Unser Gastautor Florian Städtler hat als Gründer und Geschäftsführer der Freiburger Eventagentur Spielplan4 schon zahlreiche Firmenfeste organisiert und schreibt hier über die Suche nach emotionalen Highlights und den Sinn von Events.
TEXT: FLORIAN STÄDTLER
Die Antwort auf die Titelfrage erscheint auf den ersten Blick ganz simpel: In einer atemlosen Gesellschaft, in der trotz (oder wegen) aller digitaler Hilfsmittel Zeit und Aufmerksamkeit immer wertvollere Güter werden, brauchen die Menschen Abstand, Entspannung und regelmäßige Auszeiten. Einen Abend lang nicht an die Krisen der Welt oder das nächste große Arbeitsprojekt denken. Menschen wollen sich ablenken. Deshalb feiern sie.
Das Bonmot „Jeder Bauer mit Scheune ist ein Eventmanager“ beschreibt das Phänomen der „Eventisierung“: Fast jedes Ereignis wird zum Event stilisiert. Ist dieser Trend die logische Antwort auf den privaten und beruflichen Alltagsstress? Können sich die Menschen wirklich glücklich feiern? Oder sind die immer häufigeren, privat oder vom Arbeitgeber inszenierten Glücksmomente nur eine Flucht aus dem öden Alltag?
Das mit der Glücksforschung ist ja so eine Sache. Über die Aussagekraft von sozialwissenschaftlichen Studien lässt sich generell prächtig streiten. Worüber hingegen weitgehende Einigkeit besteht, ist die Tatsache, dass Menschen sehr unterschiedlich ticken. Und dass es daher schwierig bis unmöglich ist, eine für alle gültige Glücksformel zu finden.
Die Harvard Medical School hat das über einen Zeitraum von 80 Jahren versucht. Von 1938 bis 2022 untersuchten die Forschenden 2000 Personen. Das Ergebnis kann man im Buch „The Good Life“ von Robert Waldinger und Marc Schulz nachlesen. Im Kern identifizierte die Studie, trotz aller Komplexität in der Sache, einen zentralen Faktor zum glücklichen Leben: gute Beziehungen. Und zwar zum Lebenspartner, zu Familienmitgliedern und Freunden. Aber auch zu Kolleginnen und Kollegen, Nachbarn und sogar flüchtigen Bekanntschaften.
Ein milliardenschwerer Markt
Es heißt nicht zufällig „Wir gehen feiern.“ Die wenigsten gehen allein auf eine Party, zum Familientreffen oder auf die Weihnachtsfeier. Festivitäten und Events aller Art sind soziale Ereignisse, die Gemeinschaft stiften und erhalten. Menschen zeigen sich, wollen gesehen werden, sprechen miteinander, haben Spaß, lernen sich besser kennen, vernetzen sich oder kommen sich privat näher. Ablenkung und Beziehungspflege sind also zwei zentrale Motive, warum seit Menschengedenken gefeiert wird. Schaut man auf die Breite des Erlebnisspektrums, für die der Oberbegriff „Event“ heute gebraucht wird, so findet man aber noch vielfältige andere Beweggründe, Anlässe zum Feiern zu schaffen und wahrzunehmen.
Festivitäten und Events aller Art sind soziale Ereignisse, die Gemeinschaft stiften und erhalten.
Waren es früher vor allem die Kirchen und Staaten, die durch religiöse und nationale Feiertage diese Anlässe und die dazu notwendige Freizeit geschaffen haben, so ist es heute eine hochentwickelte Industrie, die zwei Arten von Events konzipiert, organisiert und produziert. Da sind zum einen die professionellen Party-, Fest-, Sport- und Konzert-Veranstalter, die als Teil der Freizeitwirtschaft „Public Events“ vom Dorfhock bis zum Mega-Rave auf die Beine stellen und per Ticket- und Gastronomieeinnahmen vermarkten. Zum anderen hat die Nachfrage nach Firmenveranstaltungen, Konferenzen und Messen zu einer Professionalisierung der Konzeption, Organisation, Durchführung und Dokumentation von „Corporate Events“ verschiedenster Couleur geführt. Die veranstaltenden Organisationen arbeiten dazu mit Agenturen und Spezialdienstleistern der Gewerke Catering, Messe- und Bühnenbau, Künstler- und Vortragsrednervermittlung, Veranstaltungstechnik, Mobiliar und Sicherheit zusammen. Die Veranstaltungs- und Messebranche ist als Teil der Kreativ- und Freizeitwirtschaft ein milliardenschwerer Markt.
Events als Kommunikationsmittel
Unternehmen, die jede Investition auf ihren Nutzen prüfen müssen, begründen ihre Veranstaltungsbudgets auf vielfältige Weise: Sie nutzen Events für Produktpräsentation, Vertriebsunterstützung, Teambuilding, Wissensvermittlung, Stärkung der Unternehmenskultur, Incentivierung von Höchstleistungen und Imagepflege. Heute außerdem immer wichtiger: der Aufbau und die Stärkung der eigenen Arbeitgebermarke, im Marketingjargon: Employer Branding.
Tatsächlich fließen die Mittel der Eventbudgets seit einigen Jahren stärker in Richtung Mitarbeiterfindung und -bindung als in pompöse Markenpräsentationen und gigantische Messestände. So feiern die Azubis von Einzelhandelskonzernen heute rauschende Galas, aus Mitarbeiterfesten werden spektakuläre Erlebnisjahrmärkte und zum „Rundum-Happy-mit-Benefits“-Paket der Recruiting- und Employer-Branding-Beauftragten gehören regelmäßige Info- und Edutainment-Veranstaltungen.
Die Menschen kaufen Konzert- und Festivaltickets im Wert von mehreren Hundert Euro. Und Unternehmen investieren fünf- bis siebenstellige Beträge in Live-Kommunikations-Maßnahmen. Ergibt das Sinn oder ist es sinnfreier Aktionismus? Weil Events und die Live-Kommunikation der Firmen im Handumdrehen zum teuren Spaß werden, ist eine gesunde Skepsis angebracht. Auch deswegen, weil die Wirksamkeit von Corporate Events bis heute schwer messbar bleibt. Was also ist der richtige Weg, Sinnvolles von Sinnlosem zu unterscheiden?
Über den Sinn und Unsinn von Partys und Konzerten zu diskutieren, klammere ich hier aus: Was nicht sittenwidrig oder verfassungsfeindlich ist und Tickets, Essen sowie Getränke verkauft, ist wirtschaftlich sinnvoll – und wird deswegen stattfinden.
Über den Sinn und Unsinn von Partys und Konzerten zu diskutieren, klammere ich hier aus: Was nicht sittenwidrig oder verfassungsfeindlich ist und Tickets, Essen sowie Getränke verkauft, ist wirtschaftlich sinnvoll – und wird deswegen stattfinden.
Für Unternehmen, die Events als Kommunikationsinstrument nutzen, sind die Überlegungen komplexer. Ein erster sinnstiftender Schritt wäre die Frage nach dem Wofür. Voraussetzung für eine Antwort auf diese Frage sind eine übergeordnete Kommunikationsstrategie und die dazugehörigen Ziele. Hat man im ersten Schritt den Zweck des Ganzen fixiert, könnte man sich am Leitbild des Unternehmens orientieren und so handlungsleitende Prinzipien finden. Zum Beispiel „unsere Veranstaltungen enthalten stets partizipative Elemente“ oder „wir kompensieren den CO2-Ausstoß unserer Events.“ Solche Prinzipien erleichtern alle späteren Entscheidungen zu Inhalt, Format und Design der Veranstaltung.
Ein dazu passender Leitspruch, der gute Projekte und Wirksamkeit im Allgemeinen beschreibt, lautet: „Ein Konzept ist ein Rezept gegen Beliebigkeit.“ Sinn und Wirkung entstehen, wenn man sich die Mühe macht, konzeptionell zu denken. Konkret heißt das, eine packende Idee, eine starke Story zu entwickeln, statt einfach anlassbezogen „Irgendwas mit Events“ zu machen und unter Umständen ordentlich Geld zu verbrennen. Egal, ob wir feiern gehen oder eine wirklich nutzbringende Firmenveranstaltung erleben: Hinter jedem gelungenen emotionalen Highlight steckt eine vernünftige Idee. Dann wird aus einem Event noch viel mehr als Ablenkung und emotionales Strohfeuer. Dann können gelungene Begegnungen Menschen zusammen und Unternehmen weiterbringen.