Der SC Sand aus der Ortenau behauptet sich seit Jahren erfolgreich in der ersten und zweiten Frauen-Bundesliga. Allerdings nehmen die Herausforderungen für den kleinen Verein zu, seit Frauenfußball immer populärer wird.
Text: Susanne Maerz
Sonntagnachmittag im Willstätter Ortsteil Sand. Das Schild „Sportplatz“ weist vom Ortseingang vorbei an Kirche, Freiwilliger Feuerwehr und den für die Ortenau typischen Fachwerkhäusern zum Ortsrand. Dort, neben Maisfeldern, treten die ersten Frauenmannschaften des SC Sand und des FC Ingolstadt 04 auf dem Rasenplatz gegeneinander an. Es ist der vierte Spieltag in der 2. Frauen-Bundesliga. „SC Sand, meine Liebe, unser Leben, ein Verein“, schallt aus den Boxen, bevor die Mannschaften auf den Platz laufen.
460 Zuschauerinnen und Zuschauer werden die Partie verfolgen – stehend hinter der Bande, auf den steinernen Treppen oder den zwei Tribünen, die der Verein errichten musste, um die Lizenz für die Bundesliga zu erhalten. Die überdachte bietet 250 Sitzplätze, die andere 500. „Auf geht’s Sander, auf geht’s“, skandiert der Fanclub. Am Ende einer umkämpften spannenden Partie, bei der die Gastgeberinnen in der vierten Minute in Führung gehen und die Gäste nach Toren in der 64. und 66. Minute das Spiel drehen, steht es 2:2 und der SC Sand auf dem fünften Tabellenplatz.
Das ist beachtlich für den Verein aus einem 2000 Einwohner zählenden Ortsteil. Denn die Ortenauer müssen sich in der 2. Frauen-Bundesliga vermehrt gegen die Frauenteams von Herrenprofiklubs behaupten, die finanziell ganz andere Möglichkeiten haben. Noch vor einigen Jahren spielten dort vor allem Vereine, die man bundesweit nicht aus dem Herrenfußball kannte. Das hat sich geändert. Seit der Frauenfußball immer beliebter geworden ist, investieren die großen Vereine unter anderem auf Geheiß des Deutschen Fußball Bunds (DFB) verstärkt in ihre Frauenabteilungen.
Die Kehrseite der steigenden Beliebtheit
Das dient zwar der Popularität des Frauenfußballs, der nach und nach aus seinem einstigen Schattendasein heraustritt. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass es für kleinere traditionelle Frauenfußballvereine wie die SGS Essen oder Turbine Potsdam immer schwerer wird, zwischen den Großen wie Bayern München, VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen, dem SC Freiburg und nun auch RB Leipzig zu bestehen. In dieser Saison sind von zwölf Klubs in der höchsten Frauenbundesliga neun die Frauenmannschaften von Bundesligisten der Männer.
Wie bewertet der DFB diese Entwicklung? „Klubs wie die SGS Essen zeigen eindrucksvoll, dass Nicht-Lizenz-Klubs absolut wettbewerbsfähig sind, herausragende Leistungen (4. Platz in der Spielzeit 2023/2024) erbringen können und beispielsweise im Bereich der Talentförderung Maßstäbe setzen. Diese Klubs bereichern die Frauen-Bundesligen und den Frauen- und Mädchenfußball enorm“, antwortet die DFB-Pressestelle auf Nachfrage. „Daher ist zu erwarten, dass auch zukünftig Nicht-Lizenz-Vereine weiterhin in den höchsten beiden Spielklassen vertreten sind. Die Herausforderungen, die damit verbunden sind, sind jedoch sicherlich nicht zu unterschätzen.“
Darüber ist man sich auch beim SC Sand im Klaren, der noch bis vor zwei Jahren in Liga eins gespielt hat. Gleichwohl steht für Sascha Reiß, den sportlichen Leiter des Vereins, fest: „Wir kämpfen um jedes Jahr in der zweiten Liga und sind jeden Tag stolz, an dem wir dort bestehen können.“ Denn auch die 2. Frauen-Bundesliga verändert sich. Dort spielen neben den klassischen Frauenvereinen ebenfalls Frauenmannschaften von großen Klubs wie Union Berlin und Hamburger SV. Dazu kommen aber immer mehr zweite Mannschaften der Großen wie Bayern München II, Eintracht Frankfurt II und SC Freiburg II, deren erste Frauenmannschaften in der obersten Frauenliga spielen.
Spiele gegen Mannschaften wie diese ziehen in Sand die meisten Zuschauer an. Im Schnitt kommen rund 700 pro Spiel. Saisonrekord bleibt sicherlich das Pokalspiel im September gegen die erste Mannschaft von Bayern München, als rund 2400 Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Sander Sportplatz kamen. Spiele wie dieses – die Sander verloren 0:6 – bringen nicht nur Ticketeinnahmen, sondern auch mediale Aufmerksamkeit mit sich. Das hilft dem Verein, der mit seinen 700 Mitgliedern finanziell ganz anders aufgestellt ist als ein Profiklub, der seine Frauenabteilung mithilfe von Einnahmen aus dem Herrenbereich subventionieren kann. Wie groß sein Budget ist, sagt der SC Sand nicht. Auch die großen Bundesligisten weisen meist die Gelder der Frauenabteilung nicht einzeln aus.
Im „Frauen-Bundesliga Saisonreport 2022/2023“ ist die Rede von einem „im Durchschnitt deutlich negativen Saisonergebnis“ der Frauenabteilungen in der höchsten Liga. Das zeige, „dass die Lizenz-Vereine noch stärker in den Frauenfußball investieren“. Grund zur Sorge sind die roten Zahlen für den DFB nicht, denn so heißt es in dem Saisonreport: „Generelle Liquiditätsprobleme entstehen jedoch weiterhin nicht, da die Lizenz-Klubs die Fehlbeträge des Frauenbereichs ausgleichen können.“ Für andere traditionelle Frauenfußballklubs ohne Lizenz für die obersten Herrenligen wie den FSV Gütersloh 2009, die SG Andernach, den SV Weinberg oder eben auch den SC Sand ist dies alles andere als einfach.
Die Herren spielen auf dem Kunstrasen mit den alten Bällen
Auch wenn in Sand fußballtechnisch nur die Frauen bundesweit eine Rolle spielen, ist der Verein nicht rein weiblich: Neben den drei Frauenfußballmannschaften gibt es noch ein Herrenteam, den gemischten Jugendbereich und eine Judoabteilung. Die Männer machen den Frauen indes sportlich keine Konkurrenz: Sie spielen in der Staffel I der Kreisliga B und stehen auch sonst hinten an: „Die Herren spielen und trainieren in der Regel nur auf dem Kunstrasen, da das Stadion für die erste Frauenmannschaft geschont wird“, sagt Sascha Reiß. Auch bei der Ausrüstung gehen die Frauen vor. „Sie bekommen zum Beispiel immer die neuen Bälle.“
Immerhin ein Mannschaftsfoto der Männer hat es in den „VIP-Raum“ in der Vereinsgaststätte geschafft. Es hängt neben rund zwei Dutzend der Frauenmannschaft, an denen sich deren Entwicklung ablesen lässt. 1980 gründete der SC Sand eine Frauenfußballabteilung, die seit 1982 am Spielbetrieb teilnimmt, bereits nach zwei Jahren in die Verbandsliga Südbaden, damals die höchste Spielklasse, aufstieg, und so zum Aushängeschild des Vereins wurde. Seit der Gründung der 2. Frauen-Bundesliga im Jahr 2004 ist der SC Sand dort eine feste Größe.
Die Höhepunkte der Vereinsgeschichte: Zweimal, 2016 und 2017, erreichte der SC Sand das Pokalfinale, musste sich dort aber jeweils dem Rekordpokalsieger VfL Wolfsburg geschlagen geben. Und 1996/97 sowie von 2014/15 bis 2021/22 spielten die Ortenauer in der Frauen-Bundesliga.
Der Abstieg in die 2. Frauen-Bundesliga vor zweieinhalb Jahren war ein harter Schlag für den Verein. So, wie es auch bei den Männern nach einem Abstieg meist geschieht, verließen viele gute Spielerinnen den SC Sand. Bis auf Jenny Gaugigl, die im Sommer 2016 von den Bayern in die Ortenau wechselte, setzt sich der Kader aus Neuzugängen zusammen. Jule Baum und Alina Bantle vom SC Freiburg sind ebenso darunter wie die Japanerin Rio Takizawa, die Österreicherin Sarah Klotz oder Paige Bailey-Gayle, die jüngst von Newcastle United nach Sand kam. Mit Athanasia Tsaroucha ist auch eine Spielerin aus der eigenen Jugend dabei. „Der SC Sand war immer ein Sprungbrett für talentierte Spielerinnen aus dem Ausland in die Bundesliga“, sagt Sascha Reiß, der sportliche Leiter. Sogar Nationalspielerinnen sind darunter.
Mit den Großen mithalten kann der SC Sand natürlich nicht. „Die Lizenzvereine können den Spielerinnen ganz andere Gehälter zahlen als wir“, sagt Sascha Reiß. Diese Entwicklung habe sich in den vergangenen fünf bis sechs Jahren verstärkt. „Da wird es für uns als kleiner Verein immer schwerer, Spielerinnen nach Sand zu holen.“
Die Spielerinnen selbst erhalten vom Verein ein Teilzeitgehalt. Die meisten gehen noch zur Schule oder studieren, rund 90 Prozent haben einen Nebenjob. Der Verein hilft ihnen, bei örtlichen Unternehmen einen Ausbildungsplatz oder Nebenjob zu finden und unterstützt ebenso bei der Wohnungssuche, wie Geschäftsstellenleiter Moritz Litterst berichtet. „Wir wollen, dass es den Spielerinnen bei uns gut geht und sie sich wohlfühlen“, sagt Litterst, der sich auch um Pressearbeit und Sponsoring kümmert. Er selbst, Trainer Alexander Fischinger und ein dualer Student sind die einzigen Vollzeitangestellten im Verein. Viele andere, wie auch der sportliche Leiter Sascha Reiß, erhalten eine Übungsleiterpauschale oder arbeiten auf Minijob-Basis neben ihren normalen Jobs. Auch das unterscheidet den SC Sand von den großen Clubs.
Bundeweit nur in der Szene bekannt
Dazu kommt ein Dilemma bei der Akquise von Sponsoren: In der Welt des Frauenfußballs kennt man den SC Sand. Darüber hinaus, auch in Südbaden, ist das nicht immer der Fall. „Sand, wo ist das überhaupt? Damit werden wir öfters konfrontiert“, sagt Moritz Litterst. Das wundere ihn immer wieder. „Wir sind zwar ein kleiner Verein, spielen aber seit Jahren in einem bundesweiten Wettbewerb mit.“
Die Sponsoren stammen vorwiegend aus der näheren Umgebung. Die Adams Blitzschutz-Systeme GmbH aus Sand ist Namensgeber der Adams-Arena – auch wenn man den Sportplatz mit seinen zwei Tribünen nicht wirklich Arena nennen kann –, Trikotsponsor ist die Presstrade AG aus dem schweizerischen Reinach. Der dritte Hauptpartner, die Unternehmensgruppe Feger Bau, stammt aus Oberkirch. Dazu kommen viele weitere regionale und auch einige überregionale Unternehmen, die nicht nur finanziell unterstützen, sondern zum Beispiel auch Obst oder Tapes spenden.
Aber auch ohne die zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer würde der Spielbetrieb nicht funktionieren. Sie chauffieren die Jugendspielerinnen, schweißen die Tore zusammen, spenden einen Lautsprecher, kassieren bei Spielen den Eintritt oder fungieren als Ordner. Eine der vielen Helfer ist Jürgen Karch von der Freiwilligen Feuerwehr. Er kümmert sich am Spieltag um die Parkverbotsschilder an der Zufahrtsstraße zum Stadion und kontrolliert den Einlass des VIP-Raums. „Wir sind stolz darauf, dass wir so viele Jahre in der ersten Liga mitspielen konnten und den großen ein bisschen auf der Nase herumgetanzt sind“, sagt er.
Wie beurteilt der DFB den SC Sand? „Die Leidenschaft, mit der der Verein seit Jahren im Thema Frauenfußball arbeitet, ist beeindruckend. Die mit der fortschreitenden Professionalisierung und öffentlichen Aufmerksamkeit steigenden Anforderungen bilden sicherlich eine große Herausforderung für die handelnden Personen“, antwortet die Presseabteilung des DFB. Dessen sind sich diese bewusst. „Natürlich hoffen wir insgeheim, dass wir die Chance wahren können, wieder in die erste Liga aufsteigen zu können“, sagt der sportliche Leiter Sascha Reiß. „Aber wahrscheinlich wird es künftig ein Erfolg sein, wenn wir uns in der zweiten Liga halten können.“