Vom 8. bis 11. Mai findet in Merzhausen und als Novum auch in Freiburg das ECM-Festival statt. ECM steht für eines der führenden Jazz Labels der Welt, das sich seine Festivalorte mit Bedacht aussucht. Veranstalter ist der Merzhauser Verein Forum Jazz, sein Vorsitzender Reinhard Vogt der Spiritus Rector des Ganzen. Im Interview erzählt er über seine Leidenschaft Jazz, Gemeinde- und Vereinsarbeit.
Interview: Joachim Schneider
Herr Vogt, es sind acht Jahre zwischen dem ersten und dem zweiten ECM-Festival vergangen. Warum hat das so lange gedauert?
Reinhard Vogt: ECM-Festivals gibt es weltweit nur wenige, sie finden zum Beispiel in Warschau, Barcelona oder New York statt, und ECM autorisiert dafür nur ausgewählte Veranstalter. In Deutschland gehört die Elbphilharmonie zu den Spielstätten oder eben das Forum Merzhausen. Zudem bin ich ein Verfechter von: Willst du was gelten, mach dich selten.
Warum finden auch in Freiburg Konzerte statt?
Vogt: Merzhausen ist ja eine selbstständige Gemeinde. Mit der Einbeziehung der Freiburger Spielstätten konnte die Stadt Freiburg, sprich das Kulturamt, als Zuschussgeber gewonnen werden. Ein Glücksfall ist zudem, dass der in Tel Aviv geborene Pianist Nitai Hershkovits im Historischen Kaufhaus spielt. Dieses Konzert findet im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Freiburg und Tel Aviv statt. Zudem sollten Künstler und Räumlichkeit atmosphärisch gut harmonieren wie beim zweiten Freiburger Konzert mit der ungarischen Gitarristin Zsófia Boros im Oratorium des Klosters St. Lioba in Günterstal.
Stimmungsvolle Orte, schöne Musik: Ist der ECM Sound elitär?
Vogt: Wenn man unter elitär ausschließlich erlesen versteht, dann könnte ich mich damit anfreunden. Bei mittlerweile über 1700 ECM-Alben gibt es sicherlich keinen pauschalen ECM-Sound. Als ich 1972 meine ersten ECM-Platten hörte, klangen diese einfach so viel besser als die der anderen Labels. Der legendäre ECM-Gründer und Produzenten Manfred Eicher hat einmal gesagt: Das Entscheidende aber ist die Musik selbst sowie die ästhetische Vorstellung, die mit ihr verbunden ist. Und daraus ergeben sich jeweils die Charakteristika des Klangs.
Eine sehr akademische Herangehensweise, rebellisch oder sperrig kann Jazz auch sein, oder?
Vogt: Die ersten Aufnahmen bis circa Mitte der Siebzigerjahre atmeten auch noch teilweise den Geist des Free Jazz. Aber Manfred Eicher hatte noch etwas anderes im Sinn: Er war selbst Musiker, spielte Kontrabass und arbeitete als Produktionsassistent beim Klassiklabel Deutsche Grammophon. Diese hohen Aufnahmestandards übertrug er auf Jazz, auf improvisierte Musik.
Dominic Miller, der langjährige Gitarrist von Sting, dürfte heuer der Publikumsmagnet sein, auf wen freuen Sie sich am meisten?
Vogt: Als Veranstalter liegen mir verständlicherweise alle Acts gleichermaßen am Herzen. Ich würde jedoch das Abschlusskonzert am Samstagabend, 11. Mai, mit dem verhältnismäßig noch nicht so bekannten Maciej Obara Quartet gerne erwähnen. Zudem ist das Forum Merzhausen akustisch und atmosphärisch speziell für über unsere Spitzenanlage verstärkte Jazzkonzerte ein Traum. Die polnisch-norwegische Formation wird vom renommierten Kritiker Karl Lippegaus als eines der großen Jazzensembles Europas gewürdigt. Und natürlich ist für mich der als Konzerttrilogie konzipierte, einmalige Tributeabend, für und mit der Cellistin Anja Lechner, eine echte Herzensangelegenheit.
Die Eintrittspreise sind moderat für in der Jazzszene gefeierte Künstlerinnen und Künstler. Wie geht das?
Vogt: Vielleicht sollten wir die Preise noch erhöhen … Kommen dann Beschwerden, verweise ich an ihre Publikation. Aber im Ernst: In erster Linie liegt es daran, dass unser Verein komplett ehrenamtlich arbeitet. Als Vereinsvorsitzender erhalte ich die horrende, monatliche Ehrenamtspauschale von 70 Euro. Im Klartext: Wir haben keinen Verwaltungswasserkopf und investieren alles ins Gelingen, wenn ich das so blumig ausdrücken darf.
Sie dürfen. Trotzdem: Im Pop kostet ja mancher Newcomer schon 40 Euro …
Vogt: In Jazz there is no money, jeder weiß das. Und nicht die Gagen sind das Problem, sondern die Nebenkosten wie Hotels, Flügel mieten und so weiter. Speziell für das ECM-Festival konnte ich Spenden und Sponsoren akquirieren, die selbstverständlich auch zu dieser moderaten Preisgestaltung beitragen. Ziel ist es, über die Ticketerlöse eine schwarze Null zu schreiben.
Sie haben 2016 den Verein Forum Jazz in Merzhausen gegründet. Es gab schon das Jazzhaus samt Verein, und es fanden bereits Jazzkonzerte im E-Werk, im Waldsee, im Gasthaus Schützen sowie sporadisch an anderen Orten statt. Warum noch ein Verein für Jazz in der Freiburger Peripherie?
Vogt: Ich habe bereits 2009 im Hinblick auf das im Bau befindliche Forum Merzhausen den Kulturverein Artisse gegründet und geleitet. Ich wollte zunächst testen, was programmatisch im neuen Haus möglich ist und das Programm breit aufstellen. Mein erstes Festival war eine wilde Mischung. Das Freiburger Barockorchester, die Freiburger Balkan-Band Äl Jawala und die legendäre amerikanische Jazzformation Oregon mit Ralph Towner – übrigens ein ECM-Veteran – waren die Premierengäste im neuen Haus.
Das klingt ja, als wäre das Forum Ihr Haus gewesen!
Vogt: Wenn Sie so wollen. Als Mitarbeiter der Gemeinde Merzhausen war ich Projektkoordinator für den Bau des Hauses, also Schnittstelle zwischen Architekten, Verwaltung und Gemeinderat. Nach Inbetriebnahme war ich dann zehn Jahre lang auch der Hausmanager des Forums bis zu meinem Renteneintritt Anfang 2022. Als Musik- und speziell Jazzliebhaber war ich natürlich sehr darauf bedacht, dass Merzhausen kein Nullachtfünfzehn Bürgerhaus bekommt. Durch einige glückliche, politische Umstände entstand ein letztlich sehr schönes Bauwerk.
Und mit so einem Haus lässt sich in Konkurrenz zur großen Stadt Freiburg treten – mit Jazz?
Vogt: Bald stellte sich heraus, dass meine Kernkompetenz Jazz ideal zum Forum Merzhausen passt. Zudem gibt es das perfekte Publikumsumfeld mit dem benachbarten Vauban und den Hexentalgemeinden. 2016 habe ich dann mit neuen, sehr engagierten Mitstreitern den Verein Forum Jazz ins Leben gerufen. Weniger ist mehr, lautet die grundlegende Vereinsphilosophie. Wir können und wollen keine quantitative Konkurrenz für die freundschaftlich verbundenen Freiburger Kollegen sein. Qualitativ allerdings schon, wir versuchen stets etwas Besonders zu bieten – häufig Rising Stars oder Premieren für Freiburg.
Also alles eitel Sonnenschein?
Vogt: Mein langjähriger Chef Bürgermeister Christian Ante – mittlerweile Landrat des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald – ist der Heavy-Metal-Fraktion zuzuordnen und hat mir die mehrfach beantragten Erhöhungen des Vereinszuschusses immer mit folgender Frotzelei abgelehnt: Sie mit Ihrem elitären Jazz; das Forum Merzhausen wurde letztlich für Sie gebaut.
Und? Hat es sich gelohnt?
Vogt: Wenn ich die Freude und Dankbarkeit der Künstlerinnen und Künstler und die Sinnhaftigkeit des Vereins mit meiner ehrenamtlichen Lohntüte aufwiege, bin ich um ein Vielfaches reicher als die Messis und Ronaldos dieser Welt.
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Lieber Herr Vogt,
wir haben gerade miteinander telefoniert und ich danke Ihnen nochmal sehr herzlich für Ihre Hilfe, freue mich riesig auf heute Abend! Auch die 2 x 206 km sind es mir allemal wert, ich werde auf alle Fälle rechtzeitig an der Abendkasse auftauchen.
Habe auch das sympathische Interview mit Ihnen gelesen