großteil sind Firmenevents, die die Agentur teilweise bundesweit begleitet. Zu den Kunden gehören regionale Big Player wie Sick, Straumann oder die IHK, aber auch die Frankfurter Volksbank. „Wir haben vor Jahren mal ein Event der Bank in Freiburg begleitet, seither sind wir für ihre Veranstaltungen mit im Boot“, erklärt Reischmann. Eventmanagement sei ein persönliches Geschäft und baue auf einem großen Vertrauensverhältnis auf. Wer für eine einzelne Veranstaltung zehn- oder hunderttausende von Euros in die Hand nimmt, möchte sich darauf verlassen, dass alles genauso läuft wie erwartet. „Ich arbeite mit Menschen, nicht mit Unternehmen“, fasst Petra Reischmann zusammen. Diese Menschlichkeit ist ihr wichtig und so etwas wie die DNA von Mehrpunkt. „Wir müssen es richtig machen. Nicht nur für die Kunden, sondern auch für unsere Angestellten, sonst können wir weder die einen noch die anderen halten“, betont sie.
Die Agentur betreut Jubiläumsfeiern, Hausmessen, Mitarbeiterevents, oft vollständig, manchmal teilweise. Dabei baut die Unternehmerin auf ihre jahrelange Erfahrung und auf ein Netzwerk, das sie trägt. „Wir sind lange genug am Markt, unser Netzwerk steht wie eine Eins“, sagt Petra Reischmann. Und da machen nicht nur Küchenpartys Spaß.
Matthias Blattmann, Tanzschule Gutmann, Freiburg
Berufswunsch: Tanzlehrer. Damit konnten die Eltern von Matthias Blattmann zunächst nichts anfangen. Die Mutter Ärztin, der Vater Chemiker, beide sahen den Sohn eigentlich an der Universität. Aber der ging seinen eigenen Weg. „Ich habe gemacht, was mich angetrieben hat und wurde Tanzlehrer“, erzählt der 51-Jährige beim Interview. Wir sitzen im Ballhaus mitten im Gewusel zwischen Mamas und Papas, die ihre Kinder zum Ballett bringen oder mit Cappuccino und Zeitschrift im Café warten, bis der Kurs endet.
Das Ballhaus, einer der vielseitigsten Veranstaltungsräume in Freiburg, zeigt, was aus Matthias Blattmann schließlich geworden ist: Inhaber und Geschäftsführer der Gutmann Gruppe, zu der neben der Tanzschule Gutmann, ein Gastronomiezweig, die Firmen Gutmann Events und Gutmann Media gehören sowie die Marke Tanzloft mit zehn Standorten und die Black Forest Bar Academy. Heute beschäftigen die drei Gesellschafter – neben Blattmann sind Johnny Schmidt-Brinkmann und Christian Spengler beteiligt – 210 Mitarbeitende allein in Freiburg.
1995 stieg Blattmann in die Tanzschule Gutmann ein, 1998 übernahm er sie als 25-Jähriger. 2016 eröffnete er das Ballhaus auf dem Ganter Areal in der Leo-Wohleb-Straße. „Das war die beste Entscheidung, die wir in unserer Historie getroffen haben“, sagt der Unternehmer. „Nach acht Jahren ist die Bilanz fantastisch.“ Mit Wagniskapital und recht viel Risikobereitschaft wurde das ehemalige Fabrikgebäude, das jahrelang als Abfüllhalle von Coca Cola gedient hatte, umgebaut. Insgesamt seien etwa 2,4 Millionen Euro von Gutmann und nochmals rund 6 Millionen Euro seitens der Ganter Grundstücksgesellschaft reingeflossen, schätzt Blattmann. Alles ausgelegt auf die Bedürfnisse von guten Events: Trittschalldämpfung, Isolierung, Licht- und Farbkombinationen, Akustikdecken und Audiokonzepte. „Eine gute Party geschieht nicht einfach so“, erklärt Matthias Blattmann. „Eine Veranstaltung lebt vom Zusammenspiel. Es geht immer um die Atmosphäre, ganz vieles passiert unterbewusst.“ Was macht der Schall, wie ist das Licht – all das beeinflusst die Stimmung der Gäste.
5500 Menschen tanzen regelmäßig bei Gutmann, wöchentlich finden 300 Kurse statt, damit gehört die Tanzschule zu den größten in Europa. Allein das Ballhaus hat 15 Tanzsäle und Platz für 2000 Menschen. Doch längst ist Gutmann keine reine Tanzschule mehr. „Wir haben uns weiterentwickelt“, sagt Matthias Blattmann. „Wir haben uns immer mehr im Veranstaltungsbereich verankert und uns zum Ziel gesetzt, Tanzveranstaltungen im Süden Deutschlands zu positionieren.“ Dazu gehören zum Beispiel das Euro Dance und das Ladies Only Festival im Europa-Park, die Gutmann seit 18 Jahren veranstaltet. 170 Trainerinnen und Trainer, tausende Teilnehmende, 150 Aushilfen, 5000 Arbeitsstunden. „Da stecken so viel Blut, Schweiß und Tränen drin, ein Selbstläufer wird das nie“, sagt Blattmann. „Aber das wollen wir auch nicht. Wir wollen jedes Jahr Neues bieten. Neue Shows, neue Ideen, neue Highlights.“
Die Ideen gehen nicht aus: Seit 2021 gibt es die Jack & Chill-Lounge im Erdgeschoss des Ballhauses, mietbar für Geburtstage und Hochzeiten. Die Räume oben sind vielseitig einsetzbar, werden von Unternehmen wie Lufthansa, Facebook, Haufe für ihre Firmenevents gebucht, vier Mal im Jahr schreiben hier angehende Juristinnen und Juristen ihr Staatsexamen. Dazu kommen eigene Veranstaltungen wie der Wirtschaftsball. Und auch Matthias Blattmann hat sich verändert. Wie er es geschafft hat, aus einer alteingesessenen Tanzschule ein Eventunternehmen zu machen, hat er aufgeschrieben. Sein Buch „Sie verlassen nun die Komfortzone“ ist 2022 bei Herder erschienen.