Christian Emrich war Leistungssportler und Führungskraft in der freien Wirtschaft, ehe er hauptamtlicher Feuerwehrmann wurde. Schnelle Entscheidungen kamen und kommen ihm überall zugute. Wie er die trifft, beschreibt er jetzt in einem Buch.
Text: Kathrin Ermert
Acht Minuten. So lange dauert es durchschnittlich, bis ein Team am Einsatzort ist und die dortige Lage einschätzen kann. Bis dahin muss die Leitstelle klare Handlungsanweisungen für alle Szenarien festgelegt haben, um sie sofort an die Einsatzkräfte kommunizieren zu können. Strategisches Entscheiden nennt Christian Emrich diese Methode, über die er ein Buch geschrieben hat: „Die 8-Minuten-Entscheidungsmethode. Was tun, wenn es richtig brennt“ heißt das Werk, das Anfang Oktober im Hamburger Murmann-Verlag erscheint.
Seine jüngste private Entscheidung dauerte deutlich länger. Acht Wochen brauchten seine Frau und er, um den Umzug der vierköpfigen Familie aus Bayern nach Südbaden zu besiegeln. „Von der Ausschreibung der Stelle übers Bewerbungsgespräch bis zum Beschluss“, konkretisiert Christian Emrich. So gesehen fiel auch diese weitreichende Entscheidung ziemlich schnell. Zumal sie das Ende ihrer Zeit in München bedeutete, wo Christian und Dorina Emrich, beide 40, die vergangenen 13 Jahre gelebt haben. Ihre zwei Kinder, fünf und neun Jahre alt, kamen in der Zeit zur Welt, besuchten zuletzt Kindergarten und Grundschule, hatten ihre Freundinnen und Freunde dort.
Am Vortag des Interviews haben die Emrichs den Schlüssel ihrer Münchner Wohnung abgegeben und die letzten Kartons nach Gundelfingen gefahren. Auch wenn er viele Einzelinteressen berücksichtigen musste, fällte der Rettungsingenieur, der jetzt den Fachbereich Feuerwehr und Rettungsdienst beim Freiburger Regierungspräsidium leitet, auch diese Entscheidung strategisch. In dem Sinne, dass er die Vor- und Nachteile verglich und am Ende die Vorteile überwogen. Denn der Umzug ist eine Heimkehr. Christian Emrich und seine Frau sind in der Ortenau aufgewachsen, wo Omas, Opas und Familie noch leben.
Vom Produktleiter zum Feuerwehr-Trainee
Zwei Brände in seinem Heimatdorf Schwanau-Allmannsweier motivierten ihn, zur Jugendfeuerwehr zu gehen. Das war sein Ding, Emrich hat einen ausgeprägten Helferinstinkt, ist zudem sportlich und ehrgeizig. „Hopp oder top – wenn ich etwas mache, dann richtig“, sagt er. Das bedeutete Leistungssport, solange es ging. Sein Vater ist der ehemalige Handballbundestrainer Armin Emrich. Auch Christian Emrich spielte Handball, bis er sich den Arm brach, dann Fußball und fuhr Rennrad fast auf Profiniveau, bis sich der Trainingsumfang nicht mehr mit dem Studium vereinbaren ließ. In Köln absolvierte Emrich den damals neuen Studiengang als Rettungsingenieur und kam als Werkstudent zu einem französischen Hersteller für Feuerwehrgeräte. Dort wurde er mit 26 Leiter der Produktlinie Feuerwehr-Lüfter und baute den weltweiten Vertrieb aus.
Der Wermutstropfen der frühen Karriere: Er konnte nicht bei der Feuerwehr aktiv sein. „Es fühlte sich an, wie auf der Bank zu sitzen und nicht spielen zu können.“, erzählt er. Doch das Interesse blieb. Weil er sich später nicht vorwerfen wollte, es nicht probiert zu haben, bewarb er sich um einen von nur elf Plätzen für den Vorbereitungsdienst zum höheren Feuerwehrtechnischen Dienst, eine Art Traineeprogramm. Und wurde direkt von der Branddirektion München ausgewählt, einer der bundesweit bedeutendsten und maßgebenden Direktionen. „Der FC Bayern der Feuerwehr wurde mir damals oft gesagt“, berichtet Emrich. Denn die Münchner Einsatzkräfte kennen sich gut mit Großveranstaltungen aus. In der Bayrischen Landeshauptstadt findet nicht nur das größte Volksfest der Welt statt, sondern auch regelmäßig riesige Kultur- oder Sportevents, häufig parallel.
An den 20. August 2022 erinnert sich Christian Emrich besonders gut. Es war der vorletzte Tag der sogenannten European Championship. Die europäischen Meisterschaften in rund einem Dutzend Sportarten waren mit mehr als 1,47 Millionen Zuschauenden die größte Veranstaltung im Münchner Olympiapark seit den Olympischen Spielen 1972. Am gleichen Samstag spielte Schlagerstar Helene Fischer auf dem Messegelände ihr einziges Comeback-Konzert nach der Babypause, für das 130.000 Tickets verkauft worden waren. An diesem ohnehin schon herausfordernden Tag gab es morgens einen Großbrand, nachmittags dann eine sehr kritische Unwetterwarnung. So mussten die Einsatzkräfte schnellstmöglich ihr vorbeugendes Konzept mit dem Krisenmanagement in Einklang bringen. Emrich war in seinem Element.
„Hopp oder top – wenn ich etwas mache, dann richtig.“
Christian Emrich
In seine Zeit bei der Münchner Feuerwehr fiel auch der Amoklauf 2016, der sich zwar in einem Einkaufszentrum am Stadtrand ereignete, aber auch in der Innenstadt eine stundelange Hysterie auslöste, bei der sich viele Menschen verletzten. Aus dieser Erfahrung resultiert für den Feuerwehrmann das Gefahrenabwehrmanagement der Zukunft, das er auch in seinem Buch beschreibt: „Man muss das analoge und das digitale Geschehen parallel im Blick haben“, sagt er. Denn die virtuell wahrgenommenen Ereignisse könnten sehr von den tatsächlichen abweichen.
Mit Training zur schnellen Entscheidung
Nach so viel Action in München – wird es ihm in Freiburg nicht langweilig? „Die Aufgabe hier ist anders spannend“, sagt Christian Emrich. Jetzt gehe es um eine komplette Region und grenzüberschreitende Aufgaben. Er glaubt, dass er viel dazulernen wie auch zurückgeben kann. Und er freut sich sehr, zurück in der Heimat zu sein. Die Zeit habe gut gepasst für die Kinder. Für reichlich Beschäftigung parallel zum Umzug und zur Pendelei der vergangenen Monate sorgte zudem das Buchprojekt.
Emrich ist es gewohnt, mehrere Aktivitäten zu vereinbaren. Neben seinem Hauptjob bei der Münchner Feuerwehr hat er eine gemeinnützige GmbH aufgebaut, die Kinder in Bewegung bringt, und damit zugleich den Kontakt zu seinem alten Sportfreund Dominik Klein reaktiviert. Der war dem Handball treugeblieben, Profi sowie Weltmeister geworden, und hat dabei ähnliche Fähigkeiten wie Feuerwehrprofi Emrich erworben. Vor allem, Situationen schnell zu bewerten und sich mit hartem Training auf Schlüsselmomente vorzubereiten. Diese Erkenntnisse hat Klein in zwei Kapiteln zu Emrichs Buch beigesteuert.
In seinem Buch „Die 8-Minuten-Methode“ gibt Christian Emrich einen Einblick in die Arbeit der professionellen Feuerwehrmethoden, die nicht nur in Notfallsituationen, sondern auch in anderen Lebensbereichen funktionieren. Darüber erzählt er auch am 13. November in der Buchhandlung Rombach, wo der Feuerwehrmann sich und sein Buch vorstellt
Training ist auch der Schlüssel zur 8-Minuten-Methode, die dem Werk seinen Titel gibt. „Jeder kann sie lernen“, sagt Emrich. Sie nutze nicht nur der Feuerwehr bei Entscheidungen über Leben und Tod, sondern helfe auch bei alltäglichen Problemen. Führungskräfte könnten damit strategische Entscheidungen im Unternehmen angehen, Privatleute den Autokauf oder die Urlaubsplanung. Wichtig sei es, Konzepte zu überlegen, solange es noch geht, auch wenn es nicht immer die richtigen sind. Emrich rät zu Stift und Zettel, um alle Optionen von Worst- bis Best-Case zu skizzieren und so einen objektiven Blick darauf zu bekommen. „Das kann auch eine Stunde dauern“, sagt er. Oder sogar acht Wochen.