E-Auto oder Verbrenner? Neu oder gebraucht? Kaufen, leasen, mieten oder sharen? Vor diesen Entscheidungen stehen derzeit viele Menschen, die beruflich oder privat nicht auf ein Auto verzichten wollen oder können.
Text: Kathrin Ermert
Es schien eigentlich klar: Die Europäische Union hatte die automobile Wende vorgegeben. Mitte 2022 beschloss das EU-Parlament auf Vorschlag der EU-Kommission, dass ab 2035 in der EU nur noch emissionsfreie Autos zugelassen werden dürfen und verpflichtete die Hersteller, ihre Flottenemissionen um 100 Prozent zu reduzieren. Doch knapp zwei Jahren später dümpelt der Anteil von E-Autos auf deutschen Straßen auf niedrigem Niveau, seit dem abrupten Ende der staatlichen Förderung im Dezember sind die Verkaufszahlen rein elektrisch betriebener Pkw sogar deutlich eingebrochen. Und im Europawahlkampf steht das Aus vom Aus auf manch einem Parteiprogramm.
Was bedeutet das für die eigene Entscheidung in Sachen Autokauf? Wenn zum Beispiel die Familienkutsche in die Jahre gekommen ist, man aber im Urlaub bequem mobil sein möchte. Aber will man sich angesichts der vielen Fragezeichen derzeit überhaupt mit dem Kauf für die nächsten Jahre auf eine Technologie festlegen? Oder das Auto lieber leasen, sharen, mieten – vor allem, wenn es im städtischen Alltag selten bewegt wird? Auch das Klimagewissen meldet sich: je weniger Auto, desto besser. Aber wie dennoch mobil sein? Nachgefragt bei drei sogenannten Mobilitätsdienstleistern – so nennen sich mittlerweile fast alle Unternehmen, die mit Autos zu tun haben: vom Hersteller, übers Autohaus, die Vermietung und das Taxi bis zum ADAC.
Je flexibler, desto höher die Monatsrate
„Man muss sich zunächst klar werden: Wie viel Auto brauche ich überhaupt?“, rät Andreas Müller, Verkehrsexperte beim ADAC Südbaden. Carsharing verringere die Flexibilität, weil man sich rechtzeitig darum kümmern muss, ein Fahrzeug zu haben. Es hängt freilich auch vom Wohnort ab. Eine städtische Infrastruktur ermöglicht eine Mobilität ohne eigenes Auto. Auf dem Land ist das kaum möglich. In Sachen Antrieb scheitert die Entscheidung für ein Elektroauto laut ADAC bei vielen Menschen an zwei Themen: dem hohen Anschaffungspreis und der Ladeproblematik. Die sogenannte Reichweitenangst hält Müller nicht mehr für relevant. Die Batterien hielten immer länger, zudem gehe momentan viel Knowhow in den E-Antrieb, sagt der Verkehrsexperte und verweist auf eine jüngst veröffentlichte koreanische Studie zu Natrium-Ionen-Akkus: Deren bisheriger Malus, die längere Ladezeit, hat sich längst schon ins Gegenteil verkehrt.. Die neu entwickelte Version lasse sich binnen weniger Sekunden komplett aufladen. Auch die Ladeinfrastruktur hat laut Müller sehr an Fahrt gewonnen: Mit der richtigen Planung kommen man auch innerhalb Europas gut von A nach B.
„Man muss sich zunächst klar werden: Wie viel Auto brauche ich überhaupt?“
Andreas Müller, ADAC Südbaden
Und wie es mit dem Preis? Grundsätzlich gilt, egal ob E-Auto oder Verbrenner: „Je kürzer, flexibler und bequemer ich ein Auto nutzen möchte, desto mehr kostet es“, sagt Holger Eberle, Mitglied der Geschäftsleitung von Alphartis, der größten Autohausgruppe im Südwesten. Neue Autos werden selten verkauft. E-Autos noch seltener als Verbrenner. „Das zeigt die Ängste und Herausforderungen“, sagt Eberle. Klassischerweise leasen Gewerbekunden Neuwagen. Für sie lohnten sich Gebrauchte nicht, weil sie ohnehin den Neupreis versteuern müssen, egal wie alt das Fahrzeug ist. Und Privatkunden kauften Gebrauchtwagen, oft die Leasingrückläufer der Gewerbekunden. So war es bislang. „Aber die Händler brauchen andere, flexiblere Lösungen“, sagt Eberle. Alphartis bietet deshalb sogenannte Ersatzmobilität an. Einfacher gesagt: Die Unternehmensgruppe, zu der außer den AHG- und BHG-Autohäusern auch Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Teilehandel, Fahrschulen und Immobilien zählen, agiert ebenfalls als Autovermieter. Das kann sich Alphartis aufgrund seiner Größe leisten.
Ein sogenanntes Auto-Abo, wie die Mietmodelle gern genannt werden, hat kurze Laufzeiten, lässt sich einfacher kündigen und beinhaltet meist sämtliche Leistungen: Steuern und Versicherung, Winterräder, Wartung und Reparatur. Dafür liegt der Monatspreis deutlich über dem von Leasingverträgen, die in der Regel 36 bis 48 Monate laufen und aus denen man kaum vorzeitig aussteigen kann. Trotz der höheren monatlichen Kosten lohnt sich das Auto-Abo beispielsweise für Menschen, die ein bestimmtes Fahrzeug ausprobieren wollen. Firmen schließen für Mitarbeitende in der Probezeit lieber ein Abo als einen Leasingvertrag ab, überbrücken damit die mitunter langen Lieferzeiten bei Leasingverträgen oder das Autohaus stellt es als Ersatzfahrzeug während der Reparatur zur Verfügung.
„Je kürzer, flexibler und bequemer ich ein Auto nutzen möchte, desto mehr kostet es.“
Holger Eberle, Alphartis
Carsharing ist kein Angebot von Alphartis – zumindest bislang. In den eher ländlich geprägten Regionen, wo die Gruppe die meisten Filialen betreibt, wollen die Menschen überwiegend ein eigenes Auto besitzen, sagt Eberle. Doch mit dem wachsenden Geschäftsgebiet ändert sich das allmählich. Alphartis rückt näher an oder in die größeren Städte. Deshalb werde man Carsharing als mögliches Geschäftsfeld für die Zukunft im Blick behalten, sagt Eberle. Bewegung gibt es auch beim Portfolio. Asiatische E-Autohersteller wie BYD drängen auf den deutschen Markt. Alphartis hat aktuell 13 Marken im Sortiment, seit vor Kurzem Hyundai hinzugekommen ist. „Wir werden weitere Marken in unser Portfolio nehmen und stehen in Kontakt mit asiatischen Herstellern“, berichtet Eberle.
BYD & Co. bieten deutlich günstigere E-Autos an als deutsche Hersteller. Das könnte neuen Schwung in den Markt bringen, der seit dem plötzlichen Stopp der staatlichen Förderprogramme im Dezember deutlich gebremst wurde. Dabei sind E-Autos in vielen Fällen gar nicht teurer geworden, weil die Hersteller die Förderung übernommen haben. Die müssen E-Autos verkaufen, um bestimmte Quoten zu erfüllen und ihren CO2-Fußabdruck zu verbessern. Zudem besteuert der Gesetzgeber elektrisch betriebene Dienstwagen deutlich geringer als Verbrenner. Daran hat sich nichts geändert. „Diese indirekte Förderung ist höchstattraktiv“, sagt Eberle. Und mit eigener PV-Anlage seien E-Autos auch im Betrieb günstiger als Verbrenner.
Für Urlaubsreisen lieber der Verbrenner
Michael Berger sieht die Sache wenig dogmatisch. „Früher war die Frage: Diesel oder Benziner? Jetzt sind mit E-Autos und Hybridfahrzeugen einfach noch weitere Optionen hinzugekommen“, sagt der Geschäftsführer der Autohausgruppe Schmolck, die drei Filialen in Emmendingen und eine in Müllheim mit insgesamt knapp 300 Beschäftigten betreibt. Produkte über Förderung in den Markt zu drücken, hält Berger für den falschen Weg. „Ich bin Angler“, sagt er. „Ich weiß: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht mir.“ Berger plädiert für eine Technologieoffenheit, um den Verkehr nachhaltiger zu machen. Schließlich hätte sich in der Abgastechnologie so viel getan, dass fast saubere Luft aus dem Auspuff komme. Er selbst fährt seit zwei Jahren vollelektrisch – wenn er in Deutschland unterwegs ist. Für Urlaubsreisen ins Ausland greift er lieber auf den Verbrenner zurück.
„Wenn der Tatort langweilig ist, kann man nebenbei nach dem Mietauto für den Urlaub suchen.“
Michael Berger, Schmolck
Das ist seine Antwort auf die Frage nach dem Urlaubsauto: mieten! Wie Alphartis bietet auch die wesentlich kleinere Schmolck-Gruppe „flexible Mobilität“ an. „Ich fand es lustig, als das Thema Abo aufkam“, sagt Berger. „Wir machen das schon lang, und bei uns heißt es klassisch Miete.“ Knapp 80 Fahrzeuge hält das Autohaus, das etwa ein Viertel seines Serviceumsatzes mit Nutzfahrzeugen erzielt, dafür vorrätig: vom Zweisitzer bis zum Lkw. Sie kommen beispielsweise nach einem Unfall, während der Reparatur oder der Wartezeit auf den Neuwagen zum Einsatz. Ein Lebensmittellogistiker mietet sich zum Beispiel für sein Hauptgeschäft in der Vorweihnachtszeit noch Zusatzfahrzeuge. Das ist trotz höherer Tages- oder Monatsraten günstiger und vor allem flexibler als mehrjährige Leasingverträge. Bislang läuft das Mietgeschäft bei Schmolck nur stationär. Berger will es künftig auch online anbieten, um unabhängig von den Öffnungszeiten zu sein. „Wenn der Tatort am Sonntagabend langweilig ist, kann man nebenbei nach dem Mietauto für den Urlaub suchen.“
Mieten, sharen oder kaufen, neu oder gebraucht, elektrisch oder fossil: ADAC-Verkehrsexperte Müller stand kürzlich selbst genau vor diesen Fragen – und hat sich für einen gebrauchten Verbrenner entschieden, einen Mittelklasse-Van. Mit Familie sei das derzeit die beste Lösung