Weinbaupräsident Killian Schneider: Veganer Wein ist kein Witz
netzwerk südbaden: Zunächst zum Erfreulichen. Die badische Weinernte 2015 ist ja jetzt mit 1,15 Millionen Hektolitern Wein doch noch erfreulicher ausgefallen, als eigentlich prognostiziert. Sie gehören zu denjenigen, die von diesem Wein mehr Potenzial erwarten als von dem vermeintlichen Jahrhundertjahrgang 2003. Wann wissen Sie eigentlich genau, ob Sie da richtig liegen?
Kilian Schneider: Das wird sich schon in den nächsten Wochen zeigen. Wir hatten ja eine sehr frühe Lese, die Weine sind jetzt voll im Ausbau. Die Kellermeister gehen schon an die Klärung. Ich gehöre bis heute zu denen, die sagen, wir müssten mit dem 2015er den 2003er schlagen. Die Witterung war in diesem Jahr doch nicht so extrem wie vor zwölf Jahren, wir hatten kurz vor der Ernte noch einmal Regen. Dann sind die Oechsle stehen geblieben. Wir hatten kühle Nächte, und dann ist einfach die Reife gekommen. Reife ist beim Wein ja einfach nicht nur in Oechslegraden zu messen, da gehört mehr dazu: eine kühle Nacht, auch mal ein Nebeltag. Die Natur ist uns da sehr entgegengekommen.
netzwerk südbaden: Das gilt für Weiß- wie Rotweine?
Kilian Schneider: Ja für die ganze Palette. Die Weißweine sind ja, was die Aromenausbildung betrifft, eher empfindlicher. Die Rotweine sind aufgrund der Gerbstoffe etwas einfacher. Aber beide Weine haben von diesem ungewöhnlichen Jahr profitiert.
netzwerk südbaden: Haben die badischen Winzer denn wirklich einen Vorteil, wenn der 2015er ein Spitzenjahrgang wird? Die meisten kaufen doch Weine im mittleren und unteren Preissegment.
Kilian Schneider: Es ist natürlich in allererster Linie für das Image gut. Wir werden die Preise nicht erhöhen können, es ist ein unglaublicher Druck auf dem Markt. Die Herausforderung wird sein, die eingelagerten Kabinett- und Spätlesen in diesem Umfeld preisgerecht verkaufen zu können.
netzwerk südbaden: Ein großer Teil des Weins wird ja über Discounter und den großen Lebensmitteleinzelhandel verkauft. Spielt eigentlich der Direktverkauf auch eine Rolle?
Kilian Schneider: Das ist sehr unterschiedlich. Bei Weingütern kommt es vor, dass der gesamte Bestand direkt an Kunden verkauft wird. Die Genossenschaft in Oberbergen, der ich angehöre, verkauft ungefähr 15 Prozent direkt. Das ist schon respektabel, aber wirklich nicht viel. Und für Großbetriebe wie den Badischen Winzerkeller kann es eh nur ein Randgeschäft sein.
netzwerk südbaden: Kürzlich sind wieder die Medaillen für die besten badischen Weine vergeben worden.10 Prozent der Weine bekommen eine solche Auszeichnung. Dazu kommen noch die Top-10-Weine. Gleichzeitig lief im Radio eine offizielle Kampagne der Badischen Weinwerbung, in der es sinngemäß hieß, auf die Medaillen komme es gar nicht an. Ist das für den Verbraucher nicht etwas verwirrend?
Kilian Schneider: Wir sind, um es vorsichtig zu sagen, über diese Kampagne zurückhaltend begeistert. Es ist ja unsere Intention, die Badische Gebietsweinprämierung zu „der“ Weinprämierung zu machen. Wir sind darauf angewiesen, dass sich möglichst alle Betriebe beteiligen. Der Wettbewerb gewinnt ja auch durch eine große Beteiligung. Leider gibt es doch nicht wenige Betriebe, die einfach nicht teilnehmen und es geht natürlich auch um die Akzeptanz der Ergebnisse. Es ist ein Imageträger, eine Standortbestimmung für die Teilnehmer und es ist eine gute Orientierung für die Verbraucher. Dafür müssen wir in der Weinwirtschaft und bei den Winzern noch mehr werben.
netzwerk südbaden: Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Dieses Jahr sind ja nicht einmal andwerklich ausgebildete Winzer- und Kellermeister freigesprochen worden.
Kilian Schneider: Der zuständige Referent im Regierungspräsidium, Abteilungspräsident Dieter Blaeß, hat versichert, dass das gar nicht so außergewöhnlich sei. Tatsächlich geht die Zahl der Nachwuchskräfte in der klassischen praktischen Ausbildung im Weinbau aber zurück. Die Hochschulen sind alle voll, Weinbau als Studienfach gilt als höchst populär. Das gilt auch für die Technikerausbildung. Da sind übrigens sehr viele Winzertöchter und Söhne dabei, die eben einen anderen Bildungsweg beschritten haben als ihre Eltern. Nur werden wir irgendwann im badischen Weinbau neben den Akademikern auch wieder echte Praktiker brauchen. Die Betriebe werden größer und die brauchen den Winzermeister, der einen Betrieb mit 30, 40 Hektar auch wirklich führen kann. Vielleicht brauchen wir da auch ein neues Berufsbild.
netzwerk südbaden: Wie verändern sich Strukturen? Fusionen gerade zwischen Winzergenossenschaften gab es ja schon viele. Gibt’s so etwas wie einen Zwang zur Größe?
Kilian Schneider: Einen Zwang zur Größe gibt es nicht. Wir bekommen jedoch größere Erzeugerbetriebe, auch größere Genossenschaftsbetriebe. Insgesamt hat die Rebfläche in Baden ja nicht abgenommen. Nebenerwerbsbetriebe sind sicher nicht das alleinige Zukunftsmodell, aus vielen Gründen. Wir sind froh, wenn andere Betriebe diese Flächen übernehmen und im Weinbau halten. Die Professionalisierung wird zunehmen. Mit 5 Hektar Fläche wird sich kaum einer einen neuen Traktor für 80.000 Euro leisten können. In der Vermarktung ist Größe nicht das Alleinige. Gerade bei den Kleinen, auch bei kleinen Genossenschaften gibt es welche, die immer an der Spitze sind. Da stimmt alles. Wir haben in Baden aufgrund unserer Struktur mit Terrassen und Böschungspflege einfach höhere Erzeugungskosten. Da können wir mit den Rheinhessen und den Pfälzern einfach nicht mithalten. Von der Romantik kann der Winzer ja nicht leben.
netzwerk südbaden: Wann werden die badischen Winzer veganen Wein anbieten?
Kilian Schneider: Ich denke, demnächst. Wir sitzen da wirklich in den Startlöchern. Wir müssen die tierische Gelatine zur Mostvorklärung ersetzen, das ist kein Problem und den Leim vom Etikett und Karton ebenfalls von tierischen Stoffen befreien. Dann können wir badischen Winzer in diesem neuen Markt entscheidend mitmischen. Wir müssen nur noch unsere Mitglieder davon überzeugen, dass das kein Jux ist, sondern eine Möglichkeit, die Einzigartigkeit des Badischen Weins herauszustellen.
Das komplette Interview ist in der netzwerk südbaden Printausgabe erschienen.