„Die Beachtung von nachhaltigen Qualitäten am Bau ist nicht der Kostentreiber schlechthin“. Diese Meinung hat Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks kürzlich in einem Interview mit netzwerk südbaden vertreten. Höhere Kosten, so sagte die Ministerin, entständen vielmehr durch eine Vielzahl von Faktoren – Energieeffizienz zahl sich hingegen aus. Hendricks war zu Gast im Gutacher Bauinformationszentrum BIZZ, das sich mit der Szenerie rund ums Bauen befasst. Das in der Print-Ausgabe veröffentlichte vollständige Interview können Sie hier lesen.
netzwerk südbaden: Zunächst einmal sind wir einfach neugierig. Was führt Sie eigentlich nach Gutach? Wohnungsbau wird doch in der Regel nur als Thema der Metropolen wahrgenommen.
Dr. Barbara Hendricks: In Gutach war ich auf Einladung meines Bundestagskollegen Johannes Fechner. Er hat mich zu einem Fachgespräch über „Klimaschutz durch nachhaltiges Bauen“ in das Bauinfozentrum in Gutach-Bleibach eingeladen. Das Thema liegt mir sehr am Herzen, denn wenn die wegweisenden Ziele zur Reduzierung von CO2-Emmissionen erreicht werden sollen, die wir auf der Klimakonferenz in Paris beschlossen haben, dann sind insgesamt verstärkte Anstrengungen im nachhaltigen Bauen und energetischen Sanieren notwendig, die aber zugleich einen Beitrag zum bezahlbaren Wohnen leisten müssen. Und das nicht nur in Metropolen.
netzwerk südbaden: Ist bezahlbarer Wohnraum tatsächlich möglich, wenn alle Regel der Nachhaltigkeit beachtet werden? Spötter sagen ja gerne, wir seien zum Volk der „Dichter und Dämmer geworden“. Im Ernst: Fürchten Sie nicht auch, dass die Umweltnormen letztlich potenzielle Investoren abschrecken? Schließlich müssen ja gerade im mittleren Preissegment sehr viel mehr Wohnungen gebaut werden.
Dr. Barbara Hendricks: Die Beachtung von nachhaltigen Qualitäten am Bau ist nicht der Kostentreiber schlechthin am Bau. Kosten entstehen durch eine Vielzahl von Faktoren. Der Kosteneinfluss durch architektonische Planungen ist z.B. enorm. Höhere Investitionen in die Energieeffizienz von Neubauten führen anfänglich zu höheren Baukosten. Die entsprechenden Annahmen der Bundesregierung sind in der jeweiligen Verordnungsbegründung transparent dokumentiert. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die anfänglichen Mehrkosten mit der Zeit – auf längere Sicht – wieder „hereingespielt“ werden, weil ihnen von Anfang an Einsparungen bei den Energiekosten gegenüberstehen. Diese „Rückzahlung“ unterscheidet die EnEV fundamental von Vorgaben zum Brandschutz oder zur Standsicherheit von Gebäuden. Hinzu kommt, dass Anlagen der technischen Gebäudeausrüstungen schneller im Preis steigen als die Teuerungsrate. Das liegt nicht nur an den rasant gestiegenen Weltmarktpreisen für Metalle, sondern auch an neueren technischen Produkten und einer höheren Technikausstattung.
netzwerk südbaden: Sie haben das Projekt „Soziale Stadt“ aufgelegt und um 150 Millionen Euro aufgestockt. Welche Ziele verfolgen Sie ganz konkret mit diesem Programm?
Dr. Barbara Hendricks: Unser bewährtes Städtebauförderungsprogramm „Soziale Stadt“ ist das Leitprogramm der sozialen Integration. Im Kern geht es um sozial und wirtschaftlich benachteiligte Stadt- und Ortsteile, um sie in einem umfassenden, quartiersbezogenen Ansatz zu stabilisieren und aufzuwerten. Dazu unterstützen wir gemeinsam mit den Ländern die Kommunen bei ihren städtebaulichen Maßnahmen vor allem in den Bereichen Wohnumfeld und soziale Infrastruktur, um für gute Lebensqualität für alle Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Quartiere zu sorgen und Integration und das gesellschaftliche Miteinander zu verbessern. Wichtig ist außerdem, weitere Politikfelder, wie zum Beispiel die Beschäftigungsförderung, die Kinder- und Jugendarbeit und die Gesundheitsprävention in die Stadtteilentwicklung einzubinden. Mit der „Sozialen Stadt“ setzen wir also ein klares Zeichen für die soziale Stadtentwicklung. Wichtige Grundlagen sind auch die enge Bürgerbeteiligung, das gemeinsame integrierte Entwicklungskonzept und das Quartiersmanagement vor Ort. Dieses Jahr stellen wir für das Programm 140 Millionen Euro zur Verfügung.
netzwerk südbaden: Das Problem der Flüchtlingsunterbringung überlagert viele andere Probleme. Für die Flüchtlinge, die in unserem Land Schutz suchen und wohnen wollen, muss es zielführende Lösungen geben. Aber eben auch für die, die sich Mieten oder gar Eigentum in Boomtowns wie dem beschaulichen Freiburg längst nicht mehr leisten können. Haben Sie eine Idee, wie allen geholfen werden kann?
Dr. Barbara Hendricks: Der Bund hat in Abstimmung mit den Ländern auf den erhöhten Wohnungsbaubedarf reagiert und stellt den Kommunen bundeseigene Immobilien und Liegenschaften verbilligt für den sozialen Wohnungsbau bereit. Zudem werden wir eine zeitlich und räumlich begrenzte Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau einführen. Das Kabinett hat auf meine Initiative hin am 3. Februar 2016 eine Sonderabschreibung für neue Mietwohnungen in angespannten Wohngebieten auf den Weg gebracht, die rückwirkend ab dem 01.01.2016 wirksam werden soll.
Außerdem haben wir die Zuschüsse an die für den Wohnungsbau zuständigen Länder für die soziale Wohnraumförderung verdoppelt. Den Ländern stehen damit im Zeitraum 2016 bis 2019 jährlich über 1 Milliarde Euro für den Wohnungsbau zur Verfügung. Ich setze mich dafür ein, diese Mittel für die soziale Wohnraumförderung weiter zu erhöhen.
Die dargestellten Beschlüsse von Bund und Ländern tragen entscheidend dazu bei, durch eine Intensivierung des Wohnungsneubaus die Integration von Flüchtlingen auf dem Wohnungsmarkt sowie die Wohnungsmarktsituation der angestammten Bevölkerung nachhaltig zu verbessern und Konkurrenzen um Wohnraum zu minimieren. Damit ist allen Bevölkerungsgruppen gedient.
netzwerk südbaden: Die Demografie beschäftigt auch Ihr Ministerium. „Altersgerecht umbauen“ heißt das Programm, das Ihr Ministerium entwickelt hat. Was können wir uns darunter vorstellen? Wer profitiert davon?
Dr. Barbara Hendricks: Unser Ziel ist es, dass ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen möglichst lange selbstbestimmt in ihrer vertrauten Umgebung leben können. Die Ausweitung des Angebots an altersgerechten Wohnungen durch den Abbau von Barrieren ist deshalb dringend erforderlich. Die Schaffung solcher Wohnungen kommt allen Generationen zugute, insbesondere auch Familien mit Kindern. Die Bundesregierung unterstützt deshalb die altersgerechte Anpassung des Wohnungsbestands seit dem Jahr 2009 bundesweit mit dem KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“. Private Eigentümer und Mieter können – unabhängig von Einkommen und Alter – Zuschüsse beantragen, um Barrieren in Wohngebäuden abzubauen und bauliche Maßnahmen zur Einbruchsicherung vorzunehmen. Einbruchhemmende Maßnahmen können seit November 2015 unabhängig vom altersgerechten Umbau gefördert werden. Insbesondere selbst nutzende Eigentümer, die altersbedingt keine Darlehen mehr erhalten oder keine Kredite mehr aufnehmen möchten, können von der Zuschussförderung profitieren. In der Darlehensvariante, die seit 2012 aus Eigenmitteln der KfW finanziert wird, sind zusätzlich Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften oder kommunale Unternehmen antragsberechtigt. Jetzt ist es wichtig, das Programm auch über das Jahr 2016 hinaus zu verstetigen. Bund und KfW haben im Übrigen seit dem Jahr 2009 zusammen mehr als 195.000 Wohnungen altersgerecht saniert. Ich denke, das kann sich sehen lassen.