100.000 Menschen an vier Tagen besuchten 2023 das Weinfest in Breisach. Eine solche Großveranstaltung ist eine logistische und ökologische Herausforderung. Langfristig soll das Fest klimaneutral werden. Das Ziel ist gesetzt, der Weg dorthin noch weit.
TEXT: CHRISTINE WEIS
Die Umzugskartons stehen noch im Büro von Frank Dinger im Breisacher Rathaus. Obwohl er erst seit zwei Wochen im Amt ist und von Termin zu Termin eilt, nimmt sich der 49-jährige Projektmanager Anfang Februar Zeit für ein Gespräch. Dinger ist jetzt verantwortlich für die Organisation des Breisacher Weinfests, das die Stadt im zweiten Jahr federführend veranstaltet. 2023 fand es zum ersten Mal unter der Regie der Kommune statt, früher war die Wein-Marketing GmbH dafür verantwortlich. Das Bezirksweinfest, wie es offiziell heißt, gibt es seit 1968 in Breisach. Für die zwölf Kaiserstühler Winzergenossenschaften, den Verein Tuniberg-Wein und den Breisacher Winzerkeller ist das Fest im Fritz-Schanno-Park zwischen Rhein und Münsterberg eine wichtige Einnahmequelle und guter Absatzmarkt. 100.000 Menschen kamen letztes Jahr zum Feiern und das trotz durchgängig schlechten Wetters. Die Vorbereitungen zum viertägigen Weinfest, das heuer vom 30. August bis 2. September stattfindet, laufen bereits seit Dezember.
Mehrweg, Müll, Mobilität
Auf Dingers Schreibtisch stapeln sich die Bewerbungen der Imbissanbieter. „Das Essensangebot sollte zum Wein passen, wir entscheiden aber auch nach Aspekten der Nachhaltigkeit“, sagt der Projektmanager. Plastikteller und -besteck seien in heutiger Zeit ein No-Go und sollten nach und nach vom Weinfest verbannt werden. Nur bedingt gebe es bislang ein Pfandsystem mit Mehrweggeschirr – auch das stehe auf der Agenda für die Zukunft. Dafür benötige man jedoch mehr Personal, Spülmaschinen, Wasser und Energie. Dennoch sei das Mehrwegsystem umweltschonender als Einwegbehältnisse, selbst wenn diese aus Pappe oder Mais bestehen. „Schritt für Schritt soll das Breisacher Weinfest CO2-neutralwerden, bis dahin ist es noch ein weiter Weg“, sagt Frank Dinger. Zwei Bereiche greift er in dem Zusammenhang heraus: Müll und Mobilität. Die Stadt mietet für die vier Festtage eigens ein Müllfahrzeug an, das mit Sondergenehmigung am Festwochenende täglich im Einsatz ist. Bei der hohen Besucherfrequenz sei Müll unvermeidbar, aber noch mehr Abfall soll es nicht geben, so Dinger.
Der Stoffkreislauf bei Glas liegt bei circa 90 Prozent. Im Gegensatz zu Plastik kann man Glas unendlich wiederverwerten.“
Christian Hurst, Geschäftsführer Südglas
Immerhin die Weinflaschen werden recycelt. 37.000 Weinflaschen sammelte die ortsansässigen Firma Südglas beim vergangenen Fest ein und transportiere sie zur Einschmelzung in die Glashütten nach Großbreitenbach. „Der Stoffkreislauf bei Glas liegt bei circa 90 Prozent. Im Gegensatz zu Plastik kann man Glas unendlich wiederverwerten“, erklärt Christian Hurst, Geschäftsführer von Südglas. Bevor Südglas seine Waschanlage 2017 einstellte, wurden jährlich rund 10 Millionen Literflaschen gereinigt. Aktuell werden in Baden- Württemberg noch etwa 25 Millionen Ein-Liter-Schlegel-Flaschen mit kurzem MCA-Verschluss gereinigt, berichtet Hurst. Ein großes Hindernis für ein funktionierendes Mehrwegsystem seien die vielen unterschiedliche Flaschenformen, Selbstklebeetiketten und der lange Verschluss, von dem ein Teil an der Flasche verbleibt.
„Schritt für Schritt soll das Breisacher Weinfest CO2 neutral werden, bis dahin ist noch ein weiter Weg.“
Frank DInger, Sttaddt Breisach
Bei den Weingläsern gibt es wie beim Essen kein Pfandsystem. Die Besucher können jedoch ihr eigenes Glas mitbringen oder eines kaufen, wie man es von vielen Weinfesten in der Region kennt. Seit 2023 gibt es Stilgläser, sie kosten fünf Euro, die einfacheren DOC-Gläser drei Euro. Der Gläserverkauf ist eine Einnahmequelle für das Weinfest.
Das zweite Sorgenkind ist die Mobilität. Viele reisen mit dem Auto an. „Obwohl es mit Bus-Shuttles in die umliegenden Gemeinden und ins Elsass eine gute Alternative gibt“, sagt Frank Dinger. Zudem hat Breisach eine gute ÖPNV-Anbindung mit der Breisgau S-Bahn, die in Richtung nach Freiburg und Endingen bis halb eins in der Nacht fährt. Es ist also noch viel Luft nach oben, denn die großen Parkflächen beim Badischen Winzerkeller und dem ehemaligen Firmengelände von Birkenmeier werden stark frequentiert. „Immerhin vermeiden wir mit den Pendlerbussen und dem Badenova-Bähnle von den Parkplätzen zum Festgelände, dass die Autos auf der Suche nach einem Stellplatz lange umherkurven“, berichtet Dinger.
70 Prozent aller CO2-Emissionen bei Veranstaltungen fallen bei der An- und Abreise der Besucher an, rechnen Nils Cordell und Heiner Weigand in ihrem bei Haufe erschienenen Band „Nachhaltigkeit im Eventmanagement“ vor. Die beiden haben für ihr Buch mit zahlreichen Veranstaltungsexperten gesprochen und viele Studien ausgewertet. Cordell ist Projektleiter des Euro Dance Festivals sowie Festivalleiter des Ladies Only Festivals im Europa-Park. Der Betriebswirt Weigand hat eine Beratung für Nachhaltigkeitsmanagement in Freiburg. Die Experten raten dazu, vermehrt Anreize zu schaffen, damit die Menschen mit Bus und Bahn reisen, etwa Kombiangebote.
Das Breisacher Weinfest kostet keinen Eintritt. Ausnahme war 2023 der von My Kaiserstuhl bespielte Eventbereich, in dem DJs und Bands auftraten, die ein junges Publikum ansprachen. Noch sei offen, ob das in ähnlicher Weise wieder stattfindet.
Was es definitiv nicht mehr geben wird, ist ein Feuerwerk. Das ist nicht mehr zeitgemäß, findet Dinger und verweist auf die Feinstaubbelastung und die Brandgefahr im Sommer. Man suche gerade nach einer anderen publikumswirksamen und nachhaltigen Lösung, mehr wollte er noch nicht verraten.